Syrienkrieg:UN vergeben Millionenaufträge an Assad-nahe Firmen

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Ein neuer Bericht zeigt, wie sehr sich die UN von Machthaber Baschar al-Assad erpressen lassen. (Foto: Sana Handout/dpa)

Das Dilemma der Vereinten Nationen: Um helfen zu können, müssen ihre Agenturen Auflagen des Regimes akzeptieren.

Von Moritz Baumstieger, München

Erst am Wochenende hat der Sondergesandte für Syrien betont, dass die Vereinten Nationen den Menschen in Aleppo helfen könnten, wenn die Waffen endlich schweigen: "Die UN stehen jederzeit bereit", sagte Staffan de Mistura, "Die Menschen leiden und brauchen Unterstützung." An der Lage im geteilten Aleppo hat sich seither nichts geändert, seine Bewohner warten weiter auf Hilfe. An der Beurteilung des Engagements der Vereinten Nationen änderte sich hingegen viel.

Am Dienstag veröffentlichte die Zeitung Guardian einen Bericht, der zeigt, wie sehr sich die UN von Machthaber Baschar al-Assad erpressen lassen: Hilfsgelder und Aufträge in Höhe von Dutzenden Millionen Dollar wurden an Institutionen vergeben, die der syrischen Regierung unterstellt sind oder an Unternehmen, die von Personen aus Assads Umfeld kontrolliert werden. Viele Personen, Einrichtungen und Firmen, mit denen die UN Verträge abschlossen, stehen auf den Sanktionslisten von EU und USA, unter ihnen Assads Ehefrau Asma und sein Cousin Rami Makhlouf, der wohl reichste und korrupteste Mann Syriens. Die UN, lautet der Vorwurf von Kritikern, trügen so direkt zur Finanzierung und Bereicherung jener bei, die für den Bürgerkrieg verantwortlich sind, der mittlerweile 400 000 Tote und elf Millionen Flüchtlinge hervorgebracht hat. Darüber hinaus bestehe der Verdacht, dass sich die UN teilweise diktieren ließen, wo die Hilfe eingesetzt wird.

"Unsere Wahl ist eindeutig: Unsere Verpflichtung gilt den Menschen in Not."

Hilfsorganisationen stecken in Kriegssituationen oft in einem Dilemma. Um überhaupt im Krisengebiet arbeiten zu können, müssen sie zu einem gewissen Grad mit den lokalen Machthabern kooperieren, wie auch immer diese moralisch zu bewerten sind. Damaskus aber scheint seine Machtposition zu einem bisher ungekannten Grad auszunutzen: Das Regime lässt nur eine Zusammenarbeit mit einer sehr begrenzten Anzahl an syrischen Organisationen und Firmen zu, die allesamt vom Präsidenten ausgesucht wurden. Die UN bestreiten die Vorwürfe nicht, verweisen jedoch auf ihre schwierige Position. Wenn man sich entscheiden müsse zwischen entweder gar keiner Hilfe oder eben Geschäften mit regierungsnahen Firmen, "ist unsere Wahl eindeutig: Unsere Verpflichtung gilt den Menschen in Not", so ein Sprecher. Ein derzeit in der syrischen Hauptstadt tätiger UN-Mitarbeiter erzählt im Gespräch mit der SZ, wie belastend die Situation für ihn und die Kollegen sei. Als "total frustrierend" beschreibt er seine Arbeitsbedingungen in Syrien, "noch nie in meiner Zeit bei den UN habe ich solch eine Gängelung und Kontrolle erlebt." Um seine Identität zu schützen, möchte er aber keine genaueren Beispiele geben.

Dem Guardian zufolge haben die UN seit 2011 jedoch unter anderem 13 Millionen Dollar Agrarförderung direkt an das Regime gezahlt, während die EU ihre Beziehungen zu den betroffenen Behörden einstellte, weil fraglich war, wofür die Mittel verwendet wurden. Die von Assads Gattin Asma gegründete und geleitete Wohlfahrtsorganisation Syria Trust erhielt 8,5 Millionen Dollar, die Nationale Blutbank wurde mit fünf Millionen Dollar unterstützt, obwohl die Weltgesundheitsorganisation Befürchtungen äußerte, dass mit den Blutreserven in erster Linie Assads Soldaten behandelt werden. Von den insgesamt 1,1 Milliarden Dollar Syrien-Hilfe der UN seien im Jahr 2015 alleine 900 Millionen über Damaskus abgewickelt worden - und somit potenziell von Assad ausgesuchten Partnern zugutegekommen.

Das Regime versucht Berichten zufolge aber nicht nur zu diktieren, von wem geholfen wird, sondern auch wo: Schon im Juni wurde den UN vorgeworfen, sich von Damaskus erpressen zu lassen. Mehr als 50 Hilfs- und Menschenrechtsgruppen unterstützten einen Bericht der oppositionsnahen Lobbygruppe Syria Campaign, demzufolge die UN auf Druck des Regimes Rebellengebiete nicht oder nur selten mit Hilfslieferungen versorgten. Das habe zum Tod Tausender Zivilisten beigetragen.

© SZ vom 31.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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