Syrien:Unter Brüdern

Staatschef Assad bereitet seine Rückkehr in die arabische Liga vor - und die Regierungsbrüder von Dubai bis Rabat helfen ihm dabei. Mit dem Rückzug der USA aus der Region beginnt der neue arabische Winter mit alten autokratischen Mustern. Der Syrer liefert das Strickmuster.

Von Moritz Baumstieger

Der neue arabische Winter hat sich lange schon angekündigt, spätestens vergangene Woche ist er angebrochen. Die Herrscher der Region stellen die Uhren neu, es gilt wieder die Zeit vor 2011. Die Autokraten regeln das Geschäft, und der Herrscher von Damaskus wird wieder aufgenommen in ihre Mitte. Bereits 2016, in Aleppo, hatte sich angedeutet, dass Assads Regime den Bürgerkrieg für sich entscheiden würde. Zwei Jahre später zieht Donald Trump seine Truppen aus Syrien ab, die mit den USA im Kampf gegen den IS verbündeten Kurden implodieren - sie waren das letzte Hindernis, das Assad von der vollständigen Wiederherstellung seiner Macht abgehalten hatte. Die säkular bis islamistischen Rebellen sind nun kein Faktor mehr. Sie halten lediglich die Region Idlib, jetzt eine Art syrischer Gazastreifen: ein überbevölkerter Landstrich, isoliert und sich selbst überlassen.

Lange schien es undenkbar, dass man es Assad gestatten würde, sich eine scheinbare Normalität zurückzuerobern. Wer Leben und Widerstandswillen seiner Gegner mit Chemiewaffen ausräuchert, der wurde selbst im Autokratenklub der arabischen Machthaber isoliert.

Im Falle von Baschar al-Assad gehen die arabischen Herrscher nun zur Tagesordnung über. In Damaskus nahm am Donnerstag die Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate ihren Geschäftsbetrieb wieder auf - die Emirate gehörten einst zu den Unterstützern der Opposition. Am Freitag folgte Bahrain, in den kommenden Tagen wird der kuwaitische Geschäftsträger erwartet, auch Saudi-Arabien will in Damaskus wieder präsent sein. Ebenfalls am Donnerstag landete in Tunesien die erste aus Syrien kommende Linienmaschine seit Jahren.

In drei Monaten könnte der Diktator selbst nach Tunesien reisen: Die Arabische Liga, die Syrien 2011 ausschloss, scheint gewillt, Assad wieder aufzunehmen. Das einzige Land der Region, das eine demokratische Entwicklung nahm, bietet die Kulisse für die Rückkehr jenes Mannes, dem der Machterhalt eine halbe Million Tote wert war und die Vertreibung seines halben Volkes.

Der Meinungsumschwung der arabischen Staatenlenker gründet sich auf zwei Hoffnungen. Bestenfalls gehen sie riskante Wetten ein. Was man militärisch nicht erreicht hat, so spekuliert man am Golf, könnte die Umarmung Assads bringen: den Einfluss Irans einzudämmen. Ist der Mann in Damaskus wieder stark, wird er weniger auf den schiitischen Erzfeind angewiesen sein, so die Logik. Doch ob sich Teheran nach allem, was es in das syrische Schlachtfeld investiert hat, einfach zurückzieht, ist fraglich.

Zum anderen wollen die Herrscher der Region ein Zeichen an die eigenen Untertanen senden: Alle Macht geht von der Staatsspitze aus, versucht erst gar nicht, daran zu rütteln. Im arabischen Winter von 2018 ist dies die Botschaft von selbsternannten Reformern, die gleichzeitig Oppositionelle foltern lassen, wie der saudische Kronprinz, Marokkos König oder die Emire vom Golf. Das ist die Vision von Präsidenten wie Ägyptens al-Sisi und Sudans al-Baschir, der in diesen Tagen auf Demonstranten schießen lässt. Und sogar der Präsident Tunesiens trägt durch die erwartete Einladung an Assad die Botschaft mit - wenige Tage vor dem achten Jahrestag der Selbstbefreiung seines Volkes.

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