Tag der offenen Tür der Bundesregierung:Die gegrillte Politik

Es klingt wie eine Spaßveranstaltung: Tag der offenen Tür der Bundesregierung. Aber nach Spaß ist den Bürgern, die in die Regierungspressekonferenz gekommen sind, nicht zumute.

Dominik Stawski, Berlin

Als die Sprecher der Ministerien an diesem Samstag in den Saal der Bundespressekonferenz treten, lächeln sie. Man sieht in ihren Gesichtern, was sie sich denken: Wie schön, heute Tag der offenen Tür, nicht die Journalistenmeute, nein, Bürger, die mehr erfahren wollen über unsere Arbeit. Dann können wir mal erzählen. Doch das Lächeln wird den Sprechern schnell vergehen.

Tag der offenen Tuer der Bundesregierung

Tag der offenen Tür der Bundesregierung: Im Berliner Regierungsviertel war viel Unterhaltung geboten, im Saal der Bundespressekonferenz ging es ernsthafter zu.

(Foto: ddp)

Im Saal sitzen etwa sechzig Besucher. Sie gehören zu den vielen Tausenden, die der Einladung der Bundesregierung in die Ministerien gefolgt sind. Es gibt an diesem Wochenende viele spaßige Programmpunkte, die wohl vergessen machen sollen, mit welchen Problemen sich die Koalitionspolitiker gerade herumschlagen. Am Bundesfinanzministerium zum Beispiel haben Zollbeamte eine Biathlon-Schießanlage aufgebaut, im Gesundheitsministerium können die Bürger eine Rauschbrille aufsetzen, um zu testen, "wie es ist, betrunken zu sein, ohne am nächsten Tag einen Kater zu haben", heißt es in der Einladung.

Zum Programm des Wochenendes gehört aber eben auch die Regierungspressekonferenz. Sie wird üblicherweise drei Mal die Woche für die Hauptstadtpresse veranstaltet. Die Sprecher der Ministerien informieren dann über aktuelle Politik, oft müssen sie die kritischen Fragen der Journalisten ertragen, nicht immer ist das eine gemütliche Veranstaltung.

Aber heute wird ja alles anders werden, das denken zumindest die Sprecher. Die Vertreterin der Bundespressekonferenz, ein Verein von Hauptstadtjournalisten, der die Konferenzen organisiert, sitzt auf dem Podium. Sie legt die Reihenfolge der Fragen fest. Wahrscheinlich befürchtet sie zu Beginn, dass die Bürger zu zahm sind, deswegen sagt sie zur Begrüßung: "Grillen Sie die Herren und Damen ruhig mal."

Sie hätte das wahrscheinlich nicht sagen müssen. Der erste Fragesteller trägt ein blaues Hemd, er sitzt in der fünften Reihe des gut gefüllten Saals. "Wie positioniert sich Angela Merkel bei der Erpressung der Konzernchefs?" Der Mann meint die Werbekampagne, die an diesem Wochenende bundesweit in allen Medien gestartet ist. In ganzseitigen Anzeigen fordern darin Vertreter großer Energiekonzerne, Manager und Prominente die Bundesregierung zum Kurswechsel in der Energiepolitik auf. Keine Brennelementesteuer, keine Erhöhung der Ökosteuer, Festhalten an Kohle- und Atomstrom. Die Kampagne ist zum Politikum geworden, weil sie von vielen als Kriegserklärung der Konzerne gegen die Bundesregierung gewertet wird. Der stellvertretende Regierungssprecher, Christoph Steegmans, nimmt die Frage entgegen, er antwortet ausführlich, bezeichnet die Kampagne als völlig zulässigen Beitrag zur aktuellen Debatte.

Vom Kuchenbacken und der Atompolitik

Aber der Mann im blauen Hemd schüttelt den Kopf: "Die Frage ist damit nicht beantwortet", sagt er. Steegmans lächelt jetzt nicht mehr. Der Regierungssprecher nimmt erneut Anlauf, variiert die Antwort, fügt aber inhaltlich nichts dazu. Nichts mehr erinnert in diesem Moment an einen Tag der offenen Tür. Es vergehen Minuten, in denen die Bürger immer wieder scharf nachfragen, das Thema ist weiterhin die Atompolitik, Steegmans redet sich jetzt ein wenig in Fahrt, er verteidigt die Bundesregierung. "Es stimmt nicht immer alles, was in der Zeitung steht." Er vergleicht die Debatte in der Bundesregierung zur Atompolitik mit den Meinungsverschiedenheiten bei der Urlaubsplanung in einer Familie oder beim Kuchenbacken. Manche im Saal verdrehen die Augen, vielleicht weil sie den Vergleich zwischen Atomreaktoren und Kuchen ein wenig unpassend finden.

Dann kommt der nächste Gast aus der zweiten Reihe zu Wort und um gleich klar zu machen, wie er denkt, sagt er, bevor er seine Frage an den Sprecher des Finanzministeriums formuliert: "Ich möchte, dass die Antwort nicht so lange dauert wie gerade beim Regierungssprecher." Will man im Bild bleiben, dann könnte man so eine Bemerkung auch als Grillanzünder bezeichnen. Die Besucher jedenfalls lachen, das Grillen macht ihnen Spaß. In der folgenden halben Stunde geht es dann um die eine Billion Euro hohe Staatsverschuldung der Bundesrepublik, um die drohende Schließung von Bundeswehrkasernen, um das Sparpaket, um die Probleme mit Google Street View, die Einnahmesituation der Renten- und Krankenversicherung. Es gibt nicht ein Thema, das auch nur ansatzweise nach Spaß klingt.

Die Uhr hinten im Saal schlägt gleich halb drei. Manche Sprecher schauen darauf, ihre Gesichtszüge lockern sich wieder angesichts des baldiges Endes dieser Konferenz. Und dann, als schon alles vorbei ist, der Grill langsam abkühlt, will der Sprecher des Gesundheitsministeriums doch noch ein wenig Spaß in die Konferenz bringen. Man habe sich in seinem Ministerium etwas für den Tag der offenen Tür einfallen lassen. Er würde sich freuen, wenn viele kämen. Es gebe dort nämlich eine Teddyklinik, extra eingerichtet für die Kinder. Er lächelt. Aber vor ihm im Saal lacht niemand.

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