100 Tage US-Präsident Trump:Trump gönnt sich einen Abend ohne Kritik

Trump lässt sich in Harrisburg von tausenden Anhängern für seine ersten 100 Tage im Amt feiern. Dabei waren die alles andere als erfolgreich. Merkt da nur keiner.

Von Thorsten Denkler, New York

Er kann natürlich nicht unerwähnt lassen, was drüben im "Sumpf Washington" an diesem Abend kurz nach seinem Auftritt passieren wird. Dass dort Journalisten und Gäste zum Dinner der Korrespondenten im Weißen Haus in einem Hotel zusammenkommen. Und zwar ohne ihn, "ohne den Präsidenten". Donald Trump grinst, als habe er es den "Fake News"-Journalisten mal so richtig gezeigt mit seiner Absage an das Correspondents' Dinner. Seit Ronald Reagan im Jahr 1981 ist er der erste Präsident, der nicht daran teilnimmt.

Da jubeln seine Fans im "Farm Show Complex" in Harrisburg, Pennsylvania. Trump Land. In manchen Wahlbezirken haben ihm dort über 80 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme gegeben.

Donald Trump kann sich hier entspannt feiern lassen. Als ihm nach ein paar Minuten ein Teilnehmer etwas Trump-Kritisches entgegenruft, lässt Trump ihn rauschmeißen. Seien Fans jubeln. Hier geht das. In Washington hätte er sich an diesem Abend Kritik anhören müssen.

Dieser Samstag ist sein 100. Tag im Amt. Es waren - vorsichtig ausgedrückt - wenig erfolgreiche 100 Tage. Die meisten seiner Wahlversprechen für die ersten 100 Tage hat er bisher nicht eingelöst. Was ihn in Harrisburg nicht daran hindert, sich als den erfolgreichsten Präsidenten aller Zeiten zu verkaufen. Als den Präsidenten, der die meisten Gesetze unterschrieben habe in den ersten 100 Tagen. Und seit Franklin D. Roosevelt die meisten Dekrete.

Klar, sogar an diesem Abend hat er wieder einen Rekord gebrochen: So viele Menschen wie noch nie seien in den "Farm Show Complex" gekommen. "Dabei habe ich nicht einmal eine Gitarre", sagt Trump. Überprüfen lassen sich die Zahlen auf die Schnelle nicht. Aber was würde es auch für einen Unterschied machen. Gefühlte Fakten gehen vor.

Trump hält wieder eine seiner Wahlkampfreden. Mit dem Unterschied, dass er jetzt Präsident ist. Er verspricht, die Krankenversicherungsreform seines Vorgängers Barack Obama abzuschaffen und zu ersetzen. Er verspricht, das Land sicherer zu machen, Arbeitsplätze zu schaffen. Und er verspricht, dass die Mauer zu Mexiko gebaut wird. Ein Riesenpunkt in der Arena. "Build that Wall! Build that Wall!", ruft die Menge immer wieder. Baut die Mauer! "Die Mauer wird gebaut", sagt Trump, "ihr könnt beruhigt sein".

Von welchem Geld ist unklar. Weit über 20 Milliarden Dollar könnte die Mauer kosten. Im Weißen Haus wird schon darüber nachgedacht, die Mauer zu einer Metapher für deutlich verstärkte Grenzsicherung zu erklären, schrieb kürzlich die New York Times mit Bezug auf Quellen aus dem Umfeld des Präsidenten. Trump selbst spricht das hier sogar an. Dass manche sagen, die Mauer brauche es schon gar nicht mehr, weil es immer weniger illegale Grenzübertritte gebe.

Die Mauer wird gebaut - oder doch nicht?

Vielleicht ein Hinweis darauf, dass er versucht, seine Gefolgschaft langsam auf die neuen Realitäten vorzubereiten. Na, oder vielleicht doch nicht. Danach verspricht er nochmal, dass die Mauer gebaut wird. Und die Menge ruft "Build that wall!"

Wer in den vergangenen Wochen geglaubt hat, Trump könnte im Amt moderater werden, der wird diese Kundgebung mit großen Ohren verfolgt haben. Hat seine Drohung, das Freihandelsabkommen Nafta mit Kanada und Mexiko zu kündigen nicht gerade erst relativiert? Hier wiederholt er sie.

Und ist nicht auch in seiner Regierung ein Ausstieg aus dem Klimavertrag von Paris umstritten? In Harrisburg kündigt er an, er werde in den kommenden beiden Wochen eine weitreichende Entscheidung in dieser Frage verkünden. Und es klingt nicht so, als wolle er seine Zuhörer schonend darauf vorbereiten, dass Klimaschutz doch wichtig sein könnte.

Zwei kleine Kehrtwenden aber dürften auch für die engsten Anhänger kaum zu übersehen gewesen sein. Er will China jetzt nicht mehr "Währungsmanipulator" nennen. Weil ihm der chinesische Präsident nämlich helfen werde, das Nordkorea Problem zu lösen. Als wenn er sich dafür die Rückendeckung von seinen Anhängern holen will, sagt er: "Ihr versteht das, oder?" - Viel Applaus. Was ihr Donald macht, ist immer richtig.

Und die Nato ist jetzt nicht mehr obsolet. Weil deren Mitglieder zugesichert hätten, dass sie ihre Beiträge nach und nach erhöhen wollen. So wie er es immer gefordert habe, sagt er. Ist also sein Verdienst. Klar. Beifall dafür.

Nun, das haben die Nato-Staaten schon 2014 beschlossen. Deren Regierungschefs haben Trump das jetzt erst einer nach dem anderen behutsam erklären müssen. Jetzt scheint er es verstanden zu haben.

Zum Schluss klingt - wie immer nach seinen Reden vor Anhängern - der Song "You Can't Always Get What You Want" von den Rolling Stones aus den Hallenlautsprechern. Du kriegst nicht immer, was Du willst. Und wie immer ist es befremdlich. Gerade hat Trump seinen Leuten ja noch das Blaue vom Himmel versprochen. Und jetzt hören sie, dass sie nicht alles kriegen können, was sie wollen.

Der Song wirkt wie eine automatische Hintertür. Trump wird die sehr wahrscheinlich brauchen. Auf erfüllte Wahlversprechen jedenfalls müssen seine Anhänger noch ein wenig warten.

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