Taktik der Arabischen Liga in der Syrien-Krise:Die Handschrift des Emirs

Die Arabische Liga ändert ihre Strategie: Katar und Saudi-Arabien berufen ihre Beobachter aus Damaskus ab. Zusammen mit dem saudischen König Abdullah gehört der Emir von Katar nun zu den treibenden Kräften gegen Präsident Assad - doch ohne Hilfe des Westens wird Syrien nicht zu befreien sein.

Tomas Avenarius, Kairo

Die Ohrfeige aus Damaskus schallte bis Kairo: Im Streit um die Beobachtermission der Arabischen Liga in Syrien schließt Syrien jetzt alle arabischen Friedenspläne aus. An die Adresse der Liga gewandt - die Organisation hat ihren Sitz in Ägyptens Hauptstadt -, sagte der syrische Außenminister Walid Muallim: "Schluss mit den arabischen Lösungen." Die Liga-Mitglieder seien an einem "Komplott" zur Internationalisierung des Aufstands gegen Präsident Baschar al-Assad beteiligt. Syrien stehe trotzdem "wie ein Felsen, fest und unerschüttert", so der Außenminister.

Emir von Katar

Katars Emir Hamad bin Khalifa al-Thani gehört zusammen mit dem saudischen König Abdullah innerhalb der Arabischen Liga zu den treibenden Kräften gegen Syriens Präsident Assad.

(Foto: dpa)

Zwar meldete die syrische Nachrichtenagentur Sana am Dienstagabend, dass Muallim der Liga eine Verlängerung ihres Einsatzes bis zum 23. Februar gestatte. Dennoch dürfte der Streit zwischen Damaskus und der Liga das Aus für die arabischen Friedenspläne bedeuten, mit denen die Organisation im Assad-Staat eine internationale Einmischung wie in Libyen verhindern wollte. Im Schlüsselland Syrien sollte eine arabische Lösung auf den Tisch kommen. Doch nun zeichnet sich das Gegenteil ab: der syrische Konflikt vor dem Sicherheitsrat der UN.

Das ließe sogar ein internationales Eingreifen denkbar werden im Kampf zwischen Präsident Assads Armee und den seit zehn Monaten durchhaltenden Aufständischen in Syrien. Zum Vergleich: Libyens Diktator Muammar al-Gaddafi wurde von seinen Rebellen mit Hilfe der Nato gestürzt. In Syrien müssten es womöglich gar keine wochenlangen Luftangriffe sein - schon Schutzzonen entlang der Grenzen würden laut der syrischen Opposition erst einmal ausreichend sein.

Praktisch möglich gemacht haben die jüngste Wende im arabischen Friedenszirkus die Golf-Staaten Katar und Saudi-Arabien. Alle sechs Staaten des Golfkooperationsrats (GCC) - dem neben den Saudis und Katarern Kuwait, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Oman angehören - ließen die Arabische Liga wissen, dass sie ihre Experten aus der syrischen Liga-Beobachtermission nach Hause rufen. Die sechs Golfstaaten taten dies unter Führung der Saudis. Dabei wussten sie, welchen Hebel sie in Bewegung setzen: Sie stellen einen guten Teil der Liga-Beobachter. Die ohnehin zu kleine Mannschaft der Mission ist damit nicht mehr arbeitsfähig und würde bei einer Fortsetzung vollends zur Farce.

Die Golf-Araber verkündeten im selben Atemzug das Ende ihrer Geduld sowohl mit Assad als auch mit der Arabischen Liga. Der UN-Sicherheitsrat müsse den Druck auf Damaskus erhöhen und dafür "alle nötigen Maßnahmen ergreifen". Am Dienstagabend verlautete aus arabischen Diplomatenkreisen, dass Araber mit Europäern an einer UN-Resolution arbeiteten, die schon Anfang kommender Woche zur Abstimmung im Sicherheitsrat angesetzt werden könnte. Damit stellen die GCC-Staaten die Araber-Organisation öffentlich bloß, obwohl sie ihr selbst angehören. Die Liga wollte das Syrien-Problem in eigener Regie lösen. Stattdessen rufen die Saudis die internationale Gemeinschaft jetzt auf, "ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Das gilt für unsere islamischen Bruderstaaten, aber auch für unsere Freunde in Russland, China, Europa und den USA."

