Süddeutsche Zeitung

Kurdengebiete in Nordsyrien:Erdoğan und Putin einigen sich auf Verlängerung der Waffenruhe in Nordsyrien

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Die Türkei verlängert die zunächst bis Dienstagabend angesetzte Waffenruhe für Nordsyrien um weitere 150 Stunden, also um etwas mehr als sechs Tage. Das teilte der russische Außenminister Sergej Lawrow nach einem Treffen von Kremlchef Wladimir Putin mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan im russischen Sotschi mit.

Erdoğan bestätigte wenig später das Verhandlungsergebnis. Die Frist von 150 Stunden, in der sich die kurdischen Kämpfer 30 Kilometer von einer Grenzgegend wegbewegen würden, werde am Mittwochmittag beginnen, sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Putin. Anschließend sollen gemeinsame russisch-türkische Patrouillen in der Zone beginnen, sagte Lawrow.

Putin und Erdoğan hatten zuvor mehr als sechs Stunden lang über den Syrienkonflikt beraten. Putin sagte nach dem Gespräch, er habe die Türkei und Syrien zu einem Dialog aufgerufen. Stabilität sei in Syrien nur zu erreichen, wenn die territoriale Unversehrtheit des Landes gewährleistet sei. Ausländische Truppen, die sich ohne Billigung der syrischen Regierung dort aufhielten, müssten das Land verlassen.

Erdoğan hatte vor dem Treffen mit Putin eigentlich angekündigt, die Waffenruhe nicht verlängern zu wollen. Und auch jetzt schließt der türkische Präsident weitere kriegerische Handlungen nicht aus. "Die Frist des Abkommens mit den USA endet. [...] Die gegebenen Versprechen wurden nicht vollständig eingehalten. Sobald wir zurückkehren, werden wir die endgültigen Ergebnisse bekommen, und wenn es so ist, dann werden wir die nötigen Schritte setzen", sagte er am Dienstagabend laut der Zeitung Hürriyet. Die Türkei hatte mehrfach mit der Wiederaufnahme ihrer Offensive gedroht, falls die Kurden ihre Kämpfer nicht vollständig abziehen sollten.

Nach US-Angaben hat sich die YPG inzwischen aber aus den vereinbarten Gebieten zurückgezogen. Der Kommandeur der von den Kurden dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), Maslum Abdi, habe US-Vizepräsident Mike Pence in einem Schreiben darüber informiert. Pences Büro teilte am Dienstag mit: "Der Vizepräsident begrüßt diese Entwicklung und sieht darin die Erfüllung der Bedingungen des Abkommens vom 17. Oktober, was den Rückzug der YPG betrifft."

Das Verteidigungsministerium in Ankara nahm dies am frühen Mittwochmorgen zur Kenntnis, ließ aber offen, ob es die Bedingungen an die Kurden tatsächlich als erfüllt betrachtet. Nach der Einigung mit Russland gebe es derzeit jedenfalls keinen Anlass, "außerhalb des derzeitigen Offensiven-Gebiets" eine neue Operation zu beginnen. Weitere militärische Schritte innerhalb dieses Gebiets - zwischen Tall Abjad und Ras al-Ain - schließt diese Formulierung nicht aus.

In Russland sieht man das anders. Außenminister Lawrow zufolge bedeutet die jetzige Einigung zwischen Russland und der Türkei das Ende der türkischen Militäroffensive. Die Vereinbarung zwischen Putin und Erdoğan bedeute, "das Blutvergießen zu beenden, den Einsatz zu beenden, der in der Welt eine widersprüchliche Reaktion hervorgerufen hat".

176 000 Menschen durch Militäroffensive vertrieben

Die Türkei hatte am 9. Oktober zusammen mit syrischen Rebellen einen Feldzug gegen die Kurdenmiliz YPG im Norden Syriens begonnen. Ankara betrachtet die YPG, die an der Grenze zur Türkei ein großes Gebiet kontrolliert, als Terrororganisation. Für die USA waren die Kurdenkämpfer lange enge Verbündete im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien. Am vergangenen Donnerstag hatten die USA und die Türkei die erste fünftägige Feuerpause vereinbart, die von der Kurdenmiliz akzeptiert wurde. Sie sollte der YPG Gelegenheit geben, sich aus einer Zone im Grenzgebiet zurückzuziehen, die die Türkei unter ihre alleinige Kontrolle bekommen möchte.

Nach UN-Angaben sind inzwischen mehr als 176 000 Menschen vertrieben worden. Darunter seien fast 80 000 Kinder, teilte UN-Sprecher Stéphane Dujarric am Dienstag in New York mit.

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