Tadschikistan:Kampf den Bärten

Lesezeit: 2 Min.

Seit 1992 herrscht Emomali Rachmon über Tadschikistan. Die Bedrohung durch den islamistischen Terror im Nachbarstaat Afghanistan weiß der 63-jährige Staatschef für sich zu nutzen. (Foto: Shah Marai/AFP)

Präsident Emomali Rachmon warnt vor islamistischem Radikalismus in Tadschikistan - und schlägt als Gegenmittel vor: mehr Macht für sich selbst.

Von Frank Nienhuysen, München

Im Kampf gegen Islamismus sind dem Präsidenten viele Mittel recht, auch Rasierapparate: Neulich ließ die tadschikische Polizei mehr als 10 000 Männern zwangsweise das Barthaar stutzen. Das nannte sich "Anti-Radikalisierungskampagne". Frauen in dem mittelasiatischen Staat ist das Tragen eines Kopftuches in Schulen und Universitäten verboten, inoffiziell sogar in sämtlichen staatlichen Ämtern. Und schwarze Kleider will Staatschef Emomali Rachmon an Frauen ohnehin nicht sehen. "Tragt Kleidung in traditionellen Farben", forderte er.

Das beste Bollwerk gegen den aufkeimenden Radikalismus aber scheint dem Präsidenten er selbst zu sein. Denn das tadschikische Parlament hat jetzt den Weg frei gemacht für ein Referendum, das im Mai zweifellos mit überwältigender Mehrheit angenommen wird und Rachmon die Präsidentschaft auf Lebenszeit garantiert. Seit 1992 herrscht der 63-Jährige in dem Nachbarland Afghanistans, nach der bisherigen Verfassung dürfte er 2020 nicht noch ein weiteres Mal antreten. Das Referendum würde ihm als "Anführer der Nation" erlauben, sich künftig beliebig oft wiederwählen zu lassen. Und selbst wenn irgendetwas dazwischenkommen sollte, hätte er vorgesorgt. Die mit dem Referendum verknüpfte Verfassungsänderung würde das Mindestalter für den Präsidenten von 35 auf 30 herabsetzen und so Rachmons ältestem Sohn Rustam Emomali, derzeit 28, das hohe Amt ermöglichen. Tochter Osoda Rachmon ist seit zwei Wochen übrigens Leiterin des Präsidialamtes.

Der Staatschef nutzt mehr und mehr die trauten Familienbande, um seine Macht vor Angriffen von innen und außen zu sichern. Zum größten Gegner hat er den radikalen Islam erklärt, doch wer und was genau dazugehört, wird von der tadschikischen Führung bestimmt. Im Herbst ließ Rachmon die einflussreiche islamische Partei der Wiedergeburt verbieten. Am Dienstag begann vor einem Gericht in der Hauptstadt Duschanbe hinter verschlossenen Türen die erste Anhörung im Prozess gegen 13 Führungsmitglieder der Partei. Sie sollen einen Umsturzversuch geplant haben. Der Menschenrechtsverband für Zentralasien (Achra) hält die Einstufung der Partei als extremistisch und terroristisch dagegen für "politisch motiviert".

Tadschikistan, das auf mehr als tausend Kilometern an Afghanistan grenzt, ist ein sunnitisch geprägtes Land. Es betont zugleich seinen säkularen Charakter, der noch aus der Zeit stammt, als Tadschikistan zur Sowjetunion gehörte. Die neu entflammten Kämpfe in Afghanistan und das Erstarken des "Islamischen Staats" (IS) haben dazu geführt, dass die Führung in Duschanbe die Zügel noch enger führt, weil tadschikische Extremisten sich dem Dschihad anschließen könnten. Menschenrechtler meinen dagegen, dass gerade der rigide Kampf gegen Islamismus und die Armut im Land viele in die Arme von Dschihadisten treiben könnten. Tatsächlich nutzt Rachmon den Kampf gegen Extremisten seit Langem, um gegen innenpolitische Gegner vorzugehen. Alexej Malaschenko vom Moskauer Carnegie-Zentrum erklärt: "Sicher gibt es Sorgen vor dem IS, aber die Bedrohung ist nicht so groß, wie die Leute sagen."

© SZ vom 12.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: