Süddeutsche Zeitung

SZ-Wirtschaftsgipfel:Brexit-Minister sucht Nähe zu Deutschland

  • Der britische Brexit-Minister David Davis hat für eine enge Partnerschaft Großbritanniens mit Deutschland und der EU nach dem Ausscheiden der Briten aus der Union geworben.
  • Es sei für alle Seiten wichtig, zusammenzuarbeiten, um gemeinsame Werte zu schützen, sagte Davis bei einer Veranstaltung der Süddeutschen Zeitung in Berlin.
  • Er kündigte an, dass das Vereinigte Königreich in Fragen der Sicherheit weiter eng mit Europa zusammenarbeiten werde.

Von Björn Finke, Berlin

Die britische Regierung strebt auch nach dem Brexit eine enge Partnerschaft mit der EU und vor allem mit Deutschland an. Das sagte David Davis, der Minister für den Austritt aus der EU, am Donnerstagabend in Berlin. Davis sprach auf dem SZ-Wirtschaftsgipfel, einer jährlichen Konferenz der Süddeutschen Zeitung in der Hauptstadt. "Es ist wichtiger denn je zuvor, dass das Vereinigte Königreich und Deutschland zusammenarbeiten, um unsere gemeinsamen Werte und Interessen zu schützen", sagte er. Dazu zählten Demokratie, Menschenrechte oder der Rechtsstaat. "Werte, die unser Verhältnis definieren und die wichtiger sind als unsere Mitgliedschaft in bestimmten Institutionen."

Davis stellte klar, dass Großbritannien - mit Frankreich die stärkste Militärmacht auf dem Kontinent - die Union weiter bei Bedrohungen für deren Sicherheit unterstützen werde. Der Konservative, der vor dem EU-Referendum für den Austritt geworben hatte, widersprach Befürchtungen, dass das Land den Brexit nutzen werde, um Sozial- und Umweltstandards aufzuweichen.

"Wir können nicht billiger werden als China und wir werden nicht mehr Rohstoffe haben als Brasilien."

Wichtige Entscheidungen stehen an

In den kommenden Wochen fallen wichtige Entscheidungen zum Brexit. So diskutiert das britische Parlament über das Austrittsgesetz, mit dem die Regierung das britische Recht auf die Zeit nach dem Brexit vorbereiten will. Viele Abgeordnete verlangen Änderungen. Da Premierministerin Theresa May sich nur auf eine kleine Mehrheit stützt, könnte die Regierung Zugeständnisse machen müssen. Außerdem treffen sich am 14. Dezember die Staats- und Regierungschefs der EU. London hofft, dass dieser Gipfel dem EU-Chefunterhändler Michel Barnier die Erlaubnis erteilen wird, mit den Briten auch über ein Handelsabkommen für die Zeit nach dem Brexit und über eine Übergangsphase zu sprechen. Doch dafür müsste May der EU erst einige Milliarden Euro mehr als Ausgleichszahlung für die Scheidung anbieten.

Brexit-Minister Davis sagte in Berlin, während dieser "etwa zwei Jahre" langen Übergangsperiode nach dem Austritt sollten für Unternehmen die "derzeit geltenden Regeln Fortbestand" haben. Die Firmen müssten sich dann "nur einmal auf Veränderungen einstellen". Damit greift Davis Forderungen von Wirtschaftsverbänden auf. Die Unternehmensvertreter verlangen, dass sich durch den Brexit im März 2019 erst einmal nichts ändern solle bei Geschäften über den Ärmelkanal - und dass darüber möglichst schnell Klarheit herrschen soll.

Während der Übergangsphase würde das Königreich "sowohl die Rechte als auch die Pflichten eines EU-Mitglieds beibehalten", sagte Davis nun. Das schließe "die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs" ein. Mit diesem Bekenntnis stellt sich der 68-Jährige gegen Außenminister Boris Johnson, einen anderen vehementen Brexit-Unterstützer im Kabinett. Johnson hatte kurz vor dem Parteitag der Konservativen im Oktober gesagt, in der Übergangszeit solle das Land nicht mehr an die Rechtsprechung des EU-Gerichts gebunden sein. Premierministerin May hat das allerdings nicht ausgeschlossen.

Akzeptiert die Regierung alle Pflichten eines EU-Mitglieds für die Übergangsphase, wäre es auch kaum möglich, eigene Handelsverträge mit anderen Wirtschaftsmächten abzuschließen, denn für Zölle und Handelspolitik ist Brüssel zuständig. Dennoch sprach sich Davis gegen zu viel Pessimismus aus: Er habe "keinen Zweifel daran, dass alle 28 EU-Staaten eine glückliche Zukunft haben werden", auch wenn sein Land die Union verlasse. Zwischen Deutschland und Großbritannien könne es nach dem EU-Austritt seines Landes eine neue "anhaltende und spannende Partnerschaft" geben.

Der Brexit heiße nicht, "dass wir alles wegwerfen, was wir haben". Die britische Regierung sei "entschlossen, hohe Standards nicht nur zu bewahren, sondern auch noch auszubauen". Das Land werde keinen Abwärtswettlauf beginnen.

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Quelle:
SZ vom 17.11.2017/jael
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