Süddeutsche Zeitung

Syrien:Türkei droht mit Angriffen auf Kurdenmiliz

Präsident Erdoğan will US-Verbündete in dem Bürgerkriegsland "eliminieren". Washington relativiert Pläne für Truppenabzug.

Von Dunja Ramadan und Paul-Anton Krüger, München/Amman

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat US-Forderungen nach Sicherheitsgarantien für die Kurden in Nordsyrien brüsk zurückgewiesen. Die Türkei werde bald eine Militäroperation in Syrien starten, kündigte er am Dienstag mit Blick auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) an. Wenn es "andere Terroristen gibt, die versuchen, unsere Intervention zu behindern, dann ist es unsere Pflicht, auch sie zu eliminieren", drohte er. Das bezog sich auf die Kurden-Miliz YPG. Sie ist der wichtigste Verbündete der USA in Syrien, gilt der Türkei aber als Terrorgruppe und verlängerter Arm der PKK.

Der Sicherheitsberater des US-Präsidenten, John Bolton, hatte den von Donald Trump angekündigten Rückzug der US-Truppen aus Syrien davon abhängig gemacht, dass der IS dort endgültig besiegt sei und Ankara garantiere, keine Verbündeten der USA anzugreifen, also die Kurden. Erdoğan hatte Trump angeboten, das türkische Militär könne den Kampf gegen den IS in Syrien zu Ende führen. Nach Ansicht der US-Streitkräfte wäre die Türkei dazu aber auf massive logistische Hilfe und Luftunterstützung der USA angewiesen.

Erdoğan blieb einem Treffen türkischer Regierungsvertreter mit Bolton fern und hielt stattdessen eine Rede vor dem Parlament, in der er ihn attackierte. Bolton hatte am Vortag in Israel gesagt, die Türkei solle nicht ohne Einverständnis der USA militärisch in Nordsyrien aktiv werden. Zugleich hatte er den Abzug der US-Truppen an Bedingungen geknüpft - einen Zeitplan gebe es nicht. Erdoğan sagte, obwohl er eine klare Abmachung mit US-Präsident Trump getroffen habe, tauchten jetzt "andere Stimmen aus Teilen der US-Regierung auf". Für ihn blieben aber Trumps Äußerungen der wichtigste Bezugspunkt.

Sowohl Bolton als auch Trump versuchen den Eindruck zu erwecken, der Präsident habe seine Meinung zum Abzug nicht geändert. Jedoch hatte der bei der Ankündigung im Dezember dem Pentagon nach dessen Angaben nur 30 Tage Zeit gegeben, später verlängerte er die Frist auf vier Monate. Bis die von Bolton genannten Bedingungen erfüllt sind, könnten jedoch Monate oder Jahre vergehen, zumal Erdoğan diese als "nicht akzeptabel" zurückwies.

US-Außenminister Mike Pompeo traf am Dienstag zum Auftakt einer Reise durch acht arabische Staaten seinen jordanischen Kollegen Ayman Safadi. Der IS sei immer noch die größte Bedrohung in der Region; man werde nicht aufhören, gegen die Terrormiliz vorzugehen, sagte Pompeo. "Unser Rückzug aus Syrien wird unsere Fähigkeit, auf Iran, den IS oder jede andere Bedrohung der regionalen Sicherheit zu reagieren, nicht beeinflussen", versicherte er. Pompeo dankte Jordanien für die Aufnahme von 650 000 Syrern.

Safadi betonte, er sei nicht besorgt über den Abzug der US-Truppen. Er vertraue darauf, dass die Sicherheit Jordaniens von dem Verbündeten in Washington weiterhin berücksichtigt werde. Um die Grenzregion zu Syrien zu sichern, seien allerdings trilaterale Gespräche zwischen Jordanien, den USA und Russland nötig, sagte Safadi.

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SZ vom 09.01.2019
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