Syrien:Wo bleiben die USA?

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Obama fehlt: Ein Souvenirshop in der syrischen Hauptstadt Damaskus (Foto: AFP)

Ein offener Staaten-Krieg mit Syrien im Zentrum steht kurz bevor. Die Amerikaner schauen ziemlich hilflos zu. Dabei bräuchten die Türkei, die Golf-Staaten und Europa dringend mehr Führung.

Kommentar von Stefan Kornelius

Syrien könnte in nur wenigen Wochen zum Mittelpunkt eines ausgewachsenen Regionalkrieges werden. Der offene Staaten-Krieg steht kurz bevor: Saudi-Arabien, Jordanien, Ägypten, vielleicht gar Malaysia greifen auf Seiten der Rebellen mit Bodentruppen ein, während die von Iran und Moskau alimentierten und entsendeten Söldnerscharen ihre Deckung preisgeben. Der türkische Präsident lässt wissen, sein Land werde nicht abseits stehen. Die Türkei ist Nato-Mitglied. Schon verhöhnt der Befehlshaber der iranischen Revolutionsgarden das saudische Militär.

Die Eskalationsgeschwindigkeit steht im krassen Gegensatz zur Sprachlosigkeit des Westens. Alle Appelle sind wohlfeil, die Realität spricht ihre eigene Sprache: Machthaber Assad und Obermachthaber Putin sind sich mit der Führung in Teheran einig, dass die Verhältnisse im Krieg und nicht in Genf per Verhandlung gelöst werden. Zweitens ist der Islamische Staat ein zweitrangiges Problem für die Kalkulation des humanitären Leids: Die Syrer flüchten nicht vor den Bärtigen, sie flüchten vor den Bomben. Drittens erscheint eine Vermittlung zwischen den Semi-Patronatsmächten dieses Gemetzels, Saudi-Arabien und vor allem Iran, fruchtlos. So zeigt sich im Übrigen, dass es gute Gründe gibt, auch einen iranischen Präsidenten nicht von einem Tag auf den anderen zu hofieren.

Das Militär spricht von einer Eskalationsdominanz, wenn es klarmachen will, wer die Dynamik in einem Krieg auf seiner Seite hat. Putin und Assad mit ihren Milizen und der Luftwaffe verfügen jetzt über diese Dominanz. Sie sind bereit, immer größere Brutalitäten zu begehen. Dieser Krieg wird militärisch zu ihren Gunsten entschieden, weil keine Macht bereit ist, die Eskalationsdominanz zu brechen. Es ist unwahrscheinlich, dass eine Militärallianz der Saudis und anderer Golfstaaten diese Gewissheit Putins zerstört.

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Ideen gibt es viele. Ohne die USA werden sie nicht umgesetzt werden.

Die sunnitischen Golfstaaten, aber auch die Türkei und die europäischen Verbündeten haben eine einfache Frage: Wo bitte bleiben die USA? Wo ist die Stimme des Präsidenten? Russland kann ja nur deswegen frei schalten und walten, weil es keinen ernst zu nehmenden Gegendruck verspürt. Wo also bleibt die scharfe Warnung an den Irak, der zwar aus Washington alimentiert ist, aber Söldner ungehindert gen Norden ziehen lässt? Wo bleibt die Koalition, die Iran die nächste Sanktionsrunde erklärt? Wo bleibt die politische Konfrontation mit dem russischen Präsidenten, der sich ja schon lange wünscht, auf Augenhöhe behandelt zu werden?

Barack Obama mag mehr oder weniger zwei Kriege beendet haben. Das wird ihm wenig Ruhm einbringen, wenn er nun dem Nahost-Brand zusieht. Die Golfstaaten, die Türkei, der flüchtlingsgebeutelte Westen brauchen Führung. Die USA könnten den Nato-Russland-Rat wiederbeleben. Sie könnten sich stärker um ihren Partner Türkei sorgen. Eine Allianz pro Flüchtlinge könnte militärisch gesicherte Gebiete an der syrischen Grenze einrichten samt Flugverbotszonen. Ideen gibt es viele. Ohne die USA werden sie nicht umgesetzt werden.

© SZ vom 08.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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