Syriens Armee im Bürgerkrieg:Assads Waffenbrüder

Syriens Armee im Bürgerkrieg: Soldaten Assads in al-Kusair

Soldaten Assads in al-Kusair

(Foto: AFP)

Für die Rebellen wird die Lage nach dem Fall von Al-Kusair schwierig: Ihre wichtigste Versorgungsroute aus Libanon ist gekappt und die Truppen von Baschar al-Assad sind auf dem Vormarsch - Syriens Diktator stärkt seine militärische Position mit Hilfe der libanesischen Hisbollah und iranischer Revolutionsgardisten.

Von Tomas Avenarius

Die Niederlage ist total, der Rückzug chaotisch, nur in einigen umliegenden Dörfern sollen sich noch einzelne Rebellengrüppchen verschanzt halten: Im Kampf um die syrische Stadt Al-Kusair haben die Aufständischen in Syrien ihren bisher schwersten Rückschlag erlitten. Machthaber Baschar al-Assad kann sich mit der "Befreiung" von Kusair einen Sieg auf die Fahne schreiben, den er dank fremder Hilfe errungen hat.

Den Ausschlag in den Gefechten um die Stadt an der libanesischen Grenze gaben iranische Militärberater und Kämpfer der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah. Die Niederlage der Aufständischen mag noch nicht die Wende sein im Bürgerkrieg. Westliche Waffenlieferungen, ein Eingreifen Israels, ein Übergreifen des Gemetzels auf Libanon, sogar ein Regionalkrieg sind mögliche Szenarien. Die Rebellion gegen das Assad-Regime wird nun aber weit schwerer.

Der Erfolg der Assad-Truppen hat viele Gründe. Schlechte Organisation und Uneinigkeit der Rebellen spielen eine wichtige Rolle. Vor allem aber hat sich Assads Armee neu aufgestellt. Nach einer Analyse des amerikanischen Institute for the Study of War (ISW) hat Assad die Führungsstruktur seiner Streitkräfte auf Drängen seiner iranischen Berater reformiert. Die reguläre Armee kämpfe nun in Abstimmung mit der zu Beginn des Jahres aus verschiedenen Alawiten-Milizen gebildeten "Nationalen Verteidigungsarmee".

Während Assads Alawiten-Milizen, die derselben schiitischen Religionsgruppe angehören wie der Diktator, bisher vor allem als mordende, marodierende Kämpfer aufgetreten waren, stehen sie in der Nationalen Verteidigungsarmee angeblich unter dem Kommando von Hisbollah-Kämpfern und Offizieren der iranischen Revolutionsgarden.

Erfahren im Guerillakrieg

Auf diese Weise würden sie zu mehr Disziplin gezwungen, so das ISW. Ebenfalls integriert in Assads Militär sollen mindestens 2000 Hisbollah-Kämpfer aus Libanon sein sowie persische Revolutionsgardisten. Während die Armee mit Luftwaffe, Geschützen und Raketen zu Beginn den Boden bereitet habe beim Kampf um Kusair, sei die Hisbollah als Sturmtruppe aufgetreten. Die Hisbollah-Milizionäre, abgehärtet in Kriegen gegen Israel, kämpfen mit ähnlichen Methoden wie die Rebellen.

Die "Hisbollah ist der entscheidende Faktor bei der Niederlage der Rebellen gewesen", so ein ISW-Bericht, der sich auf syrische und libanesische Quellen beruft. "Die Hisbollah-Milizionäre sind stärker im Kampf gegen die Aufständischen, weil sie im Gegensatz zur regulären Armee Erfahrung im Guerillakrieg haben." Rebellenkommandeure bestätigen in der Studie die Stärke der Hisbollah: "Es sind die besseren Kämpfer."

Mit dem offenen Eingreifen in Syrien droht der Hisbollah jedoch andernorts eine Niederlage: Sie verliert in Libanon ihren legendären Ruf als "Widerstandsgruppe" gegen Israel, weil sie in Syrien nicht gegen den "zionistischen Feind" kämpft, sondern gegen Muslime. Die Sympathie, welche die Schiiten-Miliz in den vergangenen Jahren auch bei arabischen Sunniten erwarb, hat sie so verspielt. Zudem muss Hisbollah- Chef Hassan Nasrallah stets einen Überraschungsschlag Israels fürchten. Je mehr seiner etwa 10.000 Kämpfer er nach Syrien schickt, desto weniger Männer bleiben ihm in den Hisbollah-Hochburgen in Südlibanon und der Bekaa-Ebene.

