Es ist fraglich, ob es dem letzten Wunsch von Maalim Seif Sharif Hamad entsprach, dass sich mehrere Tausend Menschen versammelten, um sich von ihm zu verabschieden, dicht gedrängt, viele ohne Maske. Der Vizepräsident der teilautonomen Insel Sansibar verstarb vor wenigen Tagen an einer Krankheit, die es in Tansania gar nicht geben darf - an Covid-19, wie seine Familie bestätigte. Der 77-Jährige ist der bisher bekannteste Politiker, der in einem Land tödlich erkrankte, das zuletzt im April die Zahl der Corona-Infektionen bekannt gab und dessen Präsident John Magufuli im Juni nach einem dreitägigen Staatsgebet verkündete, dass das Land coronafrei sei. Die Menschen sollten beten und der lokalen Medizin vertrauen, sagte Magufuli.
Dabei ist er bis heute geblieben. Sollten doch vereinzelt Fälle auftreten, dann bei Ausländern, die das Virus ins Land gebracht hätten. Die Lage sei aber unter Kontrolle, sagte er vor Kurzem. Wenige Tage später trat seine Gesundheitsministerin im Fernsehen auf, neben ihr stand ein kleiner Mixer, in dem sie Ingwer, Zwiebeln, Zitrone und Pfeffer zu einem kleinen Drink verrührte, den sie den Zuschauern als hochwirksames Mittel gegen Covid-19 empfahl.
In den sozialen Medien hagelte es Spott, und auch aus der eigenen Partei bekommt Magufuli nicht mehr nur Zustimmung. Der ehemalige Minister und Parlamentsabgeordnete Mark J. Mwandosya veröffentlicht auf seinem Twitter-Account fast täglich kleine Nachrufe auf ehemalige Kollegen und Freunde, die verstorben sind. Es ist einer von vielen Hinweisen, dass die Lage in Tansania sich zunehmend verschärft.
"Covid-19 tötet die Leute, und wir sehen viele Fälle, aber wir können nicht über die Krankheit sprechen", sagt ein Arzt in Daressalam der Nachrichtenagentur AFP. Mehrere Krankenhäuser sollen Covid-Patienten abgelehnt haben, weil es keine freien Betten mehr gibt.
Der Präsident betet gegen Corona, Impfungen lehnt er ab
Aktivisten und Exilpolitiker bitten um Spenden von Masken und Schutzanzügen für Ärzte und Pfleger, die dem Virus ausgeliefert sind, weil die Regierung sich weigert, Ausrüstung zu bestellen. "Die Regierung lässt ihr Volk im Stich", sagt die Oppositionsaktivistin Maria Sarungi Tsehai. Und selbst ein Abgeordneter der Regierungspartei bittet den Präsidenten, den Kurs zu ändern. "Ich bin es leid, auf Beerdigungen zu gehen."
Magufuli sieht aber keinen Grund zum Einlenken, am Freitag betete er mal wieder gegen Corona und rief seine Mitbürger dazu auf, es ihm gleichzutun. Die Impfstoffe des Westens seien nutzlos; wenn sie es nicht wären, "hätte der weiße Mann doch schon einen gegen Aids gebracht". Sein Regierungssprecher fordert Medien auf, nicht ständig nach Corona zu fragen, sondern lieber über den wirtschaftlichen Aufschwung des Landes zu berichten, in dem es keinen Lockdown gibt und kaum jemand eine Maske trägt, in dem alles erlaubt ist wie immer. Davon profitiert vor allem der Tourismus; Reisende brauchen keinen negativen Corona-Test an der Grenze, vor allem aus Osteuropa und Russland strömen Urlauber nach Sansibar.
Sie tanzen in den Discos und drängen sich in den engen Gassen von Stonetown. Und bringen das Virus schließlich wieder mit nach Hause. Großbritannien hat deshalb die Einreise von Personen verboten, die in Tansania waren. Japan und andere Staaten warnen davor, dorthin zu fliegen. In Oman haben die Behörden festgestellt, dass 18 Prozent der ankommenden Reisenden aus Tansania mit Corona infiziert seien, obwohl für das Besteigen des Flugzeugs ein negativer Test vorgeschrieben ist. Das nährt den Verdacht, dass Tansania es nicht so genau nimmt mit den Tests. Auch deutsche Touristen berichten, nach einem negativen Test auf Sansibar im Heimatland positiv getestet worden zu sein.
Noch fahren weiter Touristen nach Sansibar, die angebliche Normalität, die die Insel derzeit als Alleinstellungsmerkmal bewirbt, könnte sich aber bald ins Gegenteil umkehren, in eine Art Pariastaat. Dann nämlich, wenn der Rest der Welt sich impfen lässt und Tansania ein weißer Fleck auf der Karte bleibt, weil Magufuli sich weiter weigert, Impfstoffe ins Land zu lassen. John Nkengasong, der Direktor des bei der Afrikanischen Union angesiedelten Zentrums für Seuchenkontrolle, forderte Magufuli auf, den Kurs zu ändern: "Wenn wir das Virus nicht als Kollektiv auf dem Kontinent bekämpfen, sind wir alle verloren."