Süddeutsche Zeitung

Nordsyrien:Türkei greift kurdische Kämpfer an - offenbar mehrere tote Zivilisten

  • Die Türkei hat ihre Ankündigung wahr gemacht und Ziele in Nordsyrien angegriffen.
  • Die Bevölkerung in der Grenzregion flieht vor dem Bomben.
  • Aktivisten berichten von mehreren zivilen Todesopfern.

Die Türkei hat ihren angekündigten Angriff auf kurdische Kämpfer in Nordsyrien begonnen. Nach Angriffen mit Kampfflugzeugen und Artilleriegeschützen haben am Mittwoch auch türkische Bodentruppen die Grenze nach Nordsyrien überschritten, wie das türkische Verteidigungsministerium mitteilte. Aktivisten berichteten von mindestens sieben getöteten Zivilisten.

Die türkischen Soldaten seien gemeinsam mit Kämpfern der syrischen Opposition einmarschiert, teilte das Ministerium mit, nannte aber keine weiteren Details. Der Angriff mit Kampfflugzeugen und Artillerie hatte Stunden zuvor begonnen.

Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien sind bislang acht Zivilisten durch die türkischen Angriffe ums Leben gekommen. Das Rojava Information Center, ein Aktivistenkollektiv in Nordostsyrien, berichtete von sieben getöteten Zivilisten und drei getöteten Kämpfern.

Der Weltsicherheitsrat wollte am Donnerstag hinter verschlossenen Türen über die türkische Offensive sprechen, wie aus UN-Diplomatenkreisen verlautete. Die fünf europäischen Mitgliedsländer des Rats - Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Belgien und Polen - hätten das Treffen beantragt. Es werde im Anschluss an eine für den Morgen (New Yorker Zeit) angesetzte Beratung zu Kolumbien stattfinden, sagten Diplomaten, die nicht namentlich genannt werden wollten.

Nach Angaben der Arabischen Liga planen Außenminister aus der Region für Samstag ein Treffen. Sie würden in Kairo über den türkischen Militäreinsatz sprechen, sagte Hossam Saki, der stellvertretende Generalsekretär der panarabischen Organisation. Zuvor hatte Ägypten ein Treffen angeregt, um über die "Aggression" gegen die Souveränität Syriens zu sprechen.

US-Präsident Donald Trump hatte am Sonntag den Abzug von 50 bis 100 US-Soldaten aus dem Grenzgebiet in Nordsyrien bekannt gegeben. Die USA hatten dort gemeinsam mit den Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die von der kurdisch-syrischen Miliz YPG dominiert werden, gegen die Terrormiliz Islamischer Staat gekämpft und sie in weiten Teilen in die Knie gezwungen. Doch Trump ließ die verbündeten Kurden mit dem Abzug nach Ansicht seiner Kritiker fallen und machte de facto den Weg für eine türkische Offensive frei. Die Türkei sieht die Kurdenmiliz als Terrorvereinigung an, die mit den kurdischen Aufständischen der PKK im eigenen Land verbündet ist. Trump nannte den Angriff "eine schlechte Idee".

Trumps Angaben zufolge brachten die USA einige der gefährlichsten Kämpfer der Terrormiliz IS aus Nordsyrien an einen unbekannten Ort. Die Gefangenen könnten dort bewacht werden, während die Türkei in Syrien einmarschiere, teilte Trump mit, ohne Details zu nennen. Die SDF haben im Kampf gegen den sogenannten Islamischen Staat Tausende IS-Kämpfer gefangen genommen.

In Wohngegenden nahe der Grenze flüchteten Menschen in Autos, mit Traktoren oder zu Fuß. Einige hatten Matratzen und ein paar Besitztümer auf den Fahrzeugdächern. Darunter waren Menschen, die erst vor wenigen Jahren vor der Terrormiliz IS geflüchtet waren.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan teilte auf Twitter mit: "Unsere Mission ist es, die Entstehung von Terrorkorridoren über unsere Südgrenze hinweg zu verhindern, und Frieden in die Region zu bringen." Er sprach von einer Bedrohung durch Terrorismus für die Türkei. Ziel der Türkei ist es, eine "Sicherheitszone" zu schaffen.

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