SZ-Serie: Der Weg nach Berlin:Verborgene Gene eines Paradebayern

Alexander Radwan will für die CSU in den Bundestag - dafür muss er auf dem Fahrrad kräftig schwitzen, in Wirtshäusern die Stimmung aufnehmen und mit dem ehemaligen Schlagzeuger der Schlagergruppe "Dschinghis Khan" im Duett auftreten. Dabei kann er durchaus unbekannte Seiten zeigen.

Von Ulrike Heidenreich

Politiker "sind doch alle gleich", lautet das Pauschalurteil vieler Deutscher. Sind sie nicht. Die Süddeutsche Zeitung begleitet bis zur Bundestagswahl 2013 sieben Menschen aus sieben Parteien auf ihrem Weg in die Politik - Fehler, Rückschläge und Niederlagen inklusive.

So ändern sich die Zeiten. Seufzend hat die Mutter von Alexander Radwan diesen Satz einmal gesagt. Das war, als ihr Sohn mit ihr vom Tegernsee nach München fuhr. Die beiden parkten direkt vor dem Innenministerium, denn der CSU-Abgeordnete hatte einen Termin dort. "So ändern sich die Zeiten. Du gehst zum Minister. Und ich musste früher mit dir als Baby auf dem Arm ins Ministerium laufen, wegen der Einbürgerung von Papa", staunte die alte Dame.

Dies muss man wissen, um sich nicht allzu sehr über gewisse Wahlkampf-Aktivitäten von Radwan zu wundern. An diesem Wochenende zum Beispiel. Da wird der Landtagspolitiker in Garching auf einem Podium sitzen, gemeinsam mit Leslie Mandoki, und über "Heimat und Identität" diskutieren. Mandoki ist ein etwas zottelbärtiger Musikproduzent vom Starnberger See, früher bekannt als Schlagzeuger der Gruppe Dschinghis Khan. Er hat Super-Connections in die CSU, zum "lieben Duz-Freund Edmund" (Stoiber), zur "lieben Ilse" (Aigner), und er kandidiert für den Landtag. Für die CSU natürlich. Aus Dankbarkeit.

Vorzeige-Kandidat mit "Immigrationshintergrund"

Den Ungarn, der in zerrissenen Kleidern den Eisernen Vorhang überwand und später Asyl in Bayern fand, verkörpert Mandoki sehr überzeugend, optisch wie sprachlich. Radwan hingegen sieht aus wie ein Paradebayer und redet auch so. Dass er nun mit Mandoki im Duett auftritt, liegt an verborgenen Genen aus dem arabischen Raum; Alexander Gamal Radwan nennt das "Immigrationshintergrund". Seitdem in der CSU bekannt wurde, dass der stattliche Mann aus Rottach-Egern einen Papa hat, der 1954 aus Ägypten kam, ist er so etwas wie ein Vorzeigekandidat geworden - für eine Partei, die sich gerade allen und allem gegenüber aufgeschlossen präsentieren will: Frauen, Solarzellen, nachwachsenden Rohstoffen, Universitäten ohne Studiengebühren - und Ausländern eben.

"Einfühlsam und tolerant" seien die Bayern, der Asylsuchende werde "im Hinblick auf die bayerische Wertekultur und Lebensart integriert", schwärmt Musikant Mandoki, der 1975 ins Land kam. Die spezielle bayerische Lebensart mit umstrittener Asyldurchführungsverordnung, Residenzpflicht und Essenspaketen wird bei der Podiumsdiskussion aber keine Rolle spielen.

Staunend unterm Zwiebelturm

Denn auch Radwan gibt sich überzeugt: "Die Integration von Ausländern ist Normalität geworden, das findet auch in unserer Partei statt." Sein Vater war schon Mitglied bei der CSU, bevor Radwan junior wusste, dass es die Schüler-Union überhaupt gibt. Klar, das mit der Einbürgerung habe sich hingezogen, ein ägyptischer Elektroingenieur am Tegernsee sei vor gut 50 Jahren "schon ein Exot" gewesen, sagt der Politiker. Ausländerfeindlichkeit aber habe seine Familie nie erlebt. Anders als Cem Özdemir von den Grünen trage er seine Herkunft trotzdem nicht "wie ein Gütesiegel" .

Radwan unternimmt in diesen Tagen mit seinem Wahlkampfteam Radtouren durch den Stimmkreis. Er spricht vor Supermärkten Wähler an, informiert sich im Wirtshaus über die Probleme dort mit der Mehrwertsteuer. Kommt sein CSU-Trupp an einem besonders schönen Zwiebelturm vorbei, müssen alle anhalten und schauen. Solche Eindrücke machen Radwan glücklich: "So wunderbar ist meine Heimat." Sein Wahlspruch stammt von Franz Josef Strauß: "In der Welt zu Hause, in Bayern daheim."

Radelt er mit seinem Mountainbike nach Hause, wartet schon sein Vater auf ihn, erzählt er. Sie schauen dann Al-Jazeera-Nachrichten auf Arabisch. Alexander Radwan versteht kein Wort.

Die SZ begleitet sieben Kandidaten in ihrem Wahlkampf: Charles M. Huber (CDU), Bruno Kramm (Piraten), Stefan Liebich (Linke), Sabine Poschmann (SPD), Alexander Radwan (CSU), Judith Skudelny (FDP) und Petra Zais (Grüne).

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