9. Tag:Krankentransport per Eselskarren

Schwerkranke Patienten werden oftmals kilometerweit durch die glühende Hitze der Trockensavanne zur Gesundheitsstation getragen und dann auch noch quer durch das Trockental, das sich nach den Regenfällen in einen hüfthohen Fluss verwandelt hat.

Gelegentlich transportieren Angehörige die Kranken auch mithilfe von Esels- oder Pferdekarren liegend zur Gesundheitsstation.

Auch heute harren die Menschen geduldig unter einem großen Maulbeerbaum am Eingang der Station aus, bis sie an der Reihe sind, die Männer in ihren weißen Kitteln und Turbanen auf der einen Seite, die Frauen in ihren bunten Tüchern auf der anderen Seite.

Etwa jede halbe Stunde gehen wir zusätzlich mit unseren hiesigen Mitarbeitern durch die Menge der Wartenden, um die akut Erkrankten und Bedrohten herauszuholen und sofort in die Behandlungszelte zu bringen. Meistens sind es kleine Säuglinge, oft schwer unterernährt und ausgetrocknet, die unter den bunten Tüchern gar nicht so einfach zu entdecken sind.

Mütter halten ihre Kinder hoch, Alte zeigen ihre Gebrechen

Wenn man dann durch die Reihen geht, kommt eine ganz leichte und kaum merkbare wellenförmige Bewegung in die Menge, Hände strecken sich empor, Mütter halten ihre Kinder hoch, Alte zeigen ihre Gebrechen und Behinderungen, ganz sanft wird man von zahllosen Händen berührt, aber alles in Lautlosigkeit und großer Disziplin.

Unsere Entscheidungen werden nie kritisiert, und wenn wir mit den Schwerkranken wieder in die Station zurückkehren, dann trennen sich die Menschen wieder, die Männer gehen auf die eine Seite, die Frauen auf die andere Seite des Maulbeerbaumes.

Täglich holen wir zudem Patienten mit unserem Geländewagen aus dem Lager, oder verlegen die schwerst Mangelernährten in das neu eröffnete therapeutische Ernährungszentrum. Aber auch mit unserem Allradfahrzeug ist der Weg ins Flüchtlingslager keine Spazierfahrt.

Zunächst rutschen wir in steilem Winkel hinab in das Flussbett, dann durchqueren wir den hüfthohen Wasserlauf, um uns an einer günstigen Stelle wieder aus dem tiefen Graben emporzuarbeiten.

Auf der anderen Seite des Wadi erwartet uns dann keineswegs sofort eine Straße oder feste Piste, sondern zunächst nur feiner loser Sand, durch den wir uns langsam mit vier Rädern voranwühlen und dabei eine lange Staubwolke hinter uns herziehen.

El Fasher liegt mit seiner geographischen Position von 13 Grad und 37 Minuten nördlicher Breite sowie 25 Grad und 21 Minuten östlicher Länge genau in der Region afrikanischer Trockensavanne. Die äquatoriale Hitze wird im Sudan nicht durch eine relative Höhenlage gemildert wie in Tansania oder Ruanda.

Die Stadt liegt nur auf einer bescheidenen Höhe von 730 Metern über dem Meeresspiegel, daher glüht die afrikanische Sonne gnadenlos vom meist wolkenlosen Himmel, und besonders in den frühen Nachmittagsstunden herrschen Temperaturen von über 50 Grad Celsius im Schatten.

Schwere körperliche Arbeit ist in dieser Zeit kaum möglich, Mensch und Tier drängen sich in dem geringen Schatten zusammen, den eine genau im Zenit stehende Sonne überhaupt zulässt.

Die wartenden Patienten halten sich dann ausschließlich in dem Schattenviereck direkt unter dem Sonnensegel auf, das wirkt, als sei es in den Boden eingebrannt.

Einige Kleinkinder sitzen oder liegen ganz lethargisch auf dem Boden. Sie haben es aufgegeben, die zahllosen hartnäckigen Fliegen aus dem Gesicht, den Augen und den Mundwinkeln zu verscheuchen.

Säuglinge mit dem Gesicht eines Greises

Manchmal entdeckt man unter einem bunten Tuch am Körper einer Mutter noch ein Neugeborenes oder einen Säugling mit schwerer Fehlernährung, mit dem Gesicht eines alten Menschen und stumpf-rötlichen Haaren als den klinischen Zeichen des lebensbedrohlichen Nahrungsmangels.

Angesichts über einer Million vertriebener Opfer im Westsudan kann die Arbeit unserer Gesundheitsstation in der Stadt El Fasher mit ihren täglich etwa zweihundert Patientenkontakten zunächst nur begrenzter Beitrag zu einer groß angelegten friedenspolitischen und humanitären Hilfsaktion zahlreicher Länder und Organisationen sein.

Die Gesundheitsstation des Roten Kreuzes hat sich aber in Darfur im Sommer 2004 erneut so gut bewährt, dass weitere Versorgungseinheiten für die vertriebene Bevölkerung angefordert wurden.

Neben allen statistisch erfassbaren Krankheits- und Behandlungsdaten der Station genügt aber schon das Lächeln einer Mutter nach der Genesung ihres Kindes, um eindrucksvoll zu belegen, wie notwendig und erfolgreich dieser gemeinsame Einsatz des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz, des Sudanesischen Roten Halbmonds und des Deutschen Roten Kreuzes ist.

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