Nasrallah hatte aus seiner Sicht aber wohl keine andere Wahl. Ohne Assads Regime wäre er von den Waffenlieferungen aus Iran abgeschnitten, seine Miliz wäre bald mehr Papiertiger als "Bollwerk gegen Israel". Das dürfte dann den politischen Niedergang der Hisbollah zur Folge haben, denn ihre Bedeutung in Libanon, wo sie in Parlament und Regierung sitzt, hängt sehr vom Ruf als kampfstärkste Miliz der arabischen Welt ab.

"Wir gehen bis zum Ende"

Wegen dieses Rufes wird sie im jüdischen Nachbarstaat ebenso gefürchtet wie von politischen Widersachern in Libanon. Hisbollah-Chef Nasrallah hat bereits indirekt zugegeben, dass für ihn in Syrien viel auf dem Spiel steht: "Wir gehen bis zum Ende. Wir tragen die Verantwortung, akzeptieren alle Opfer und Konsequenzen", sagte er.

Und selbst wenn der libanesische Schiiten-Scheich die Konsequenzen nicht hätte tragen wollen - der Druck aus Iran ließ ihm wohl keine Wahl. Im Februar soll er in Teheran mit dem geistlichen Führer der Islamischen Republik gesprochen haben. Ayatollah Ali Chamenei weiß, wie hart der Sturz Assads sein Land treffen würde: Syrien und die Hisbollah gingen verloren als Drohinstrumente gegen Israel. Und das in einer Zeit, in der der Iran wegen seines Atomprogramms mit israelischen oder amerikanischen Luftangriffen rechnen muss.

Assad und Nasrallah brauchen die Iraner, die Iraner aber brauchen ebenso den Alliierten in Damaskus und die Hisbolla-Banden. Möglicherweise werden seine Kämpfer Assads Truppen nun beim Vor-stoß auf Homs unterstützen, wo die bewaffnete Rebellion 2011 ihren Ausgang genommen hatte. Sollten die Aufständischen aus der drittgrößten Stadt Syriens vertrieben werden, könnte das Regime die Kontrolle über Zentralsyrien zurückgewinnen. Dann könnte es entlang wichtiger Verbindungsstraßen in die anderen von den Rebellen gehaltenen Landesteile vorrücken.

Den Rebellen bleibt wenig - außer der Hoffnung auf Hilfe von außen. Aber selbst wenn die westlichen und arabischen Staaten die Aufständischen mit Luft- und Panzerabwehrraketen unterstützten, bliebe Assad stark. Denn irgendwie müssen die Waffen ins Land kommen. Die Nachschubwege aus Libanon aber sind durch den Fall von Kusair zumindest teilweise abgeschnitten; bleiben die Türkei, Jordanien und der als Nachschubroute weniger wichtige Irak. Assad wird versuchen, mit der Hilfe seiner libanesischen und iranischen Verbündeten die mageren Waffenlieferungen an die Rebellen zu stoppen.

Derzeit verlegt das Regime Truppen an die türkische Grenze. Die den Rebellen nahestehende Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte spricht von "Tausenden Soldaten": "Sie wollen die Waffenversorgung der Rebellen aus der Türkei kappen." Im Norden, an der türkischen Grenze, beherrschen die Aufständischen mit der Provinz Idlib und Teilen der umkämpften Großstadt Aleppo ein mehr oder weniger zusammenhängendes Territorium. Die Grenze ist offen, die Regierung in Ankara unterstützt den Aufstand: Geld, Waffen, Medikamente und Lebensmittel kommen zu den Rebellen.

Sollten Assads Truppen dank neuer Taktik und der Hilfe der Hisbollah auch im Norden Erfolg haben, ist der Bürgerkrieg zwar noch nicht entschieden. Assad würde aber die wichtigsten Teile des Landes wieder kontrollieren und könnte bei der geplanten russisch-amerikanischen Friedenskonferenz in Genf als starker Mann auftreten. Oder der Diktator setzt weiter auf die bisherige "Lösung" - die blutige.

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