Syrien-Offensive:Assads Truppen stellen sich der Türkei entgegen

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Die syrische Armee kommt den Kurden zu Hilfe, deren Ziel einer Selbstverwaltung rückt damit in weite Ferne.

Von Paul-Anton Krüger, München

Das syrische Regime von Präsident Baschar al-Assad verlegt Einheiten der Armee in die bislang von den Kurden kontrollierten Gebiete im Norden des Landes. Sie stellten sich "der türkischen Aggression entgegen", meldet die amtliche Nachrichtenagentur Sana. Vorangegangen war eine Einigung zwischen den Kurden und Damaskus. Demnach sollen syrische Truppen entlang der gesamten Grenze zur Türkei stationiert werden, um den Einmarsch abzuwehren. Unklar war, wie sich Russland im Falle möglicher Gefechte zwischen syrischen und türkischen Truppen verhalten würde. Moskau hatte zwischen dem Regime und den Kurden vermittelt, steht aber auch im Kontakt mit Ankara.

Syrische Soldaten rückten laut Staatsmedien in Manbidsch ein und in Tel Tamer, das nur 30 Kilometer von der türkischen Grenze und dem in den vergangenen Tagen heftig umkämpften Ort Ras al-Ain entfernt liegt. Auch in den Städten al-Hassakah und Qamischlo, in denen die Armee bereits präsent war, traf Verstärkung ein.

Die Rückkehr des Regimes in die Kurdengebiete ist wohl der bedeutendste Wendepunkt im syrischen Bürgerkrieg seit dem Fall der Rebellen-Hochburg Aleppo im Dezember 2016. Die Kurden heben zwar hervor, dass es sich um eine Notmaßnahme handele und die Einigung nur eine begrenzte militärische Kooperation vorsieht. Über den politischen Status der Kurden und die Zukunft der Selbstverwaltung in Nordsyrien müsse erst noch verhandelt werden. Dennoch dürfte Assad nach dem vollständigen Rückzug der US-Truppen aus Nordsyrien seinem Ziel entscheidend näherkommen, auch die bislang von den Kurden gehaltenen Gebiete wieder unter seine Kontrolle zu bringen, etwa ein Drittel des syrischen Territoriums. Das Regime hatte sich 2012 aus dem Norden zurückgezogen, um sich auf andere Fronten in dem Bürgerkrieg zu konzentrieren.

Die türkischen Angriffe und Gefechte mit kurdischen Einheiten haben laut den Vereinten Nationen 130 000 Menschen aus den Gebieten um die umkämpften Grenzstädte Tel Abjad und Ras al-Ain in die Flucht getrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan kündigte an, ungeachtet der scharfen internationalen Kritik und des Vorrückens der syrischen Armee die Militäroperation wie geplant fortzusetzen. Die Regierungen der Europäischen Union verständigten sich am Montag darauf, ihre Waffenexporte in die Türkei zu begrenzen. Ein EU-weites formelles Waffenembargo wird es allerdings zunächst nicht geben und auch keine Sanktionen.

In Deutschland mehren sich die Stimmen, alle Lieferungen auszusetzen und nicht nur keine neuen Exportgenehmigungen zu erteilen. Entsprechend äußerte sich der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen, in der Rheinischen Post. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich hatte den Genehmigungsstopp als "ersten wichtigen Schritt" bezeichnet, forderte aber weitergehende Maßnahmen, auf die auch die Opposition dringt.

Nach dem in den USA der Kongress bereits an Sanktionen gegen die Türkei arbeitete, hat Präsident Donald Trump am Montag selbst Sanktionen angekündigt. Unter anderem sollen Strafzölle auf türkische Stahlimporte wieder auf 50 Prozent erhöht und Gespräche über ein Handelsabkommen ausgesetzt werden. Der republikanische Senator Lindsey Graham hatte zuvor in Bezug auf Erdoğan gesagt, "wir werden seine Wirtschaft brechen, bis er das Blutvergießen beendet". Trump hatte nach einem Telefonat mit Erdoğan den Abzug der US-Soldaten von Beobachtungsposten an der syrisch-türkischen Grenze befohlen. Ankara wertete dies als Billigung der vorbereiteten Offensive. Dafür wurde Trump parteiübergreifend kritisiert.

© SZ vom 15.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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