SZ-Serie: Der Weg nach Berlin:"Schluss mit Diskussionen"

Judith Skudelny steht auf der Kippe: Ihre noch junge Parlamentskarriere würde ein jähes Ende finden, sollte die FDP im September an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Das Wahlergebnis aus Niedersachsen ist für sie endlich mal eine gute Nachricht.

Von Roman Deininger

Politiker "sind doch alle gleich", lautet das Pauschalurteil vieler Deutscher. Sind sie nicht. Die Süddeutsche Zeitung begleitet bis zur Bundestagswahl sieben Kandidaten aus sieben Parteien - Fehler und Rückschläge inklusive.

Über Judith Skudelny, FDP-Abgeordnete aus Baden-Württemberg, gab es bisher nur Siegreiches zu berichten: Bei der Listenaufstellung im November gewann sie die Kampfabstimmung um den gerade noch aussichtsreichen Platz sechs. Nun aber stand ein Rückschlag an. Eigentlich.

Am Sonntagabend um 18 Uhr, als alle Freidemokraten landauf und landab gebannt auf die Fernsehschirme starrten, starrte Judith Skudelny zuhause in Leinfelden-Echterdingen gebannt auf den Fernsehschirm. Es lief ein Zeichentrickfilm mit einem lustigen Drachen, und gleich danach lief "Duck Tales". Sonntagabends dürfen die beiden kleinen Söhne der FDP-Bundestagsabgeordneten mit ihrer Mutter fernsehen; ein Recht, das sie auch dann einfordern, wenn in Niedersachsen gerade Schicksalswahl ist. Skudelny hat deshalb erst um 18.01 Uhr durch die SMS eines Parteifreunds vom Sensationsergebnis der FDP erfahren. "Krass!", hatte der Absender zur ersten Einordnung der Nachricht dazu geschrieben. Und Skudelny hat dann doch mal diskret auf dem Smartphone nachgelesen, wie sich das Schicksal des Liberalismus in Deutschland so entwickelt.

Es ist ja auch ihr eigenes politisches Los, das da 2013 entschieden wird. Nicht nur, weil Skudelny, 37, schon mit 18 "mit heißem Herzen" zu den Jungen Liberalen gegangen ist. Sondern weil ihre noch junge Parlamentskarriere ein jähes Ende finden würde, sollte die FDP im September an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Und selbst mit sieben, acht Prozent müsste sie um ihr Mandat zittern: Sicherheit gibt Platz sechs der baden-württembergischen Landesliste keineswegs. Skudelny steht auf der Kippe. 9,9 Prozent in Niedersachsen, das ist also auch eine krass gute Nachricht für sie persönlich. Oder etwa nicht?

"Entweder hat jemand den Arsch in der Hose oder nicht"

Am Abend nach dem Lebenszeichen von Hannover trifft sich die Stuttgarter FDP zur Vorstandssitzung. Es gibt ein langjähriges Mitglied zu ehren und ein paar neue Mitglieder zu begrüßen. Aber vor allem gibt es viel zu besprechen. Es ist ja auch viel passiert in den vergangenen 24 Stunden in Hannover und Berlin. Die Liberalen haben sich ihren Weg in den Ratskeller erst bahnen müssen - mitten durch die "Montagsdemo" gegen Stuttgart 21, vorbei an der Blaskapelle, die "Wer soll das bezahlen?" spielt. Jetzt sitzen sie im holzverkleideten Turmzimmer des Ratskellers zusammen, die Kandidatin Skudelny sitzt in grauer Fleecejacke ganz vorn. Schwäbische Apfelschorle, mediterraner Vorspeisenteller.

Der Kreisvorsitzende hebt an: "Sodele." Er gebe schon lange nichts mehr auf Umfragen, sagt er, "Totgesagte leben länger". Die vielen Leihstimmen von der CDU? Nichts Anstößiges. Auch ohne hätte man ja mehr als sieben Prozent gehabt. Und das neue Spitzenduo Rösler/Brüderle: "Die beste Lösung, die wir finden konnten." Die große Mehrheit der Anwesenden klopft zustimmend auf den Tisch. Bloß dem Jungen Liberalen neben Skudelny sieht man an, dass sein heißes Herz immer heißer wird. Er sagt: "Das neue Führungsteam ist eine Katastrophe. Diese Diskussion ist durch die Niedersachsen-Wahl nicht vorbei."

Skudelny ist ja auch noch jung, sie redet so, dass ein aufgebrachter Nachwuchsmann sie versteht: "Es hat sich doch niemand aus der Deckung gewagt heute. Entweder hat jemand den Arsch in der Hose oder nicht. Da war keiner. Und deshalb ist ab jetzt Schluss mit Diskussionen. Jetzt ist Wahlkampf." Am anderen Ende des Tisches ruft jemand: "So isch!" Trotzdem dauert die Debatte noch eine gute Stunde: Die FDP dürfe nicht als "Anhängsel einer anderen Partei" gewählt werden, sagt ein Stadtrat, "wir müssen unsere eigene Kompetenz stärker herausstellen". Der Junge Liberale sagt: "Es darf nicht Hauptargument unseres Wahlkampfes sein, dass mit uns Frau Merkel Kanzlerin bleibt." Ein paar andere sorgen sich, ob das mit den Leihstimmen bei der Bundestagswahl wirklich wieder klappt.

Irgendwann wird es Skudelny zu viel, sie sagt: "Ich bin jedenfalls froh, dass wir heute Abend nicht darüber diskutieren müssen, warum wir vier Prozent haben." Sehr richtig, sagt ein Herr mittleren Alters: "Eigentlich müssten wir diesen Erfolg feucht-fröhlich feiern." Da eh Fastnacht sei, wären auch Luftschlangen nicht daneben gewesen.

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