Tadschikistan:Abriss der Geschichte

Tadschikistan: Viele Bauten in der Hauptstadt Duschanbe gehen auf die Sowjetzeit zurück. Tadschikistans Diktator will einige nun durch modischen Techno-Stil ersetzen.

Viele Bauten in der Hauptstadt Duschanbe gehen auf die Sowjetzeit zurück. Tadschikistans Diktator will einige nun durch modischen Techno-Stil ersetzen.

(Foto: Interfoto)

Tadschikistan will optisch Abschied von der Sowjet-Vergangenheit nehmen. Der Diktator will dazu historische Gebäude abreißen.

Von Frank Nienhuysen

Nur ein paar Jahrzehnte dauerte die Metamorphose vom größeren Dorf bis zur Hauptstadt der Nation. Duschanbe war Anfang der Zwanzigerjahre nicht viel mehr als der staubige Zufluchtsort des Emirs von Buchara. Nach der Eroberung durch die Rote Armee machte die Sowjetunion dann Tadschikistan zu einer sozialistischen Sowjetrepublik und zog eine Reihe repräsentabler Bauten hoch, so wie es sich nach Moskauer Geschmack für eine Regionalhauptstadt gehörte: mit Parlament, Universität, Oper, Regierungsgebäude, zumeist im neoklassischen Sowjetstil. Die Gebäude haben die Sowjetepoche inzwischen um zweieinhalb Jahrzehnte überlebt, doch nun soll auch ihre Zeit allmählich enden.

Die Hauptstadt von Tadschikistan will sich liften, Duschanbe soll optisch moderner, zeitgemäßer werden, einen Teil ihres sowjetischen Outfits abstreifen. Die Abrissbirne soll anrücken und unter anderem das Parlamentsgebäude, die frühere Präsidialverwaltung, den Sitz des Bürgermeisters sowie zwei Theater entfernen. Der Vizechef des Architekturausschusses, Nurali Saidzoda, sagte nach tadschikischen Medienberichten, die ausgewählten Gebäude hätten nur einen zu vernachlässigenden Wert und müssten durch "zeitgemäße" Gebäude ersetzt werden. Neue High-Tech-Bauten sind schon einige in den vergangenen Jahren hochgezogen worden, unter anderem das 20-stöckige Dushanbe Plaza.

Aber nicht alle Einwohner von Duschanbe sind darüber entzückt. Vor allem der ebenfalls geplante Abriss des beliebten Teehaus-Restaurants "Rokhat" geht einigen zu weit. Das Rokhat, von manchen gepriesen als "Perle Duschanbes", fehlt praktisch in keinem Reiseführer für Zentralasien, weshalb nun im Internet eine Petition an Präsident Emomali Rachmon die Runde macht, in der dieser gebeten wird, "die barbarische Vernichtung von Kulturdenkmälern" zu stoppen. Bei einigen handele es sich um "Visitenkarten" der Stadt, das Rokhat sei Synonym für tadschikische Gastfreundschaft, die Theater "Schauplätze für die Aufführung von Klassikern dieser Welt" und die politischen Gebäude Orte, an denen "schicksaltragende Entscheidungen gefällt wurden, kurz: sie seien "nicht einfach Gebäude, sondern Geschichte".

Eine großer, organisierter öffentlicher Protest ist daraus bisher nicht entstanden, was die Internetplattform EurasiaNet auch damit erklärt, dass die politische Repression im Land zugenommen habe. Die meisten trauten sich nicht. Tadschikistan, an der Grenze zu Afghanistan gelegen, ist der ärmste der zentralasiatischen Staaten, die aus der Sowjetunion hervorgegangen sind. Erst vor wenigen Tagen wurde die Stromversorgung in den meisten Landesteilen eingeschränkt, außer in Duschanbe.

Die Loslösung vom sowjetisch-russischen Erbe, verstärkt durch die Neugestaltung in Duschanbe, hat in dem muslimischen Land schon vor Jahren begonnen. Sinnbild ist unter anderem der Präsident selber. Er wollte die tadschikische Identität betonen und verkürzte dazu seinen Namen: aus dem russischen Rachmonow wurde Rachmon.

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