Süddeutsche Zeitung

Taiwan:Ein Rechteck erregt Anstoß

Die umstrittene Präsentation des Inselstaats auf der Seite des Auswärtigen Amtes.

Von Lea Deuber, Peking

Das Auswärtige Amt hat bestritten, die Flagge des demokratischen Inselstaats Taiwans in jüngster Zeit von seiner Internetseite entfernt zu haben. Das geht aus einer Anfrage der Grünen hervor, die der Süddeutschen Zeitung vorliegt. Besuchern der Internetseite war zuvor aufgefallen, dass in der Länderübersicht bei Taiwan anstelle der taiwanischen Flagge nur ein weißes Rechteck gezeigt wird. In der Antwort auf die Anfrage erklärte das Auswärtige Amt, "soweit sich dies technisch rekonstruieren lässt", sei die in Taiwan benutzte Flagge nie auf der Webseite des Auswärtigen Amtes verwendet worden." Als Grund für das Fehlen der Flagge wird die Ein-China-Politik genannt.

Deutschland hat 1972 diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik China aufgenommen und erkennt auf Druck Chinas unter der genannten politischen Prämisse nur die Volksrepublik China als souveränen Staat an. In der demokratischen Republik vor der Küste Chinas, auf die Peking Ansprüche erhebt, betreibt Deutschland dementsprechend nur eine inoffizielle Vertretung.

Mitte des Monats hatte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes im Streit um die Flagge noch erklärt, diese werde seit einem Relaunch der Seite im November 2017 nicht mehr angezeigt. Es gebe unterschiedliche Möglichkeiten, Dinge darzustellen, wenn man sie in einem bestimmten Schema darstellen will, so der Sprecher damals. Man habe sich jetzt zu dieser Darstellungsform auf der Webseite durchgerungen. "Eine Flagge ist ein Symbol der Staatlichkeit." Hinter dem Namen Taiwan steht auf der Seite des Auswärtigen Amts auch ein Sternchen, das auf eine Ergänzung am Ende des Textes hinweist. Dort heißt es, die Bezeichnung "Länder" umfasse in der Auswahlliste Staaten, Provinzen und Territorien. Sie spiegele nicht die Position der Bundesregierung wider. Diese zusätzliche Distanzierung ist weder bei Hongkong ergänzt, der chinesischen Sonderverwaltungszone, noch bei umstrittenen Regionen wie den Palästinischen Gebieten. In beiden Fällen werden auch die Flaggen der Regionen gezeigt. Taiwan ist damit das einzige unter den 200 Ländereinträgen mit einer solchen Sonderbehandlung. Margarete Bause, menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag sieht in dem Vorgehen "ein weiteres Zeichen der Hasenfüßigkeit gegenüber der Führung der Kommunistischen Partei". Die Bundesregierung habe dem Druck Pekings offensichtlich schon vor Längerem nachgegeben oder vorauseilenden Gehorsam gezeigt. Sinnbildlich dafür sei auch die entlarvende Bemerkung des Sprechers des Auswärtigen Amts, man habe sich dazu "durchgerungen", die Flagge nicht zu zeigen.

China hat zuletzt den Druck auf Firmen, internationale Organisationen und Staaten erhöht, Verbindungen mit Taiwan zu kappen und das Land nicht mehr auf Internetseiten aufzuführen. Wer zum Beispiel mit der Lufthansa nach Taipeh fliegt, bucht heute angeblich eine Reise in die Volksrepublik. Die Regierung in Peking hat auch dafür gesorgt, dass Taiwan weder als Mitglied noch als Beisitzer an Sitzungen der Weltgesundheitsorganisation WHO teilnehmen kann. Ein Vorgehen, das vor allem in der Coronakrise kritisiert wurde.

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Quelle:
SZ vom 25.07.2020
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