SZ-Serie: Der Weg nach Berlin:Loslegen, aber nicht so richtig

Seit wenigen Tagen darf plakatiert werden, jetzt startet eigentlich der Wahlkampf. Doch bei Steak und Bier mahnt der Linke Stefan Liebich seine Plakatkleber: Nicht zu früh verausgaben! Denn die Wochen werden "unglaublich lang".

Von Daniel Brössler

Politiker "sind doch alle gleich", lautet das Pauschalurteil vieler Deutscher. Sind sie nicht. Die Süddeutsche Zeitung begleitet bis zur Bundestagswahl 2013 sieben Menschen aus sieben Parteien auf ihrem Weg in die Politik - Fehler, Rückschläge und Niederlagen inklusive.

Stefan Liebich drückt der Schuh. Er steht deshalb, die helle Hose ein wenig hochgekrempelt, barfuß vor seinen Leuten, die sich bei Bratwurst, Steak und Bier im Hof einer Kneipe im Stadtteil Weißensee versammelt haben. In der Hand hält Liebich ein Mikro. "Eine Blase", erklärt er zur Begrüßung, die, wie der Abgeordnete später versichert, aber keine Folge des Wahlkampfs sei, der ja gerade erst richtig losgehen soll.

Seit dem vergangenen Wochenende darf plakatiert werden, und die Linke im Bezirk Pankow hat die Treuesten geladen, um sie darauf einzustimmen. "Ich hoffe, ihr habt euch gut erholt", sagt der Kandidat, denn der Wahlkampf werde "unglaublich lang". Und weil das vielleicht nicht so motivierend klingt, fügt er hinzu: "In Pankow steht es auf Messers Schneide. Die Chancen stehen fünfzig-fünfzig."

Der Bezirk Pankow, zu dem auch Stadtteile wie Prenzlauer Berg gehören, ist für die Linke das, was sie einen "strategischen Direktwahlkreis" nennt. Dahinter steckt eine Spezialität des Wahlrechts: Werden mindestens drei Abgeordnete einer Partei direkt gewählt, entfällt die Fünf-Prozent-Klausel. Zwar muss die Linke laut Umfragen derzeit nicht fürchten, unter die Hürde zu rutschen, doch eine Rückversicherung wäre willkommen. 2009 hatte die Partei kaum wiederholbar 16 Direktmandate erobert, alle davon im Osten. Vier Direktmandate in Berlin und zumindest je eines in den anderen östlichen Bundesländern hat sie sich zum Ziel gesetzt.

Direktkandidaten in diesen Wahlkreisen werden von der Partei unterstützt - mit Plakaten und 10.000 Euro Extrazuschuss. An die 6000 Euro hat Liebich bisher aus eigener Tasche dazugelegt. Unter anderem floss das Geld in einen 20 Jahre alten Kleintransporter der Marke Vespacar, der rot lackiert und mit einem Konterfei Liebichs versehen durch Pankow rollt. Mit zwei roten Fahrrädern bildet er den Fuhrpark, der den Linken wieder in den Bundestag bringen soll.

"Rundhals oder V-Ausschnitt?"

"Die Wahlkampfstimmung spürt man noch nicht so richtig", gibt der Bezirksvorsitzende Sören Benn zu, der im Kneipenhof nach Liebich das Wort ergreift. Der Mittvierziger teilt mit Liebich die Sorge, dass die Kampagne zu früh beginnt und zu lange dauert. "Schont eure Kräfte", bittet Liebich. "Die Ressourcen sind begrenzt. Wir können nicht sieben Wochen intensiven Wahlkampf machen", sekundiert Benn. Auf die letzte Woche komme es an. Loslegen, aber noch nicht so richtig, ist die Botschaft, die bei den - zumeist älteren - Genossen an den Biertischen ankommt.

Ansonsten sind die Hinweise für die Helfer eher praktisch. Ein "Muster-Infotisch" präsentiert die Mindestausstattung zur Wählergewinnung, den Flyer "Stefan Liebich. Für Sie im Bundestag", dann diverse Wahlkampfblättchen und das Programm. Und wer ein rotes Liebich-T-Shirt möchte, darf sich in einer Liste eintragen und schon mal wählen: "Rundhals oder V-Ausschnitt?"

Die SZ begleitet sieben Kandidaten in ihrem Wahlkampf: Charles M. Huber (CDU), Bruno Kramm (Piraten), Stefan Liebich (Linke), Sabine Poschmann (SPD), Alexander Radwan (CSU), Judith Skudelny (FDP) und Petra Zais (Grüne).

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