Was haben "wir" bisher geschafft? Was läuft gut im Miteinander zwischen Einheimischen und Flüchtlingen, was ist noch zu tun? Vieles, sagt die Politikwissenschaftlerin und Migrationsforscherin Petra Bendel und benennt Defizite. In den Integrationskursen, in der Lehrerausbildung oder in der Berufsqualifikation der Flüchtlinge.
Dieser Text ist Teil der SZ-Integrationsserie "Schaffen wir das?". Alle Folgen der Serie finden Sie hier.
SZ: Frau Bendel, "Wir schaffen das!" hat die Bundeskanzlerin zur Aufnahme sehr vieler Asylsuchender vor drei Jahren gesagt. Und damit war natürlich besonders die Integration der Menschen gemeint, die hierbleiben dürfen. Wie sieht es damit bisher aus?
Petra Bendel: Auch wenn es einige Entwicklungen gibt, die Anlass zur Sorge bereiten - unterm Strich läuft es bisher ganz gut. So haben die meisten Flüchtlinge, die 2015 und 2016 gekommen sind, mittlerweile einen der Integrationskurse besucht ..
. ... Kurse, die nicht unumstritten sind, weil dort kaum die Hälfte der Teilnehmer beim Sprachtest das B1-Niveau erreicht. Und das gilt als Voraussetzung für den Eintritt in den Arbeitsmarkt.
Ja, auch wenn es nicht ausreicht, um einen qualifizierten Beruf auszuüben. Sicher steht bei den Kursen noch nicht alles zum Besten: Im ländlichen Raum ist das Angebot nicht so gut wie in der Stadt. Außerdem könnten die Kurse deutlich differenzierter zugeschnitten sein, auch wenn das schon besser geworden ist. Früher saßen von einem Flüchtling, der kaum lesen und schreiben konnte, bis zu einem mit Habilitation alle in einem Sprachkurs. Inzwischen gibt es Kurse, die sich besser an den sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen und beruflichen Bedürfnissen orientieren. Es gibt etwa Alphabetisierungskurse, Kurse für Jugendliche oder Kurse, die sich mit Kinderbetreuung kombinieren lassen. Allerdings führt die unsichere oder gar fehlende Bleibeperspektive dazu, dass ein Teil der Flüchtlinge erst mal gar keinen Integrationskurs besuchen darf. Zum Glück sagt eine Reihe von Kommunen sehr engagiert: Egal, wie es mit der Bleibeperspektive aussieht, bei uns lernen alle Deutsch, und zwar von Anfang an.
Als ganz klassisches Feld von Integration gelten die Schulen und der Arbeitsmarkt. Welche Zwischenbilanz ziehen Sie da?
Fast alle sechs- bis zwölfjährigen Flüchtlinge besuchen eine allgemeinbildende Schule. Es gibt Schulen, in denen es gut läuft; es gibt aber auch Schulen, in denen bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche den überwiegenden Anteil der Schülerschaft ausmachen. Die Erfahrungen zeigen uns, dass vor allem Lehrkräfte viel besser auf den Umgang mit Vielfalt vorbereitet werden müssten, dass es mehr Möglichkeiten für sie geben müsste, sich weiterzuqualifizieren - etwa in der Didaktik von Deutsch als Zweitsprache oder im Umgang mit jungen Menschen, die von der Flucht traumatisiert sind. Zum Arbeitsmarkt: Dass mehr als 300 000 der Flüchtlinge bisher dort untergekommen sind, ist eigentlich ganz ermutigend. Immerhin arbeiten bereits 42 Prozent der hier beschäftigten Menschen aus den Hauptherkunftsländern der Asylsuchenden als Fachkräfte, elf Prozent als Hochqualifizierte, 47 Prozent üben bisher Helfertätigkeiten aus. Viele von ihnen sind in gering qualifizierten Niedriglohnsegmenten tätig, über die Hälfte etwa in der Gastronomie, im Baugewerbe oder in der Leiharbeit.
Woran liegt das? Etliche Flüchtlinge sind doch recht gut qualifiziert.
Es hängt damit zusammen, dass viele dieser Männer und Frauen bisher nicht gut genug Deutsch können oder ihre Qualifikation noch nicht zum deutschen Arbeitsmarkt passt. Das heißt, sie müssen sich neu qualifizieren. Das dauert seine Zeit, zumal sehr viel, zu viel Bürokratie im Spiel ist. Unsere Untersuchungen zeigen allerdings, dass die Entwicklung schneller voranschreitet als erwartet. Wir rechnen damit, dass in etwa 15 Jahren diejenigen, die als Flüchtlinge eingereist sind, im gleichen Ausmaß erwerbstätig sind wie andere Zuwanderer. Die meisten Flüchtlinge sind außerordentlich motiviert zu arbeiten.
Bürger, die grundlegend daran zweifeln, dass die Integration gelingt, kommen - vor allem nach Ereignissen wie der tödlichen Messerstecherei von Chemnitz - schnell auf das Thema Kriminalität. Zu Recht?
So furchtbar solche Taten sind und so wichtig es ist, sich damit zu befassen, wie ihnen vorgebeugt werden könnte: Die Daten des Bundeskriminalamtes zeigen, dass Zuwanderer insgesamt nicht krimineller sind als Deutsche.