SZ-Wahlzentrale:Worum es heute in den Jamaika-Sondierungen geht

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Jamaika-Sondierung: Demonstranten verschiedener Organisationen fordern vor der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft die Verhandler bei den Sondierungsgesprächen zu einem Kohleausstieg auf. (Foto: dpa)

Klima, Migration, Verkehr und Landwirtschaft: Für die Jamaika-Sondierer wird es kein leichter Tag. Ein Überblick.

Von Hannah Beitzer, Berlin

Claudia Roth spricht von "High Noon", Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier warnt vor "panischen Neuwahl-Debatten", Unions-Fraktionschef Volker Kauder sagt: "Die nächsten zwei Tage werden entscheidende Tage sein." Die Jamaika-Sondierungen sollen bis morgen Abend abgeschlossen sein. Oder wie es FDP-Vize Wolfgang Kubicki formuliert: "Die Deadline ist Sonntag, 18 Uhr." Worum es am Samstag geht - ein Überblick.

Klima

Auf den allerersten Blick, da sind sich alle Sondierer einig: Deutschland muss seine Klimaziele einhalten. Bis 2020 soll hierzulande 40 Prozent weniger Kohlendioxid ausgestoßen werden als 1990. Doch bei der Frage, was dafür nötig ist, sind die Differenzen noch groß. CDU, CSU und FDP gehen davon aus, dass bereits ein Minus von 32 bis 66 Millionen Tonnen CO2 ausreicht. Die Grünen sind pessimistischer und gehen von 90 bis 120 Millionen Tonnen aus.

Je nachdem, welcher Rechnung man sich anschließt, kommt man zu unterschiedlichen Ergebnissen in der Frage, wie viele Kohlekraftwerke bis 2020 vom Netz gehen müssen. Union und FDP kamen zunächst auf Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von drei bis fünf Gigawatt, die Grünen auf acht bis zehn. Kanzlerin Angela Merkel hat zuletzt einen Kompromiss von sieben Gigawatt vorgeschlagen. Die Grünen wären dem nicht abgeneigt - fordern dafür aber Zugeständnisse in anderen Politikfeldern, um das Klimaziel in jedem Fall zu erreichen. Das betrifft vor allem die Bereiche Landwirtschaft und Verkehr, in denen die Vorstellungen von Grünen auf der einen und Union und FDP auf der anderen Seite ebenfalls weit auseinander liegen.

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Migration und Flüchtlinge

Im Feld Migration und Flüchtlinge liegen Grüne und CSU fundamental auseinander. Für die CSU ist nichts wichtiger, als die Botschaft: Wir begrenzen Migration. Die Unionsparteien haben sich auf einen "Richtwert" von 200 000 Migranten pro Jahr geeinigt. Den Grünen wiederum würden die eigene Basis und die Wähler ein zu offensichtliches Einknicken gegenüber der CSU übel nehmen. Zuletzt hat sich der Streit am Thema Familiennachzug entzündet. Der ist für Flüchtlinge, die nur einen subsidiären Schutz genießen, noch bis Frühjahr 2018 ausgesetzt.

Subsidiären Schutz genießen all jene Flüchtlinge, die in ihrem Heimatland zwar nicht persönlich verfolgt werden, denen aber Folter, anderweitige unmenschliche Behandlung oder die Todesstrafe drohen oder in deren Ländern Krieg herrscht. Das trifft zum Beispiel auf viele Syrer zu. Die könnten ab März 2018 dann ihre engsten Angehörigen nachholen.

Die CSU warnt in diesem Zusammenhang davor, dass auf diese Weise Hunderttausende Menschen zusätzlich nach Deutschland kommen könnten. Verlässliche Zahlen sind schwer zu bekommen, doch Schätzungen gehen von weit weniger Menschen aus, etwa 50 000 bis 60 000 zusätzlichen Migranten. Doch es geht ohnehin eher um die Symbolkraft der Maßnahme. Die Grünen sehen den Familiennachzug als humanitär notwendig, die CSU fürchtet den Eindruck, die Regierung öffne die Grenzen.

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Verkehr

Auch beim Thema Verkehr liegen CSU und Grüne am weitesten auseinander. Wobei auch CDU und FDP nicht gerade euphorisch sind, wenn es um die von den Grünen geforderte "Verkehrswende" geht. In die Sondierungen gegangen sind die Grünen mit der Forderung, ab 2030 keine Autos mit Verbrennungsmotoren mehr zuzulassen. Davon sind sie bereits abgerückt. Nun bieten sie mehreren Medienberichten zufolge einen weiteren Kompromiss an: den Verzicht auf eine höhere Dieselsteuer.

An anderen Forderungen, wie zum Beispiel einer KFZ-Steuer, die sich am CO2-Ausstoß eines Fahrzeugs orientiert, halten sie aber fest. Eine Absatzquote für abgasarme und -freie Autos von fünf Prozent ab 2020 für die Autobauer soll es demnach nur noch geben, wenn ihr Anteil an den Neuzulassungen im Jahr 2019 unter 3,5 Prozent liegt.

Landwirtschaft

Auch in Sachen Landwirtschaft vertreten die Grünen deutlich andere Ansichten als die anderen Parteien. Trotzdem konnten die Verhandler im Laufe der Sondierungsgespräche bereits Fortschritte erzielen. So einigten sich alle Parteien auf ein gemeinsames Leitbild, wonach die Landwirtschaft "mit den Zielen des Unweltschutzes, der Biodiversität und Artenvielfalt sowie des Tierwohls in Einklang stehen" soll. Die Grünen setzten sich zum Beispiel mit der Forderung nach einem "Tierwohllabel" durch. In anderen Bereichen besteht noch Gesprächsbedarf.

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