Süddeutsche Zeitung

SZ-Kommentar:Das Ungeheuer aus der Wüste

Die Saudis fördern in aller Welt den extremen Islam - nun wird ihnen das zum Verhängnis.

Heiko Flottau

Eines der ersten Länder, welches sich der von US-Präsident George W. Bush geplanten internationalen Koalition gegen den Terror angeschlossen hat, ist Saudi-Arabien.

Zunächst scheint das selbstverständlich. Die Interessen des Königreiches der Familie Saud und die der USA decken sich seit Jahrzehnten - trotz ihrer unterschiedlichen Gesellschaftsordnungen.

Öl sorgt für Zusammenhalt

Stets hat Amerika darüber hinweggesehen, dass das saudische Regime eines der autoritärsten auf der Arabischen Halbinsel ist. Es gibt ein Bindemittel, das die saudische Autokratie und die amerikanische Demokratie fest zusammenhält: das Öl.

Seit den dreißiger Jahren läuft die Achse Riad-Washington wie geschmiert. Damals wurden im gerade gegründeten Königreich die ersten bedeutenden Ölfunde gemacht.

Kein arabisches Regime stützt sich so sehr auf eine strikt islamische Ideologie wie das saudische. Mit einigem Recht kann auch behauptet werden, dass die Taliban in Afghanistan ihre Steinzeitvariante des Islam von den Saudis übernommen haben - möglicherweise mit Hilfe des saudischen Renegaten Osama bin Laden. Wie unter den Taliban dürfen auch in Saudi-Arabien Frauen nicht allein auf die Straße gehen.

Religionspolizei überwacht öffentliche Moral

Christliche Mission ist in beiden Ländern verboten. Kirchen gibt es in Riad und Dschidda nicht einmal für die christlichen Ausländer. In Kabul wie in Riad überwacht eine "Religionspolizei" die öffentliche Moral.

Es war der Gründer des heutigen Saudi-Arabien, Abdul Asis Ibn Saud, der diesen puritanischen Islam kultivierte. Unter dem Banner eines Glaubenskriegers eroberte Ibn Saud in den ersten drei Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts einen großen Teil der Arabischen Halbinsel.

Sponsor des Islam

Dabei vertrieb er die Haschemiten aus den heiligen Stätten Mekka und Medina, über die diese Nachfolger des Propheten Mohammed 1300 Jahre lang geherrscht hatten. Um ihre Eroberung islamisch zu rechtfertigen und vor konkurrierenden Mächten wie dem schiitischen Iran zu schützen, unterstützen die Saudis bis heute überall in der Welt islamische Einrichtungen.

Die Kairoer Al-Azhar- Universität erhält ebenso Subsidien wie die ägyptischen Moslembrüder, die radikalen Gruppen Hamas, Islamischer Dschihad und - bis jetzt - die Taliban.

Mit diesen hohen Subventionen kaufen sich die Saudis auch vom Makel ihrer ideologischen Mesalliance mit den USA frei, denn als solchen empfinden viele Muslime Riads Bündnis mit Amerika.

Allianz von Glaubenskrieger und Cowboy

Die widersprüchliche Allianz zwischen dem "Glaubenskrieger Ibn Saud und dem amerikanischen Cowboy" (wie sie oft genannt wurde) steht heute auf dem Prüfstand. Ihrem gefallenen Bruder Osama bin Laden haben die Saudis die Staatsbürgerschaft aberkannt.

Inbrünstig unterstützen sie die von Amerika initiierte Allianz gegen den Terrorismus. Der Abscheu in Riad und Dschidda über die verbrecherischen Anschläge gegen die USA ist wohl genauso ehrlich wie anderswo.

Doch dessen ungeachtet verlieren die Nachfolger des Staatsgründers Ibn Saud ein Ziel nie aus den Augen: die Sicherung der Herrschaft des Hauses Saud.

Macht über das Öl

Dasselbe Ziel verfolgen auch die Amerikaner - jedenfalls so lange, wie die Saudis mit ihren unermesslichen Ölreserven den Ölpreis entscheidend mitbestimmen können.

Normalerweise agiert saudische Politik hinter der Kulisse. Sie beschränkt sich darauf, einen diplomatischen Zug in Bewegung zu setzen. Selten sind die Saudis an der Spitze einer politischen Offensive zu finden.

Doch plötzlich muss Riad, wie vor zehn Jahren im Golfkrieg, Farbe bekennen. Denn ohne es zu wollen, hat Saudi-Arabien mit der Förderung des extremen Islam und der Taliban ein Ungeheuer gezüchtet.

Dieses Ungeheuer bedroht nicht nur die Vereinigten Staaten von Amerika, sondern eines Tages womöglich auch die Saudis selber. So gesehen stehen Saudis wie Amerikaner in Afghanistan vor derselben Herausforderung: Sie müssen die Kräfte zügeln, die sie mit der Mobilisierung des Islam im Kampf gegen die Sowjetunion einst selbst entfacht haben.

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