Syrien-Treffen zwischen Netanjahu und Putin:Höchst besorgt

Israel ist entsetzt: Premier Netanjahu reist nach Russland, um die Lieferung eines Luftabwehrsystems an Syriens Machthaber Assad zu verhindern. Er fürchtet um Israels militärische Überlegenheit. Doch die Regierung in Moskau verweist auf einen alten Vertrag.

Von Frank Nienhuysen, Moskau und Peter Münch, Tel Aviv

Sie verstehen sich jetzt besser. Benjamin Netanjahu begrüßte Wladimir Putin auf Russisch und versprach sogar, es bei jedem künftigen Treffen perfekter zu können. Worauf Putin sagte, "ich spüre schon einen Fortschritt". Dann aber ging es um Raketen. Der israelische Regierungschef hat den russischen Präsidenten im Schwarzmeerort Sotschi davon zu überzeugen versucht, auf die Lieferung des modernen Luftabwehrsystems S-300 nach Syrien zu verzichten. Doch Anzeichen für einen Erfolg gab es zunächst nicht. Kein Wort verloren die beiden Politiker öffentlich darüber, stattdessen betonten beide, was sie verband. Sie forderten eine sofortige Waffenruhe in Syrien. Andernfalls "drohen dem Land und der ganzen Region böse Konsequenzen", sagte Putin.

Russland beruft sich bei der umstrittenen Lieferung auf einen Vertrag aus dem Jahr 2010 und betonte, dass es keinerlei Gesetze verletze. Der Vizedirektor des Föderalen Dienstes für militärisch-technische Zusammenarbeit, Wjatscheslaw Dsirkali, wies auch darauf hin, dass alle bisher nach Syrien gelieferten Rüstungsgüter "sich dort befinden, wo sie hingehören - in die Hände der Regierungstruppen". Trotzdem ist Moskau auf Unverständnis gestoßen. US-Außenminister John Kerry nannte die mögliche Raketenlieferung "potenziell destabilisierend".

Russland gilt noch immer als Verbündeter der syrischen Führung um Präsident Baschar al-Assad und zugleich als Schlüsselstaat beim Versuch, den Druck auf das Regime in Damaskus zu erhöhen. In dem Bürgerkrieg sind nach Angaben der Vereinten Nationen in den vergangenen zwei Jahren mehr als 70.000 Menschen getötet worden.

Zuletzt hatte es neue Hoffnungen auf ein Ende des Konflikts gegeben, als Kerry gemeinsam mit der russischen Regierung den Plan einer Syrien-Konferenz vorstellte. Die neue Annäherung der beiden Mächte ist offenbar auch durch die verstärkte Skepsis in Washington möglich geworden, syrische Rebellen mit Waffen zu beliefern. Moskau hat die USA davor stets gewarnt, weil es einen Machtwechsel zu Gunsten von Islamisten befürchtet. Dass Russland ausgerechnet jetzt die syrische Armee mit einem Luftabwehrsystem ausrüsten will, hat indes Verwunderung ausgelöst.

Befürchtung, dass die Waffen bei der Hisbollah landen könnten

Die Regierung in Jerusalem ist aus zwei Gründen höchst besorgt: Zum einen würden die S- 300-Abwehrraketen in den Händen der syrischen Armee Israels Luftüberlegenheit gegenüber dem feindlichen Nachbarn drastisch einschränken. In den vergangenen Monaten hatte Israel gleich bei drei Gelegenheiten gezeigt, dass die syrische Luftabwehr in derzeitigem Zustand kein Hinderungsgrund für Angriffe ist: Ende Januar zerstörten israelische Kampfjets eine mutmaßlich für die Hisbollah bestimmte Lieferung von Luftabwehr-Raketen; vor gut einer Woche waren dann in der Nähe von Damaskus erneut Waffentransporte an die libanesische Miliz das Ziel.

Zum zweiten gibt es die Befürchtungen, dass alle an das Assad-Regime gelieferten Waffen irgendwann bei der mit Syrien und Iran verbündeten Hisbollah landen könnten. Deren Chef Hassan Nasrallah hat solche Ängste noch geschürt, als er in der vorigen Woche ankündigte, seine Organisation strebe nach Waffen, mit denen die nahöstlichen Spielregeln verändert werden könnten. Dazu werden hochentwickelte Raketen ebenso gezählt wie Chemiewaffen. Den letzten kriegerischen Schlagabtausch mit der Hisbollah hatte sich Israel im Sommer 2006 geliefert. Seitdem sind die Spannungen nicht weniger geworden.

Angespannt ist das Verhältnis nicht nur wegen Syrien

Die Moskauer Syrien-Politik wird in Israel mit großem Unbehagen verfolgt. Tourismusminister Uzi Landau, der zu Netanjahus Likud-Partei gehört, warf Russland eine gezielte Destabilisierung und Kumpanei mit Terrorgruppen vor. Netanjahu demonstrierte Dringlichkeit, indem er die Blitzreise zu Putin noch vor Beginn des jüdischen Schawuot-Festes absolvierte, das am Dienstag bei Sonnenuntergang begann. Anders als bei vergleichbaren Reisen nahm er auch keine Journalisten mit, sondern lediglich einen kleinen Beraterstab.

Offenkundig treibt Netanjahu in Sachen Syrien neben den diplomatischen Bemühungen der USA zunehmend eigene außenpolitische Initiativen voran. In der vergangenen Woche war er - vorrangig zu Handelsgesprächen - in China, das neben Russland bei den Vereinten Nationen als zweite Großmacht ein gemeinsames internationales Vorgehen in Syrien verhindert. Noch von Peking aus alarmierte er US-Präsident Barack Obama wegen der möglichen russischen Raketen-Lieferungen und vereinbarte den Termin bei Putin.

Es ist Netanjahus erste Russland-Reise seit 2010, im Sommer 2012 war Putin in Jerusalem zu Gast. Angespannt ist das Verhältnis nicht nur wegen Syrien, sondern auch wegen Iran, dem Russland das Atomkraftwerk Buschehr geliefert hat. Immerhin aber wird nun auch auf einen positiven Präzedenzfall verwiesen. Russland hatte 2010 die Lieferung von S-300- Raketen an Iran trotz eines dazu 2007 geschlossenen Vertrags gestoppt. Dies soll, so berichtet die Jerusalem Post, einer Zusage geschuldet sein, die Moskau schon 2008 Netanjahus Vorgänger Ehud Olmert gegeben hatte.

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