SZ-Serie: Der Weg nach Berlin:"Da musste ich cool bleiben"

Ihre Aktionen können sie dem Beobachter offenbar schon mal verdächtig machen - dabei müht sich die Grüne Petra Zais doch nur mit einem Einkaufswagen durch Chemnitz. Ein kleiner Einsatz für das große Ziel: den Bundestag.

Von Cornelius Pollmer

Politiker "sind doch alle gleich", lautet das Pauschalurteil vieler Deutscher. Sind sie nicht. Die Süddeutsche Zeitung begleitet bis zur Bundestagswahl sieben Kandidaten aus sieben Parteien - Fehler und Rückschläge inklusive.

Petra Zais tritt für die Grünen in Chemnitz an, im März ist sie auf Platz drei der Landesliste gewählt worden. Nun hält sie ihre erste Konferenz als offizielle Kandidatin ab - und erlebt ein wenig die Wucht des Internet.

Vor ein paar Wochen hat sich Petra Zais zwei Domains gesichert, sie unterscheiden sich nur durch einen Strich in der Mitte. Die Adressen sind ein Zeichen, eine Selbstvergewisserung: Jetzt kann es richtig losgehen. Ein paar Tage vor der Registrierung hatte Zais von den sächsischen Grünen ihren aussichtsreichen Listenplatz bekommen. Als Folge davon reservierte sie die Web-Adressen www.petrazais.de und www.petra-zais.de.

Petra Zais hat die Seiten noch nicht befüllt, aber als sie am Freitag in der Chemnitzer Innenstadt mit einem Einkaufswagen übers Kopfsteinpflaster ratterte, stand das ein paar Minuten später im Internet. Ein Mitglied der Piratenpartei twitterte verwundert: Was macht die denn da?

Die Antwort ist recht einfach, Petra Zais wollte CO2 und vor allem Geld sparen. Deswegen bestellte sie die 50 Flaschen für eine von ihr organisierte Arbeitsmarktkonferenz nicht über die Catering-Firma, sondern kaufte selbst ein: Mineralwasser, medium und spritzig, sowie eine "Schlanke Schorle" aus Apfel, Birne, Stachelbeere.

Fachtagung - eher medium als spritzig

Die Leute auf der Straße haben ein bisschen schräg geguckt, "da musste ich cool bleiben. Einige haben wohl gedacht: Die Alte klaut 'nen Einkaufswagen." Aber damit kann Zais natürlich leben, die Rüttelfahrt auf 400 Metern zwischen Discounter und dem Kulturzentrum Tietz war ja nur ein kleiner Einsatz für ihr großes Ziel, den Bundestag.

Die Konferenz wird ihr auf diesem Weg nur mittelbar helfen. Es ist eine Fachtagung, etwa 40 Gäste, und von der Stimmung her eher medium als spritzig. "Prekär ist unfair" lautet die Überschrift, es fallen Begriffe wie Arbeitsmarktdrifter oder "sachgrundlose Befristung".

Im März hatte Zais noch mit den Grünen zum Grillen an den Schlossteich geladen, bei minus 15 Grad und eisigem Ostwind. Das war Wahlkampf. Petra Zais ist Verdi-Mitglied, die Konferenz zur Arbeitsmarktpolitik ist für sie politisches Kerngeschäft. Dieses nimmt sie genauso ernst, das sieht man auch daran, dass sie dieselbe graue Jacke trägt wie bei der Wahl zur Landesliste.

Der Unterschied ist eher, dass Zais nicht so angespannt ist wie auf dem Parteitag im März. Das klingt jetzt doof, aber: Damals ging es um sie, an diesem Samstag geht es nur um Arbeitsmarktpolitik.

Das ist Petra Zais auch insofern ganz lieb, weil sie sich vor vier Jahren schon einmal selbst im Weg stand. 2009 kandidierte Zais erfolglos für den Bundestag. Es stand nicht im Vordergrund, dass sie seit 1993 Mitglied der Grünen ist - sondern dass sie seit 1973 Mitglied der SED und später Dozentin an einer Bezirksparteischule gewesen war.

Die teilweise sehr persönlichen Angriffe trafen sie schwer, in diesem Wahlkampf ist ihre Vergangenheit bislang kein Thema. Das überrascht Zais ein wenig, und es freut sie auch, natürlich. Trotzdem weiß sie, dass es passieren kann, "dass das alles noch mal losgeht, wenn ich in den Bundestag komme".

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