Süddeutsche Zeitung

Syrienkrieg:Déja-vu in Sotschi

Der Diktator aus Damaskus trifft Wladimir Putin. Was Russlands Präsident mitteilt, klingt wolkig und bekannt: Irgendwann sollen die Truppen abziehen.

Von Julian Hans und Paul-Anton Krüger, Moskau/Kairo

So richtig entspannt wirkten die beiden Präsidenten nicht, als sie am Donnerstagabend nach einem dreistündigen Treffen in Sotschi ein paar knappe und wenig konkrete Sätze in die Kameras des russischen Staatsfernsehen sagten. Syriens Staatschef Baschar al-Assad saß steif auf dem braunen Ledersessel in der Residenz Botscharow Rutschej, Wladimir Putin sprach angestrengt. Der Besuch Assads war nicht angekündigt worden; als die Öffentlichkeit davon erfuhr, war er schon auf dem Heimflug nach Damaskus.

Militärisch habe die syrische Armee mit russischer Unterstützung viel erreicht, sagte Wladimir Putin, nun seien "die Bedingungen günstig, um einen politischen Prozess in Gang zu setzen" und mit dem Wiederaufbau zu beginnen. Als wichtigstes Ergebnis des Treffens nannte ein Sprecher Putins die Zusage Assads, Delegierte für eine Verfassungskommission zu benennen, die nun offenbar doch unter Leitung der Vereinten Nationen in Genf tagen soll.

Tatsächlich haben Assads Truppen und mit ihnen verbündete Milizen in den vergangenen Monaten die verbliebenen Rebellen-Enklaven rund um die Hauptstadt Damaskus gestürmt; dabei wurden mehr als 1000 Menschen getötet und etwa 200 000 vertrieben, unter ihnen Zehntausende Kämpfer und deren Familien. Sie hatten von Russland vermittelten Vereinbarungen mit dem Regime zugestimmt, die ihnen freien Abzug in Gebiete in Nordsyrien gewährten, die noch Rebellen oder Dschihadisten kontrollieren.

Auch eroberten die Regierungstruppen ein strategisch wichtiges Rebellengebiet zwischen Homs und Hama. Damit ist die wichtigste Straße des Landes von Damaskus bis Aleppo wieder in Regierungshand, ebenso ein Kraftwerk, eine Zementfabrik und eine Raffinerie, die in dem 1200 Quadratkilometer großen Gebiet liegen. Hier mussten in den vergangenen Tagen etwa 35 000 Menschen ihre Heimat verlassen.

Allerdings hatte Putin dasselbe schon bei früheren Treffen verkündet: den Sieg über den Terrorismus und den Start eines politischen Prozesses für ein Nachkriegs-Syrien, so etwa nach dem Fall von Aleppo Ende 2016. Zuletzt tat er das bei einem Treffen mit Assad im Dezember auf dem russischen Luftwaffenstützpunkt Khmeimim in Syrien. Damals kündigte Putin auch einen Teilabzug der russischen Truppen an. Einen Monat zuvor war Assad schon einmal in Sotschi gewesen.

Wie weit der Truppenabzug tatsächlich geht, darüber macht Moskau keine Angaben. Eine Tendenz lässt sich aus der Zahl der Wähler bei der Präsidentschaftswahl im März ablesen: Laut der Zentralen Wahlkommission haben 3526 russische Staatsbürger ihre Stimme in Syrien abgegeben. Bei der Parlamentswahl im Jahr zuvor waren es noch 4378 Wähler in Syrien. Das entspricht einem Rückgang von 20 Prozent. Es sind allerdings zudem Söldner privater russischer Militärdienstleister in Syrien.

Schwerer als auf dem Schlachtfeld lassen sich indes diplomatische Fortschritte erzielen. Die von Moskau organisierten Gespräche in der kasachischen Hauptstadt Astana kommen nicht voran, russische Medien spekulieren über ein Ende des Formats. Und dem groß angekündigten "Kongress des nationalen Dialogs" in Sotschi waren im Februar maßgebliche Gruppen von Assad-Gegnern ferngeblieben. Vor diesem Hintergrund wirken Putins Worte nach dem Treffen wie eine Mahnung an Assad: Ohne uns wärt ihr militärisch nie so weit gekommen, jetzt seid ihr an der Reihe zu liefern, beim politischen Prozess.

Wenn der in eine "aktive Phase" trete, sei es Zeit, dass "ausländische Truppen das Land verlassen", sagte Putin. Ob er damit nur die Amerikaner meinte oder auch Iran oder die Türkei, beide Russlands Partner in Astana, oder die russischen Streitkräfte, ließ er offen. Der Kreml präzisierte später, Putin habe sich auf jene Länder bezogen, deren Streitkräfte illegitim in Syrien seien - nach Auffassung Syriens sind das die USA, die offiziell etwa 2000 Soldaten östlich des Euphrat zum Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat stationiert haben. Und zum anderen die türkischen Truppen, die zusammen mit syrischen Rebellengruppen Gebiete bei Afrin, al-Bab und Jarabulus besetzt halten.

Moskau hat sich in den sich massiv verschärfenden Konflikt zwischen Israel und iranischen Kräften in Syrien nicht offen eingemischt, sondern lediglich beide Seiten zur Ruhe aufgefordert. Die russische Luftabwehr kontrolliert den Himmel über Syrien, geht bisher aber nicht gegen israelische Kampfjets vor, wenn diese Ziele der Revolutionsgarden in Syrien bombardieren. Zuletzt attackierten sie Dutzende Ziele, nachdem laut israelischen Angaben Revolutionsgardisten Raketen auf die von Israel besetzten Golanhöhen abgefeuert hatten. Auch hat Putin den türkischen Einmarsch in Afrin hingenommen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3985614
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 19.05.2018
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.