Süddeutsche Zeitung

SZ-Serie: Der Weg nach Berlin:"Ich freue mich auf Draghi"

CSU-Mann Alexander Radwan macht sich einen schönen Abend. Beim Politikerderblecken auf dem Nockherberg? Oder beim Bayernspiel in der Münchner Arena? Nein, es ist etwas anderes, was den früheren Europapolitiker elektrisiert.

Von Ulrike Heidenreich

Politiker "sind doch alle gleich", lautet das Pauschalurteil vieler Deutscher. Sind sie nicht. Die Süddeutsche Zeitung begleitet bis zur Bundestagswahl sieben Kandidaten aus sieben Parteien - Fehler und Rückschläge inklusive.

Der Landtagsabgeordnete Alexander Radwan will für die CSU in den Bundestag ziehen, im Tausch mit Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner, die nach Bayern zurückkehrt. Mittwochabend in München; ein Kandidat, der Kameras sucht, wüsste jetzt, wo er hinzugehen hat.

Alexander Radwan ist Mitglied beim FC Bayern München und einem Starkbier nicht abgeneigt. Aber manchmal gibt es wichtigere Dinge im Leben. Die Rettung des Euro zum Beispiel.

Es ist ein typischer Münchner Abend: In der Stadt ist zu viel los. Da sind nicht nur die üblichen Soft-Openings der Boutiquen in der Maximilianstraße mit Flying Buffets. Im Angebot für die Großkopferten sind auch das Politikerderblecken auf dem Nockherberg und das Pokalspiel in der Arena, wo sich laut Uli Hoeneß gerade die "deutschen Verhältnisse" klären.

Von Brüssel in den bayerischen Landtag

Manche Leute sind so wichtig, dass sie alles schaffen. Radwan aber ist der gemütliche Typ, das tut er sich nicht an, er will einfach nur Mario Draghi sehen. Der Präsident der Europäischen Zentralbank spricht in der Katholischen Akademie. Ein eher unglamouröser Ort, für ein wenig Farbe sorgen nur die Plakate eines Häufleins Attac-Aktivisten vor der Tür.

Das Thema von Draghis Vortrag klingt für wenig wirtschaftsaffine Menschen sedierend: "Kurs der Europäischen Zentralbank bei der Krise im Euro-Gebiet." Für Radwan, 48, aber ist das ein elektrisierendes Abendprogramm. Er ist eher der Typ für die Sache, weniger für die Show.

Die Vorgänger von Draghi, die Herren Trichet und Duisenberg, kannte er noch persönlich, erzählt er. Radwan war Finanzexperte in Brüssel. Die zehn Jahre als Europa-Abgeordneter hätten ihn "schon sehr geprägt". Dann kamen die mittlerweile gut vier Jahre im bayerischen Landtag. Ist das nicht langweilig, im Vergleich? Immer nur Aiwanger, Studiengebühren, Seehofer und seine Sperenzien? Radwan sagt: "Ich freue mich auf Draghi heute, aber ein Gespräch mit den Almbauern ist mir genauso wichtig."

Fahren oder stillstehen

Den EZB-Chef fragt Radwan später, wie er den Widerspruch beurteile, dass die Ländern sparen und zugleich Wachstum erzeugen sollten. Draghi gibt darauf eine sehr wirtschaftsphilosophische Antwort - ohne eindeutige Lösung. Europa sei wie ein Fahrrad, man könne nicht fahren und gleichzeitig stillstehen, sagt er, da gibt er Radwan recht. Die EZB kümmere sich aber darum - "versprochen".

Draghi entschwindet alsbald Richtung Flughafen, will den letzten Flieger Richtung Frankfurt nicht verpassen. Denn auf dem Weg dorthin, rund um die Arena, stauen sich bald die Fußballfans. Radwans Lieblingsspieler war früher Gerd Müller, dessen Bild hing über seinem Bett.

Parteikollege Markus Söder hatte einst Franz Josef Strauß über das Kopfkissen gepinnt, als Geständnis ist das natürlich etwas spektakulärer. Aber der Finanzminister ist ja auch gerade bei den Großkopferten, im Scheinwerferlicht auf dem Nockherberg.

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SZ vom 01.03.2013/gal
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