Syrien:Politik mit "Tornados"

A Tornado aircraft of the Tactical Air Force Wing 51 'Immelmann' is pictured during a demonstration flight at German army Bundeswehr airbase in Jagel

Ein Tornado der Bundeswehr in der Luft.

(Foto: REUTERS)

Bundeswehr-Jets fliegen nicht aus militärischen Erwägungen über Syrien, sondern weil Frankreich um Solidarität gebeten hat. Sie sind keine Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sie sind Politik.

Kommentar von Kurt Kister

Gute und schlechte Argumente gibt es für und gegen den nun beschlossenen Einsatz von sechs Aufklärungs-Tornados über Syrien. Zu den schlechten zählt zweifelsohne der Einwand, die Gesellschaft oder der Bundestag hätten nicht lange genug über die Rolle Deutschlands in diesem Konflikt debattieren können, bevor die Koalition nun mit sehr großer Mehrheit die Entsendung der Jets sowie eines Kriegsschiffs durchgesetzt hat.

Militärisch verändern Tornados und Fregatte nichts

Wer sich einigermaßen ernsthaft für den Konflikt in Syrien mit all seinen Weiterungen interessiert, der hat sich längst - und nicht erst seit den Anschlägen von Paris - eine Meinung gebildet, hat sich informiert und hat, wenn er das wollte, mitgeredet, gebloggt und kommentiert. Auch Abgeordnete hatten bei Debatten und in Ausschüssen genug Möglichkeiten, sich zu Wort zu melden. Wer das aber nicht getan hat, der mag, wie etwa der phraseologisch erfahrene Grünen-Chef Özdemir, vom "Schweinsgalopp" bei der Syrien-Entscheidung reden.

Die Tornados, die selbst keine Bomben tragen, und mehr noch die Fregatte im Kielwasser des französischen Flugzeugträgers, sind in erster und durchaus auch noch in zweiter Linie Instrumente der Politik. Sie verändern in Syrien militärisch nichts; die Aufklärungserkenntnisse der deutschen Flugzeuge werden zu jenen dazukommen, die andere Luftwaffen der Anti-IS-Koalition bisher auch ohne die Bundeswehr erbracht haben. Mit dieser Handvoll älterer Jets "führt" Deutschland keinen eigenen Krieg in Syrien, wie das im lauten Meinungskampf gerne behauptet wird.

Die paar Tornados fliegen demnächst nicht aus strategischen oder auch nur aus militärisch-taktischen Überlegungen über Syrien. Sie sind ausschließlich dort, weil Frankreich, Deutschlands engster Verbündeter in Europa, über die Beistandsklausel der EU tätige Solidarität gefordert hat. Sie dienen, um den zu Tode zitierten Clausewitz-Satz zu paraphrasieren, nicht zur Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln, sondern sie sind Politik.

Die Entscheidung, wo Deutschland in diesem Konflikt steht, ist längst gefallen

Wer es für grundsätzlich falsch hält, Politik auch mit Militär zu machen, der muss den Einsatz ablehnen. Wer aber denkt, dass eben jene tätige Solidarität gegenüber einem nun wirklich befreundeten Land in einem Extremfall zur Politik, nein: zur politischen Pflicht, zählen muss, der kann den Tornados über Syrien zustimmen.

Der Streit über die Interpretation des Völkerrechts gehört zur Debatte. Nur ist das internationale Recht eben keineswegs so eindeutig, wie das von Befürwortern und Gegnern jeweils zur Unterstützung ihrer eigenen Meinung behauptet wird. Diese Tatsache ist auch im Bundestag deutlich geworden, wo die Koalitionäre das Völkerrecht ebenso zur Begründung ihres Beschlusses zitierten, wie es die Opposition zur Begründung des Gegenteils tat.

Deutschland wird durch die Tornados übrigens auch in keinen Krieg "hineingezogen". Es gehört für jene, die in Syrien Andersdenkenden die Köpfe abschneiden, als Teil des Westens ohnehin zum Feind. Es rüstet längst Kurden im Kampf gegen den IS aus, und deutsche Soldaten tragen auch in Mali ein Scherflein im Konflikt gegen die Islamisten bei. In diesem Sinne ist die Entscheidung, wo Deutschland steht, längst gefallen.

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