Syrien-Politik der internationalen Gemeinschaft:Der Westen ist einig in seiner Ratlosigkeit

Alle Ansätze, um Syrien zu befrieden, sind bisher ins Leere gelaufen. Gutes Zureden? Hat nichts genutzt. Diplomatischer Druck auf Assad? Auch dieser Plan ging nicht auf. Eine militärische Intervention? Hätte kein Mandat und wenig Hoffnung auf Erfolg. Sicher ist nur: Nach den Zwischenfällen an der türkisch-syrischen Grenze muss sich der Westen wappnen.

Stefan Kornelius

Ausnahmsweise ist sich die Welt weitgehend einig, was sie vom Syrien-Konflikt zu halten hat: Sie ist ratlos. Die Mahnung des Sicherheitsrats, die Besänftigungsversuche der US-Regierung, die Worte der Mäßigung aus Berlin - aus allen Kommuniqués, Pressemitteilungen oder Rats-Erklärungen spricht die Furcht vor einem unzähmbaren Monster, das durch schiere Unaufmerksamkeit aus seinem Käfig ausbrechen und die Nachbarschaft in Angst und Schrecken versetzen könnte.

Der Käfig, das ist jene Nation Syrien, die längst als Staat aufgehört hat zu existieren und möglicherweise auch nicht mehr reanimiert werden kann. Weil die internationale Gemeinschaft ratlos ist, wie genau man mit dem toten Staat und den darin wütenden Monstern umgehen soll, rührt sie das Problem erst mal nicht an.

Zunächst gab es den Wunschtraum, man könnte den Bürgerkrieg durch gutes Zureden beruhigen und eine politische Dynamik in Gang setzen. Ein föderales Gebilde sollte entstehen, in dem unterschiedliche Religionsgruppen und Ethnien ihren Platz finden. Indes: Dieses Post-Assad-Syrien wird wohl ein Traumgebilde bleiben. Nichts gibt Anlass zur Hoffnung, dass dieses Syrien bald wiederbelebt werden kann.

Plan B brachte die internationale Gemeinschaft ins Spiel: Wenn sie nur genügend Druck entfaltete und geschlossen aufträte, so die Vorstellung, dann würde Assad seine Einsamkeit schon spüren und vielleicht ins Exil gehen. Auch dieser Plan ging nicht auf. Russland und China mögen die Vorstellung nicht. Dafür haben sie unterschiedliche Motive: Moskau und Peking glauben nicht an eine Versöhnung der syrischen Konfliktparteien, man fürchtet den Präzedenzfall für die nächste Intervention im eigenen Machtbereich, und dann geht es noch ein bisschen um erkaltete Einflussgebiete.

Bleibt der dritte Weg: die militärische Intervention, Krieg von außen, notfalls ohne UN-Mandat auf der völkerrechtlichen Basis, dass hier eine gravierende humanitäre Katastrophe abläuft, die zu stoppen eine Pflicht ist. Für diese Intervention gäbe es kein Mandat, und wenn man sie dennoch beschlösse, gäbe es wenig Hoffnung auf Erfolg - siehe der Traum von der friedlichen Koexistenz der verfeindeten syrischen Brüder. Selbst wenn Truppen für Ruhe und Stabilität sorgen könnten, erwächst daraus noch lange kein ruhiger und stabiler Staat. Der Balkan, der Irak, Afghanistan und auch Libyen haben den Westen interventionsmüde gemacht. Das syrische Drehbuch lässt sich jetzt schon schreiben - aber niemand will darin eine Rolle übernehmen.

Die Toten auf türkischem Gebiet haben dem Westen gezeigt, wie schnell er dennoch in diesen nicht zu gewinnenden Krieg hineingezogen werden kann. Die Türkei hat scharf reagiert, sie musste ebenso scharf zurückgepfiffen werden von den Verbündeten in der Nato. Keiner im Bündnis hat Lust auf ein nicht zu kalkulierendes Abenteuer. Hätte die Türkei den Gegenschlag eskaliert, wäre der Volkszorn eskaliert oder das Parlament auf die Bänke gestiegen, dann wäre Premier Erdogan zum Gefangenen seiner eigenen Strategie geworden: hart reden, Härte zeigen. Die Nato wäre in ein schlimmes Dilemma geraten. Beistand oder Abstand - ein türkischer Militärschlag gegen Syrien hätte das Bündnis gespalten.

So bleibt der Westen vor allem eines: ratlos. Vorsichtig drängt die Nato die Gefahr von sich. Die Türkei ist erst mal zur Ruhe verpflichtet. Aber das Monster bleibt. Vielleicht hülfe eine Pufferzone (für die es kein UN-Mandat gäbe), vielleicht lohnt sich noch einmal der Druck auf Moskau? Sicher ist nur eines: Nach dem Grenzzwischenfall muss sich der Westen wappnen. Einen Zufalls-Krieg kann sich die Nato nicht aufzwingen lassen.

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