Syrien:Zwischen allen Stühlen

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Dem Gipfel zu dritt gingen Treffen zu zweit voran: Irans Präsident Ruhani mit seinem türkischen Kollegen Erdoğan in Ankara. (Foto: Erdem Sahin/Reuters)

Der türkische Präsident Erdoğan hat eine heikle Position beim Dreiergipfel mit Russland und Iran zu einer Friedenslösung für das benachbarte Kriegsland.

Von Christiane Schlötzer, Istanbul

Irans Präsident Hassan Rohani war schon seit 16 Stunden in der Stadt, da traf auch Wladimir Putin in Ankara ein. Wer zuletzt kommt, der hat die größte Macht. Die Türkei war am Montag Gastgeber für einen Dreiergipfel zum nicht enden wollenden Krieg in Syrien. Russland hat zuletzt ermöglicht, dass der syrische Diktator Baschar al-Assad wieder den größten Teil des Territoriums kontrolliert, auch Iran ist ein Verbündeter Assads.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte dagegen von Anfang an auf ein Syrien ohne Assad gesetzt, die Türkei hat mehrere Rebellengruppen unterstützt. Sie ist aber mit ihrem Ziel eines Regimewechsels gescheitert. Erdoğan geht es nun vor allem darum, die nächste große Flüchtlingswelle abzuwehren, die Türkei hat schon 3,6 Millionen Syrer aufgenommen.

"Eine neue Flüchtlingstragödie", sagte Erdoğan nach dem Treffen am Montagabend, würde auch "Europa treffen". Der Gipfel befasste sich daher besonders mit der Lage in der noch umkämpften syrischen Grenzprovinz Idlib. Menschenrechtsorganisationen warnten in den vergangenen Tagen, Camps auf der syrischen Seite der Grenze seien völlig überfüllt, Tausende schliefen unter Planen, auf freiem Feld. Und Regimekräfte hätten bereits neue Angriffe angekündigt. Was Putin in Ankara sagte, deutete auch nicht auf eine Befriedung hin. Die "Terroristen" in Idlib müssten "vernichtet" werden, sagte er. Im September 2018 hatten sich Putin und Erdoğan auf eine Waffenruhe in Idlib verständigt. Doch die stärkste Kraft dort, die islamistische Miliz Hayat Tahir al-Scham (HTS), wollte ihre schweren Waffen nicht abgeben. Der türkische Analyst Fehim Taştekin, ein genauer Kenner der Region, sagt, die Türkei habe gedacht, sie habe genug Einfluss auf die HTS. Die Rechnung sei aber nicht aufgegangen. Assads Truppen begannen, unterstützt von russischer Luftwaffe, im April mit ihrer Offensive. Auch unmittelbar vor dem Gipfel habe es Angriffe durch Regimetruppen gegeben, meldete die türkische Zeitung Sabah. Etwa drei Millionen Menschen leben in Idlib, darunter viele Binnenflüchtlinge aus anderen Teilen Syriens. In einem Interview warnte Erdoğan am Freitag, jeder Angriff auf türkische Beobachterposten dort werde beantwortet und könne zu einer Konfrontation mit Damaskus führen. Vor dem Dreiertreffen, das weniger als eine Stunde dauerte, kamen zuerst Rohani und Erdoğan zusammen, dann Erdoğan und Putin, und schließlich Rohani und Putin. Einzelheiten aus den bilateralen Gesprächen wurden nicht bekannt. Der Gipfel war Teil des sogenannten Astana-Prozesses, in dem die drei Staaten seit 2017 um eine Lösung für das Bürgerkriegsland ringen - bislang mit wenig Erfolg.

Erdoğan steht auch innenpolitisch unter Druck. Nach einer jüngst veröffentlichten, von der Oppositionspartei CHP in Auftrag gegebenen Umfrage sehen 73 Prozent der Türken in den syrischen Flüchtlingen mittlerweile eine "Sicherheitsbedrohung". Auch von den Anhängern der Regierungspartei AKP finden nur 51 Prozent die Syrienpolitik Ankaras "erfolgreich".

Außenpolitisch hat sich Ankara ebenfalls zwischen alle Stühle gesetzt. Die Türkei hat russische Abwehrraketen gekauft und damit US-Sanktionen provoziert. Am Wochenende wurde gemeldet, dass die zweite russische Raketenbatterie vom Typ S-400 auf einer Basis in Ankara eingetroffen sei. Erst im April sollen die Raketen aufgestellt werden, die Stationierungsorte hat die Regierung noch nicht genannt. Washington hat im Gegenzug das Nato-Land Türkei von der gemeinsamen Produktion des Kampfjets F-35  ausgeschlossen.

Thema des Gipfels war auch die von der Türkei verlangte Sicherheitszone in Nordsyrien, östlich des Euphrat. In dem Gebiet ist die kurdische YPG Partner der USA, "zur Bekämpfung des Islamischen Staats", wie es aus Washington heißt. Für Ankara ist die YPG "Teil der Terrorgruppe PKK". Nach diversen Einmarschdrohungen Erdoğans hatten sich Ankara und Washington im August auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt, Details blieben unbekannt. Erdoğan drohte nun in Ankara bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin und Rohani erneut, man werde "den Terrorsumpf" dort "austrocknen". In der Sicherheitszone will die Türkei "mindestens eine Million" Flüchtlinge ansiedeln. Putin warnte vor einer "Spaltung" Syriens in Einflusszonen, was auch als Kritik an der Türkei verstanden werden könnte.

Assad hat unterdessen eine "Amnestie" für seine geflüchteten Gegner verkündet. Sie dürfte - wie frühere - nicht viel Wirkung zeigen, schließlich tendiert die Glaubwürdigkeit des Diktators gegen null. Zum neuen Angebot Assads gehört auch: statt Todesstrafe lebenslang mit Zwangsarbeit.

© SZ vom 17.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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