Warum die Golfstaaten das große Wort führen

So leidet die Arabische Liga - und damit ihr Friedensplan für Syrien - unter der Zerstrittenheit eines Staatenbündnisses, das dem Konsens verpflichtet ist, ihn aber fast nie erreicht. Die Organisation mag unter dem Eindruck des arabischen Frühlings entscheidungsfreudiger geworden zu sein. Aber sie bleibt geprägt von den Interessengegensätzen ihrer 22 Mitgliedsstaaten. Zudem hat die Arabellion die innere Liga-Machtbalance verschoben. Der neue Generalsekretär ist Nabil al-Arabi, wieder ein Ägypter. Dennoch führen die Golfstaaten das große Wort in der Organisation. Denn die reichen Ölstaaten wie Saudi-Arabien oder Katar sind vom arabischen Frühling bisher verschont geblieben: Sie können sich den sozialen Frieden im eigenen Land nach wie vor kaufen und einen Volksaufstand wie in Ägypten verhindern. Die Ausnahme war nur der Golf-Inselstaat Bahrain.

In der Liga führt Katar derzeit den Vorsitz. Der in seinem Kleinstaat auf riesigen Öl- und Erdgasvorkommen sitzende Emir Hamad bin Khalifa al-Thani nutzt das Amt geschickt. Unter seiner Führung hatte die Organisation den Weg frei gemacht für den Nato-Einsatz in Libyen, während der Emir im Hintergrund die libyschen Rebellen bewaffnen und trainieren ließ. Zusammen mit dem saudischen König Abdullah gehört der Emir nun zu den treibenden Kräften gegen Assad. Die Saudis und die anderen Golf-Araber nehmen dem Syrer seinen Schulterschluss mit Iran übel: Die Machthaber in Teheran und die in Riad sind Feinde, ihr Konflikt wird wegen des Atomstreits immer schärfer. Der Druck der Golf-Araber in der Liga richtet sich somit gegen Damaskus - aber gemeint ist Teheran. Die Golf-Staaten nutzen die Arabische Liga als Instrument gegen Iran.

Syrien und Saudi-Arabien haben untereinander noch mehr Rechnungen offen. Beide beanspruchen eine Art Vormundschaft über Libanon. Seit dem Attentat 2005 auf den früheren libanesischen Premier Rafik al-Hariri liegen sie über Kreuz. Als Drahtzieher des Anschlags wird neben der Schiitenmiliz Hisbollah das syrische Regime vermutet; Hariri war politischer Intimus des saudischen Königs. Hinzu kommen ideologische Konflikte: Syrien hat eine sunnitische Bevölkerungsmehrheit, aber ein säkulares System. Saudi-Arabien ist ein quasi-religiöser Sunnitenstaat. Riad und Golfstaaten wie Kuwait oder Katar finanzieren oder fördern eine Vielzahl islamischer Parteien und Oppositionsbewegungen und Parteien weltweit und wohl auch in Syrien.

Schon der Liga-Friedensplan hatte die Golf-Handschrift getragen: Präsident Assad soll die Macht in zwei Monaten an seinen Vize abgeben. Dieser soll mit der Opposition eine Regierung der Nationalen Einheit bilden und Präsident und Parlament wählen lassen. Das klang bekannt: Mit einem ebenfalls arabischen Friedensplan versuchen die GCC-Staaten seit dem Sommer 2011, die Lage in Jemen ohne internationales Eingreifen zu entschärfen und dem Regime die Macht abzuringen.

Jetzt aber setzen die Golf-Araber angesichts von Assads Verbohrtheit auf den UN-Sicherheitsrat. Auf die Vetomacht seiner Freunde China und Russland kann sich der syrische Staatschef dort nur noch begrenzt verlassen. Michail Margelow, der Afrika- und Nahost-Beauftragte von Russlands Präsident Dmitri Medwedew, signalisierte ein Erlahmen der Geduld: Russland habe seine Möglichkeiten mit einem Veto gegen eine westliche Syrien-Resolution im vergangenen Jahr "weitgehend erschöpft".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: