SZ-Korrespondenten über weltweite Reaktionen:"Tot? Bin Laden? Unmöglich"

Kippt die Stimmung in Pakistan gegen die USA? Oder gegen al-Qaida? Wie reagieren Briten, Franzosen, Chinesen auf Bin Ladens Tod? SZ-Korrespondenten über Freudenfeiern nach der Nachricht, die Reaktionen der Diplomaten - und Menschen, die um einen "antiamerikanischen Helden" trauern.

Wie reagiert die Welt auf den Tod Osama bin Ladens? SZ-Redakteure aus London, Paris, Kairo, Stockholm, Tel Aviv, Peking und anderen Städten berichten:

USA BIN LADEN DEATH REACTION

Osama bin Laden ist tot - vor dem dem Weißen Haus in Washington jubeln die Menschen.

(Foto: dpa)

Sonja Zekri, Kairo, über Ägypten

Die verschleierte Dicke am Falafel-Stand bei den Pyramiden kann es gar nicht glauben. "Tot? Bin Laden? Unmöglich. Das glaub ich erst, wenn ich Bilder seiner Leiche sehe", sagt sie. Nun, es gibt Bilder, aber keine Leiche, die wurde ins Meer gekippt. "Sehen Sie. Ich sag doch: Es stimmt nicht." Und wenn es stimmte? "Wäre ich traurig. Osama bin Laden hat versucht, etwas zu erreichen." Dann sagt sie nichts mehr. Die Falafel brutzeln im siedenden Öl.

Osama bin Laden, der Terrorprinz, hat eine Anhängerschaft in der islamischen Welt, auch in Ägypten, auch in Kairo. Aber größere Trauerkundgebungen gibt es am Montag schon deshalb nicht, weil viele noch gar nichts von der Sensation gehört haben. Und nicht alle bedauern den Tod Bin Ladens. Machmud Hanafi fegt seinen Handy-Laden und ist eher erleichtert: "Jetzt kann sich die Welt hoffentlich ein bisschen erholen vom Terrorismus", sagt er.

Aber viele in der arabischen Welt halten Bin Laden für einen Helden, der der Großmacht Amerika die Stirn geboten hat. Machmud nicht. Und überhaupt, was heiße hier, Bin Laden sei tot? "Es gibt Millionen Bin Ladens. Schauen Sie sich um, Gaddafi, Saleh im Jemen, Assad in Syrien - sie alle führen Krieg gegen ihr Volk, sie alle sind Bin Laden - ohne eine Spur von Menschlichkeit."

Tobias Matern, Neu-Delhi, über Pakistan

Die ersten Reaktionen in Pakistan fallen zurückhaltend aus - in der politischen Führung herrscht am Morgen zumindest in der Öffentlichkeit noch Schweigen. Präsident Asif Ali Zardari beruft ein Treffen seines Sicherheitskabinetts ein, auch danach teilt sein Sprecher mit, dass der Staatschef zunächst nichts sagen werde. Das Außenministerium bereite eine Stellungnahme "zu dem Osama-bin-Laden-Vorfall" vor. Aus dem Geheimdienst ISI heißt es, es habe sich um eine gemeinsame Aktion von amerikanischen und pakistanischen Kräften gehandelt. In Washington klingt dies anderes: Hochrangige Politiker erklären, niemand sei über die Operation vorweg informiert worden. Obama hatte in seiner Ansprache etwas allgemeiner formuliert, dass die Zusammenarbeit mit im Anti-Terror-Kampf bei der Ergreifung Bin Ladens hilfreich gewesen sei.

Ein Anwohner der Region berichtet in pakistanischen Medien, amerikanische und pakistanische Kommandos hätten das Haus angegriffen. Es habe zunächst eine massive Explosion gegeben, danach habe er längere Schusswechsel gehört. Die Menschen in Islamabad würden auf die Nachricht "sehr gemischt" reagieren, sagt ein politischer Beobachter in der Hauptstadt der Südddeutschen Zeitung. Die Mehrheit der Einwohner hätte wahrscheinlich die Einstellung, "heute ist ein Freund des Islam umgebracht worden", bemühte sich der liberal denkende Mann um ein erstes Stimmungsbild. Pakistaner sehen sich vor allem als Opfer des amerikanisch geführten Kampfes gegen den Terrorismus, die Abneigung auf die Regierung in Washington wiegt schwerer als die Wut auf Extremisten.

Wolfgang Jaschensky, Washington, über die USA

Im Weißen Haus brennen noch Lichter. Tausende Menschen stehen dicht gedrängt direkt am Zaun an der Pennsylvania Avenue und starren gebannt auf den Sitz des Präsidenten - wohl in der Hoffnung, der Hausherr würde sich sehen lassen und dem jubelnden Volk zuwinken. Diesen Gefallen tut ihnen Barack Obama nicht. Den Triumph, Osama bin Laden, den gefürchteten Führer des Terrornetzwerks al-Qaida, endlich gefasst zu haben, hat der US-Präsident in ein nüchternes, neun Minuten langes Statement gepackt. Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer. Kurze Zeit später sind vor dem Weißen Haus die ersten Fahnen zu sehen. Fernsehnachrichten, Freunde und Facebook: Alle verbreiten die Nachricht und so machen sich Tausende Amerikaner auf, um Bin Ladens Tod zu feiern.

"Das ist ein großer Moment, gerade für die Menschen meiner Generation", sagt der 23-Jährige Jeff Kollum. "Wir sind mit dem Krieg gegen den Terror groß geworden, die Angst vor dem Al-Qaida-Terror hat unsere Jugend bestimmt. Das ist jetzt vorbei." Die Stimmung auf der Pennsylvania Avenue und dem dahinter liegenden Lafayette Square erinnert an ein Volksfest. Eine Horde junger College-Studenten zieht "USA, USA" skandierend eine gigantische US-Flagge über die Köpfe, viele haben sich Plakate gebastelt ("Hell yes, we got him!") oder recyceln alte Transparente ("Yes we can" und "Yes we did"). Polizisten lehnen entspannt an ihren Dienstwagen. Angespannt sind nur die Journalisten, die aufgeregt durch die Menge ziehen, um Stimmen einzufangen, und die Techniker, die gleichzeitig ihre Übertragungswagen aufbauen. Auf allen Kanälen wird der Tod von America's Most Wanted Man analysiert: Was bedeutet Bin Ladens Tod für al-Qaida, was für Amerika - und was für Obama? Die Antworten auf diese Fragen sind so zahlreich wie die Sender, die die Fragen stellen. Die Menschen vor dem Weißen Haus interessiert diese Diskussionen gerade nicht. Immer wieder brandet Jubel auf. Weil Obama sich partout nicht blicken lassen will, klettern einige Waghalsige auf Laternenmasten und Bäume, um über den Massen das Star-Spangled-Banner zu hissen.

Bin Ladens Tod markiere den bis dato größten Erfolg im Kampf gegen al-Qaida, hatte Obama in seiner TV-Ansprache erklärt. Das sieht wohl auch die jubelnde Masse so. Vor allem aber ist vor dem Weißen Haus Genugtuung zu spüren. Weil der Mann tot ist, der Amerika den Krieg erklärt hat. Weil der Mann tot ist, der mit den Anschlägen von 9/11 ein Land in seinen Grundfesten erschüttert hat, das sich spätestens seit dem Ende des Kalten Krieges für unverwundbar gehalten hat. Vor allem halten viele Amerikaner, die an diesem Sonntagabend vor dem Weißen Haus feiern, den Tod des Topterroristen für eine gerechte Strafe für den Tod von knapp 3000 US-Bürgern, die bei den Anschlägen auf das World Trade Center und das Pentagon am 11. September 2011 gestorben sind. Ein Mann aus St. Louis sagt: "Bin Laden war ein Symbol für den Aufstieg des Terrors, sein Tod wird ein Symbol für das Ende des Bösen.

Wolfgang Koydl, London, über Großbritannien

Bei vielen Briten überwiegt das Staunen über die Nachricht vom Tod Osama bin Ladens. "Stimmt ja", entfährt es einem frühen Spaziergänger in Wimbledon, "der war ja noch gar nicht tot." In den Gedanken der Menschen ist der Terrorführer schon lange nicht mehr präsent. Zweifel und Zynismus überwiegen in ersten Reaktionen von Hörern, die Radiosender anriefen. Viele wollen nicht glauben, dass es sich bei dem Toten wirklich um Bin Laden handelte, andere meinen, dass die Bedrohung durch den Terror nun eher wachsen als abnehmen würde: "Jemand anderer wird an seine Stelle treten und sich rächen", ist eine Meinung, die oft geäußert wird. Absolut fassungslos reagieren viele Briten auf die Freudenausbrüche, mit denen die Nachricht von Amerikanern aufgenommen wurde. Dies, so heißt es, unterscheide sich nicht von dem Jubel, mit dem islamische Mobs den Tod von sogenannten "Ungläubigen" begrüßten.

Stefan Ulrich, Paris, über Frankreich

Frankreich hat den Terror erst vergangenen Donnerstag wieder zu spüren bekommen. Unter den Toten des Anschlags von Marrakesch waren auch acht Franzosen. Und in Paris leben die Menschen seit langem mit einem diffusen Bedrohungsgefühl. Der Eiffelturm. Die Metro. Die Nachricht von der Tötung Osama bin Ladens löst da bei den Franzosen eine Mischung aus Erleichterung und Besorgnis aus. Die Experten in den zahllosen Sondersendungen von Fernsehen und Radio sprechen von einem "symbolischen Sieg" über al-Qaida und warnen zugleich vor Racheakten. Die Franzosen sehen sich dabei wegen ihres Einsatzes in Afghanistan und ihrer Interessen in Nordafrika - etwa der Urangewinnung für ihre Atomkraftwerke - besonders gefährdet. In den vergangenen Monaten soll sie Bin Laden in seinen obskuren Botschaften zwei Mal direkt bedroht haben. Nun hofft ganz Frankreich, dass die Tötung des Al-Qaida-Führers rasch eine positive Folge haben wird: Seit genau 490 Tagen werden Hervé Ghesquière und Stéphane Taponier, zwei Journalisten des französischen Staatsfernsehens, in Afghanistan in Geiselhaft gehalten. Jetzt könnten sie bald freikommen.

Javier Cáceres, Madrid, über Spanien

Es gab wohl nur eine einzige Nachricht, die geeignet war, das morgige Duell zwischen Real Madrid und dem FC Barcelona in der Fußball-Champions-League medial in den Schatten zu stellen: der Tod Osama bin Ladens.

Spanische Radiosender, TV-Anstalten und Onlinedienste widmen sich dem Tod Bin Ladens selbstredend mit größtmöglichem Aufwand. Die Regierung wertet die Liquidierung als einen "entscheidenden Schritt im Kampf gegen den internationalen Terrorismus". Spanien werde auch weiter den Kampf der USA und anderer Länder gegen den Terrorismus unterstützen. Für die Spanier ist der islamistische Terror und damit auch Bin Laden untrennbar mit den Anschlägen vom 11. März 2004 verbunden, dem Tag der Bombenanschläge auf vier Vorortzüge in Madrid. Es war die schlimmste Terrortat in der an Anschlägen reichen Geschichte Spaniens. Seinerzeit starben knapp 200 Menschen, fast 2000 Menschen wurden verletzt.

In Madrid trifft am Nachmittag die Militärspitze des Verteidigungsministeriums zusammen, um zu prüfen, inwiefern sich die Sicherheitslage der Streitkräfte im Ausland verändert hat. Nach Angaben des Innenministeriums wird die Alarmstufe in Spanien nicht verändert. Sie bleibt hoch.

Gunnar Herrmann, Stockholm, über Schweden

Auch in Schweden dominiert die Nachricht über den Tod Bin Ladens heute alle Kanäle und Webseiten - aber wirklich betroffen fühlt man sich nicht, nachdem man die Nachricht gesehen und gehört hat. Für die schwedischen Medien ist der Tod des Terroristen vor allem eine amerikanische Angelegenheit, die folgerichtig in erster Linie von den US-Korrespondenten erläutert und bearbeitet wird. Die haben also einiges zu tun. Ginna Lindberg etwa, Washington-Reporterin des öffentlich-rechtlichen Radios, berichtet in den Frühstücksnachrichten immer noch live vom Platz vor dem Weißen Haus. In Washington war es da bereits zwei Uhr nachts. Nachdem Lindberg lebhaft die Euphorie der Amerikaner geschildert hat und ein paar amerikanische Jugendliche die Frage "Wie fühlt ihr euch?" mit "Hurra!" beantwortet haben, sagt die Studiomoderatorin mit betonter, skandinavischer Sachlichkeit: "Aber Ginna, trotzdem hältst du es doch für zynisch, zu jubeln und zu tanzen, wenn ein Mensch gestorben ist?"

Peter Münch, Tel Aviv, über Israel

Er war ein Feind, ein schlimmer sogar, doch zum Feiern ist keinem zumute in Israel am Tag, an dem es Osama bin Laden erwischte. Um Punkt zehn Uhr morgens heulen überall die Sirenen, zwei Minuten verharrt das Land in Stille - zum jährlichen Gedenktag an die Opfer des Holocaust. Sechs Millionen unschuldige Tote sind es, um die getrauert wird, das übertrifft alles. Doch Genugtuung über das Ende des Erz-Terroristen herrscht auch hier. Die Politiker von Präsident Schimon Peres abwärts beeilen sich, mit ihren Erklärungen noch in die Frühstücksnachrichten zu kommen. Überdies schimmert der Respekt durch für die Leistung des amerikanischen Einsatzkommandos, und kaum einer kann das wohl besser beurteilen als die Experten in Jerusalem oder Tel Aviv. Doch unter dem Strich gibt es für die Israelis nun weit hinten am Hindukusch einen Terroristen weniger - und ringsherum stehen weiter viele Terroristen zum Angriff bereit.

Frank Nienhuysen, Moskau, über Russland

Russland lässt die Amerikaner sprechen. Die Sprechchöre am Times Square, vor dem Weißen Haus, der Stakkato "USA, USA", unterlegt unmittelbar vor Beginn der Fernsehnachrichten mit der Einblendung "Ohne Kommentar". Aber natürlich hat auch Moskau eine Meinung, und die wurde schon sehr früh auf der offiziellen Internetseite des Präsidenten veröffentlicht. Der Kreml begrüße die Liquidierung Osama bin Ladens, heißt es dort, und er lobt "den bedeutsamen Erfolg der Amerikaner". Schließlich wisse Russland "nicht nur vom Hörensagen, was al-Qaida ist". Es ist Feiertag in Russland, die heimische Politik ruht, und der Tod des Terrorführers dominiert die Nachrichten nach Belieben. Natürlich steht das Ereignis für sich, und doch bietet es Russland eine gute Gelegenheit, seine eigenen düsteren Erfahrungen mit dem Terror noch einmal in ein internationales Licht zu stellen. Der kaukasische Terrorismus also nicht als russisches Problem, sondern als Teil des globalen Terrors - dies ist zumindest die willkommene Nebenbotschaft der Russen an diesem Tag.

Henrik Bork, Peking, über China

Während sich Chinas kommunistische Führung zunächst ausschweigt, löst die Nachricht von Osama bin Ladens Tod in der chinesischen Bevölkerung gemischte Reaktionen aus. Manche jubeln oder beglückwünschen Washington. Andere aber nehmen auch diese Meldung zum Anlass für nationalistische Schimpftiraden auf das verhasste Amerika. "Der Tod Bin Ladens ist ein großer Sieg für die USA", kommentiert Yang Shu, ein Anti-Terrorismus-Experte und Direktor des Instituts für Mittelasien an der Universität Lanzhou auf der Internetplattform sina.com. Das sei "ein guter Tag für Amerika", findet auch Zhang Guoqing, ein Professor für Amerikastudien an der chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften (CASS). Gleichzeitig müssten die USA nun über mögliche Racheakte am 11. September besorgt sein, schreibt Zhang. "Ich trauere zutiefst um Bin Laden", erklärt dagegen ein nationalistischer Internetnutzer mit der Kennung Jiajia Nuwu, "wieder haben wir einen antiamerikanischen Helden verloren". Ein anderer zweifelt an, ob das wahr sei, um dann selbst folgende Antwort zu geben: "Der einzige Terrorist, der jetzt noch übrig ist, heißt Amerika."

Kai Strittmatter, Istanbul, über die Türkei

In der Türkei sind die Meinungen gespalten: Die einen tun es ihrem Präsidenten Abdullah Gül gleich, der von "großer Freude" sprach - die anderen wollen die Todesnachricht nicht glauben: Türken lieben Verschwörungstheorien. "Ihr werdet sehen", meinte ein Istanbuler Blogger sofort: "Osama wird der Elvis der Islamisten." Und tatsächlich sind die Kommentarspalten der Nachrichtenportale voll mit vielen Varianten des ewig gleichen Zweifels: "Sie haben die Leiche ins Meer geworfen? So ein Quatsch. Halten sie uns für kleine Kinder?", ist bei NTV, einem der größten Portale, zu lesen.

Ein anderer Nutzer ist überzeugt, man schicke Bin Laden nun "an einen neuen Einsatzort". Er bangt: "Hoffentlich nicht zu uns in die Türkei!" Wer ihn schickt? Auch da ist sich das Grüppchen der Verschwörungstheoretiker einig: Die USA selbst natürlich. Haben sie "doch gemeinsam mit den Israelis Bin Laden erst herangezogen". Ein User namens muratmurat lacht sich "kaputt" über all die Paranoiker, er ist nicht der Einzige. "Terror soll verflucht sein", meint bei der Konkurrenz von CNN-Türk einer der vielen Nutzer, die der US-Aktion applaudieren. "Endlich", schreibt einer: "Ein Schlag gegen die Terroristen, die dem Islam schaden."

Christoph Neidhart, Tokio, über Japan

Japan habe auch geholfen, gegen den Terrorismus zu kämpfen, verkündet Premier Naoto Kan in seiner Reaktion auf die Nachricht vom Tod Osama bin Ladens. Als wollte er sich ein Stück vom Erfolgskuchen abschneiden. Beim Volk kommt er damit kaum an. In der Mitte der Goldenen Woche, einer langen Reihe Feiertage, nehmen die Japaner die Meldung und Kans Reakton bloß beiläufig zur Kenntnis. Die Medien berichten zwar ausführlich, aber zurückhaltend. Sie fragen vor allem, ob jetzt mit Racheaktionen zu rechnen sei. Der Sender TBS strahlt ein sachliches Porträt von Bin Laden aus.

Obwohl viele Japaner die Todesstrafe für gerecht halten, gerade auch in diesem Falle, wundert sich eine Nachbarin, was die USA berechtigt, Bin Laden in einem anderen Land einfach zu töten. Ob die Amerikaner ihn, obwohl er ein Terrorist sei, nach ihren eigenen Gesetzen nicht hätten gefangen nehmen müssen? Dass fast gleichzeitig Gaddafis Familie getötet wurde, macht sie noch skeptischer. Schon als auf dem Höhepunkt der Nuklearkrise die Attacken gegen Libyen begannen, hörte man in Tokio auf der Straße die Theorie, die Nato nutze aus, dass die Welt wegen Fukushima nicht hinschaue.

Peter Burghardt, Buenos Aires, über Lateinamerika

Weite Teile Lateinamerikas waren noch wach, als die Eilmeldung aus Washington kam. Viele Menschen zwischen dem Rio Grande und Feuerland erlebten am späten Abend bis kurz nach Mitternacht live, wie US-Präsident Barack Obama den tödlichen Angriff auf Osama bin Laden verkündete. Auch in den wichtigsten gedruckten Blättern schaffte es das Ende des meistgesuchten Terroristen des Planeten noch auf die Titelseite und verdrängte Themen wie die Seligsprechung des früheren Papstes. Die Nachricht wurde in Mexiko, Argentinien oder Brasilien mit Verblüffung und Erleichterung aufgenommen, obwohl die US-Politik in Teilen der Region keinen guten Ruf hat. "Der Tod Bin Ladens stärkt Obamas Image", informiert O Estado do Sao Paulo. "Bin Laden ist tot, und es herrscht weltweit Alarm", schreibt die Zeitung La Nación aus Buenos Aires. Der US-kritische Venezuelas Staatssender VTV dagegen stellte ein Foto der entstellten Beute auf seine Website und berichtete, Bin Laden sei "von den USA ermordet worden". Das habe "der Friedensnobelpreisträger" Obama informiert, das "Friedensnobelpreisträger" setzte die Redaktion in Anführungsstriche.

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