Tarek Al-Wazir im Interview:"Wir sind von der CDU weiter entfernt als von allen anderen"

Der hessische Grünen-Vorsitzende Tarek Al-Wazir lehnt eine Jamaika-Koalition ab, hadert mit der SPD und will dennoch vorerst Landespolitiker in Wiesbaden bleiben.

Christoph Hickmann

Tarek Al-Wazir, 37, sitzt seit 1995 in Hessens Landtag und ist seit 2000 Vorsitzender der Grünen-Fraktion. Vor einem halben Jahr übernahm der Politologe zudem den Landesvorsitz der Grünen. Er gilt seit Jahren als eines der größten Talente seiner Partei. Der in Offenbach geborene Sohn einer Deutschen und eines Jemeniten fuhr jedoch als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl Ende Januar nur 7,5 Prozent ein.

Tarek Al-Wazir

Tarek Al-Wazir will vorerst nicht in die Bundespolitik.

(Foto: Foto: AP)

SZ: Herr Al-Wazir, haben Sie sich schon bei Dagmar Metzger bedankt?

Al-Wazir: Warum sollte ich?

SZ: Wenn man sich das Chaos bei der hessischen SPD anschaut, können Sie doch froh sein, mit dieser Partei nicht regieren zu müssen. Außerdem verkünden Sie selbst neuerdings, dass die Linke nur bedingt geschäftsfähig sei. Frau Metzger hat demnach das programmierte Scheitern einer Regierung verhindert, in der Sie als Minister gesessen hätten.

Al-Wazir: Das Verhalten von Frau Metzger hat doch zwei Facetten. Zum einen ist uns Grünen bis heute völlig unverständlich, wie jemand vor einer entscheidenden Fraktionssitzung in Urlaub fahren kann. Zum anderen hatte sie von ihren Wählern den klaren Auftrag, Roland Koch abzulösen. Und wir haben inzwischen gesehen, dass Koch die Staatskanzlei nicht freiwillig verlassen wird. Wir haben uns doch das Konstrukt einer Minderheitsregierung auch nicht gewünscht, aber es wäre der einzige Weg für einen Wechsel in der Staatskanzlei zu Beginn der neuen Periode am 5. April gewesen. Auf der anderen Seite hat der innerparteiliche Umgang miteinander in der SPD uns sehr befremdet. Ich halte Frau Metzgers Entscheidung zwar für falsch, aber man muss sie akzeptieren.

SZ: Liegt das eigentliche Problem nicht bei der SPD-Fraktionsspitze, die keinen Überblick über ihre eigenen Abgeordneten hatte?

Al-Wazir: Es ist klar, dass die SPD-Führung Fehler gemacht hat. Erstens in der innerparteilichen Kommunikation, zweitens in der Frage, wie man mit abweichenden Entscheidungen umgeht. Außerdem haben diverse Interview-Äußerungen nicht zur Klarheit beigetragen.

SZ: Meinen Sie damit den Ypsilanti-Stellvertreter Jürgen Walter, der gegen den Linkskurs der Bundespartei gewettert und gleichzeitig erklärt hat, hinter Ypsilanti zu stehen?

Al-Wazir: Ich denke, für Politiker gilt allgemein, dass die Aussage, einen Weg für falsch zu halten, ihn aber trotzdem mitzugehen, wenig verständlich ist.

"Wir sind von der CDU weiter entfernt als von allen anderen"

SZ: Erst nimmt die SPD Ihnen im Wahlkampf das Umwelt-Thema weg, dann lässt sie die Koalition platzen, bevor verhandelt wird. Haben Sie sich zu fest an die Sozialdemokraten gekettet?

Al-Wazir: Wir haben uns an niemanden gekettet, wir haben entlang unserer Inhalte agiert. Es war doch eher die SPD, die sich uns genähert hat, Beispiel erneuerbare Energien. Wenn eine Volkspartei unser Programm übernimmt, kann ich mich doch schlecht von diesem Programm distanzieren. Spannend wäre die Frage geworden, wie ernst die SPD es mit der Energiepolitik denn nun meint. Ein SPD-Schattenminister Hermann Scheer, der zuerst auf unsere Kosten Wahlkampf macht und jetzt öffentlich erklärt, er sei froh, dass er nicht in die hessische Landesregierung muss, hinterlässt bei den Grünen nur noch Kopfschütteln.

SZ: Hätten Sie sich in den vergangenen Jahren nicht so scharf von der CDU abgegrenzt, wären Sie jetzt nicht so abhängig von einem Partner, über den Sie sich im Nachhinein beklagen.

