Süddeutsche Zeitung

Syrische Flüchtlinge:Warum die USA dichtmachen

Lesezeit: 2 Min.

Die Vereinigten Staaten haben bislang nur 1500 Syrer aufgenommen. Die Angst vor Islamisten ist groß, die Debatte um Einwanderung vergiftet.

Von Johannes Kuhn

Die Spur der syrischen Flüchtlinge führt ins Weiße Haus und sie verläuft ungefähr entlang dieses Arguments: George W. Bush hat mit seiner Irak-Invasion die arabische Welt destabilisiert, der Krieg in Syrien ist eine direkte Konsequenz. Folglich müssen die Vereinigten Staaten im großen Stil jene Syrer aufnehmen, die Schutz suchen.

Der Vorwurf, der aus Europa häufiger zu hören ist, wird in den USA nur in progressiven Kreisen debattiert. Mehr noch als die Frage nach der Verantwortung ist es dabei eine Zahl, die dort als Makel empfunden wird: 1500.

1500 Syrern haben die USA seit Beginn des Konflikts im Jahr 2011 Zuflucht gewährt, noch einmal die gleiche Zahl könnten womöglich bis Ende diesen Jahres eintreffen. Das ist wenig für ein Land, das in den vergangenen 40 Jahren etwa drei Millionen über sein Flüchtlingsprogramm integrieren konnte.

"Es gibt einen aufwändigen Prüfprozess für Menschen aus Syrien, dem wir folgen müssen", rechtfertigt sich das US-Außenministerium und verweist darauf, dass immerhin vier Milliarden Dollar humanitärer Hilfe aus Washington geflossen seien.

Kein Herkunftsland wie jedes andere

Asylanträge in den USA sind für Syrer mit ausführlichen Hintergrundprüfungen und großer Geduld verbunden, sie warten in den Flüchtlingslagern des Nahen Ostens und der Türkei häufig mehr als ein Jahr auf einen Gesprächstermin in der nächstgelegenen US-Botschaft. Die Ablehnungsquote war bislang hoch, alleine das UN-Flüchtlingswerk UNHCR erklärte, fast 16 300 Fälle vorgelegt zu haben.

Bis zu 70 000 Flüchtlinge werden die Vereinigten Staaten in diesem Jahr aufnehmen, doch Syrien ist als wichtigstes Operationsgebiet des "Islamischen Staates" (IS) kein Herkunftsland wie jedes andere: Groß ist seit 9/11 die Sorge, Islamisten legal den Weg ins Land zu ermöglichen. "Die gleichen amerikanischen Politiker, die für den Irakkrieg gestimmt haben, sagen jetzt, dass wir Iraker und Syrier nicht hereinlassen dürfen, weil sie radikalisiert werden könnten", empörte sich jüngst der amerikanische Nahostexperte Juan Cole in seinem Blog.

Skeptiker führen ins Feld, dass die Gefahr des Heim-Terrorismus real sei: Derzeit laufen Verfahren gegen 30 Mitglieder der somalischen Gemeinde in Minneapolis, den IS oder die Extremisten von Al-Shabaab unterstützt zu haben.

Zu den Warnern vor syrischer Einwanderung gehören auch republikanische Präsidentschaftskandidaten wie Rand Paul oder Carly Fiorina. Ihr Konkurrent Scott Walker wiederum erklärte den Sieg über den IS zur Lösung aller Probleme - ohnehin führt für die Konservativen die Spur der Flüchtlinge direkt zu Barack Obama und dessen als "schwächlich" geschmähte Syrien-Politik.

Die Debatte um Einwanderung ist vergiftet

Der Großteil der Anwärter meidet das Hilfsthema jedoch, der Wahlkampf hat jede Debatte über Einwanderung, egal woher, vergiftet. Mit dem Demokraten Martin O'Malley und dem Republikaner John Kasich befürworten nur zwei Kandidaten eine Aufnahme weiterer Syrer. "Wenn Deutschland, ein Land mit einem Viertel unserer Bevölkerungsgröße, dieses Jahr 800 000 Flüchtlinge aufnehmen kann, können wir als Nation der Einwanderer und Flüchtlinge sicherlich auch mehr tun", sagte O'Malley.

Mehr zu tun, das fordern auch Hilfsorganisationen. David Miliband, ehemaliger britischer Außenminister und Präsident des International Rescue Committee, verlangte jüngst von Washington mehr Aufnahmebereitschaft als Zeichen einer "Führungsstärke, wie sie Amerika in der Vergangenheit gezeigt hat".

Als im Juni 14 demokratische Senatoren eine Erweiterung des Syrien-Kontingents auf jährlich 65 000 vorschlugen, verpassten konservative Kritiker den Politikern allerdings den Spitznamen "Dschihad-Ausschuss". "Die Rhetorik ist furchtbar", klagte James Zogby vom Arab American Institute, "den Hürden bei der Umsetzung wird mit Islamophobie und der Vermischung von Syrern und Irakern mit Terroristen begegnet."

Das Weiße Haus meidet das Thema

Nach dem Vietnamkrieg nahmen die USA trotz Ressentiments in der Bevölkerung insgesamt 1,3 Millionen Vietnamesen auf. Doch das war ein anderer Krieg, eine andere Verantwortung, eine andere Zeit.

Im kommenden Jahr wollen die USA nun bis zu 8000 Flüchtlinge aus Syrien akzeptieren. Präsident Barack Obama könnte theoretisch eine weitere Öffnung verfügen. Angesichts der anstehenden Kongress-Abstimmung über das Atomabkommen mit Iran meidet das Weiße Haus das Thema jedoch.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen für 0,99 € zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2640049
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.