SZ-Serie "Der Weg nach Berlin":Die lieben Mitbewerber

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Prophylaktischer Bundestagswahlkampf: Stefan Liebich von der Linken lädt seine Herausforderer im Wahlkreis zu einer Podiumsdiskussion ein. Doch die Gäste sind nicht für ein freundliches Kaffeekränzchen gekommen.

Von Daniel Brössler

Politiker "sind doch alle gleich", lautet das Pauschalurteil vieler Deutscher. Sind sie nicht. Die Süddeutsche Zeitung begleitet bis zur Bundestagswahl sieben Kandidaten aus sieben Parteien - Fehler und Rückschläge inklusive. Stefan Liebich von der Linken will seinen Wahlkreis verteidigen. Und nun der erste Wettkampf: Debatte mit den Konkurrenten.

Dies also ist der Anfang, der Anfang des Kampfes um den Berliner Wahlkreis Pankow. Und wenn diesem Anfang ein Zauber innewohnt, dann ein sehr eigener. Draußen ist es ausnahmsweise sehr schön, was man aus dem höhlenartigen Hinterzimmer der "Brotfabrik" im Berliner Stadtteil Weißensee durch eine geöffnete Tür zum Hof gemeinerweise gut sehen kann.

Vor dieser Tür zur Außenwelt sitzen sechs Männer, die Wahlkreisabgeordnete werden wollen, und im Publikum verblüffend viele Menschen, die sie sich jetzt ansehen mögen. Ein solider Rentnerblock ist gekommen, aber auch Jüngere.

Wahlkampf? Wahlwerbung klingt doch besser

Zu sehen gibt es erst einmal einen Piraten mit Kopftuch, der aus einem mitgebrachten Gefäß Mate-Tee saugt und sagt, er habe etwas gegen das Wort Wahlkampf. Er spreche lieber von einer Wahlbewerbung. Und einen Jungdynamiker von der CDU, der zwar in Charlottenburg wohnt, aber seine Partei in Prenzlauer Berg besser findet, weil sie dort ein so "progressiver Verein" ist. Und der "den Stefan" nett findet, obwohl der von der Linkspartei ist.

Mal abgesehen von einem tapferen Abiturienten, der für die FDP antritt und mitten in Ostberlin gegen Mindestlohn und Millionärsteuer anzustinken wagt, sind hier überhaupt alle irgendwie links und nett zu einander. Liebich hat zu dieser Podiumsdiskussion der Direktkandidaten eingeladen und erwähnt gleich am Anfang, dass der SPD-Mann Wolfgang Thierse - der bis 2009 Wahlkreisabgeordneter war - so etwas abgelehnt habe. "Ich finde Podiumsdiskussionen gut", beteuert Liebich. Und er sei seinen "lieben Mitbewerbern" dankbar, dass sie gekommen seien.

Die lieben Mitbewerber sind natürlich nicht wirklich lieb, was insbesondere für jene beiden gilt, die sich Chancen ausrechnen können, Liebich zu besiegen. Das sind der Grüne Andreas Otto, seit 2006 im Berliner Abgeordnetenhaus, und Klaus Mindrup, für die SPD seit 1999 in der Bezirksverordnetenversammlung von Pankow.

Feldzug gegen Ferienwohnungen

Gern erwähnt Mindrup die "hervorragende Arbeit" Liebichs im Auswärtigen Ausschuss und stellt natürlich gleich klar, sein Politikfeld sei das nicht. "Ich werde nicht mit dem Flugzeug unterwegs sein, sondern mit dem Fahrrad", verspricht er. Auch er fahre Rad, wirft Liebich alarmiert dazwischen. Der Grüne Otto würdigt ebenfalls, wie sehr sich der "Kollege Liebich" in der Außenpolitik engagiere. Was ihn selbst betreffe, wolle er doch eher die "Großstadt Berlin im Bundestag vertreten".

Mindrup und Otto setzen darauf, dass die Menschen in dieser Großstadt sich mehr für Mieten und weniger für die Lage in Syrien oder Mali interessieren. Stolz verkündet Mindrup, die Zeitschrift Haus & Grund bezeichne ihn als "fanatischen Mieterschützer".

Otto berichtet von seinem Feldzug gegen Ferienwohnungen. Natürlich ist Liebich auch für niedrige Mieten, und natürlich ist die Linke, wie er sagt, der "Robin Hood unter den Parteien". Aber nur noch gegen hohe Mieten und für Pankow da sein, das will Liebich nicht. "Das müssen Sie von mir ehrlich hören", sagt er. Zeit für Publikumsfragen bleibt nicht, aber zumindest die Konkurrenz sieht aus, als höre sie das ganz gern.

© SZ vom 17.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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