Al-Wazir: Die Hessen-CDU bleibt der am weitesten rechtsstehende aller CDU-Landesverbände. Ein Großteil der Verhärtungen in der hessischen Politik kommt daher, dass die CDU hier einen Politikstil und politische Inhalte pflegt, die mit keiner Partei kompatibel sind, abgesehen von der hessischen FDP.

SZ: Mit dieser CDU regieren die Grünen etwa in Frankfurt und Wiesbaden.

Al-Wazir: Frankfurt und Wiesbaden sind nicht Hessen, und es ist kein Zufall, dass Petra Roth im CDU-Landesverband eher als Exotin wahrgenommen wird.

SZ: Sie warnen seit Ende Januar vor der großen Koalition. Müssten Sie sich nicht doch Richtung CDU öffnen?

Al-Wazir: Es mag altmodisch klingen, aber ich denke, dass in der Politik immer noch die Inhalte zählen. Und von der CDU sind wir weiter entfernt als von allen anderen Parteien im Landtag.

SZ: Das heißt, eine Jamaika-Koalition wird es auf Landesebene nicht geben?

Al-Wazir: Richtig.

SZ: Sie fordern immer wieder, Koch müsse den Weg freimachen. Die Reizfigur, die er für Ihre Wähler ist, sind Sie für die CDU-Anhänger. Wie wäre es denn, Sie machten beide den Weg frei?

Al-Wazir: Ich fordere von Roland Koch im Augenblick gar nichts, außer dass er als geschäftsführender Ministerpräsident nicht die Beschlüsse des Parlaments blockiert. Wir sollten jetzt aufhören zu überlegen, wer mit wem nicht kann, und endlich über Inhalte reden.

"Wir sind von der CDU weiter entfernt als von allen anderen"

SZ: Sie wollen die Studiengebühren abschaffen, beim achtstufigen Gymnasium korrigieren und erneuerbare Energien fördern. Das klingt ambitioniert, aber das Parlament wird sehr schnell an seine Grenzen stoßen, wenn es keine Regierungsmehrheit gibt.

Al-Wazir: Das ist die Gefahr. Deshalb wäre es das Schlimmste, wenn wir jetzt den Wahlkampf im Parlament fortsetzten. Jeder der 110 Abgeordneten muss sich seiner Verantwortung bewusst sein. Und die Zeit drängt. Das Schuljahr fängt bald an, da interessiert es die Menschen nicht, wer sich im Landtag belauert. Sondern was in den Schulen passiert, in die sie ihre Kinder schicken.

SZ: Nochmals: Ohne Regierungsmehrheit bleiben die Spielräume gering.

Al-Wazir: Wir wissen das, deshalb fliegen wir jetzt auf Sicht. Von Projekt zu Projekt, von Sitzung zu Sitzung - immer in Richtung der grünen Inhalte.

SZ: Für die zweitkleinste Landtagsfraktion sprechen Sie sehr selbstbewusst.

Al-Wazir: Natürlich können wir nicht hundert Prozent unserer Inhalte durchsetzen. Aber von den anderen Parteien höre ich inhaltlich wenig, deshalb rammen wir jetzt unsere Pflöcke ein.

SZ: Das klingt nach mühseliger Arbeit. Wäre es für Sie nicht langsam Zeit für die nächsthöhere Ebene?

Al-Wazir: Sie spielen darauf an, dass wir im November einen neuen Bundesvorstand wählen. Ich habe es immer für völlig falsch gehalten, dass Fraktionsvorsitzende nach der Bundessatzung der Grünen nicht gleichzeitig Parteivorsitzende sein können. Aber es gibt diesen Passus nun einmal. Deshalb darf ich gar nicht kandidieren.

SZ: Bis November könnten Sie einen Nachfolger gefunden haben.

Al-Wazir: Es wäre ziemlich verantwortungslos, in dieser schwierigen Situation zu gehen.

SZ: Haben Sie keine Angst, das ewige Talent zu bleiben?

Al-Wazir: Natürlich bin ich enttäuscht über das, was hier in den vergangenen Wochen passiert ist. Wir haben unser Ziel verfehlt, Koch abzulösen.

SZ: Was auch an Ihrem schwachen Wahlergebnis lag.

Al-Wazir: Auch darüber bin ich enttäuscht, doch am Ende hat es nicht mehr an uns gelegen, sondern an der SPD. Jetzt aber aus persönlicher Enttäuschung einem Fluchtreflex nachzugeben, halte ich für falsch.

SZ: Dann spielen wir ein in Hessen beliebtes Spiel: Schließen Sie es aus, 2009 für den Bundestag zu kandidieren?

Al-Wazir: Ich glaube, nach der hessischen Wahl sollte man grundsätzlich gar nichts mehr ausschließen, sondern nur noch von Präferenzen sprechen. Und meine Präferenz ist, im hessischen Landtag Landespolitik zu machen.

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