Ende der Waffenruhe:Tote bei Angriff auf Hilfskonvoi des Roten Kreuzes in Syrien

Ende der Waffenruhe: Straßenszene in einem von Rebellen kontrollierten Viertel von Aleppo am 18. September 2016.

Straßenszene in einem von Rebellen kontrollierten Viertel von Aleppo am 18. September 2016.

(Foto: AFP)
  • Die syrische Armee hat die Waffenruhe in dem Bürgerkriegsland für beendet erklärt.
  • Wenig später kam es nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zu schweren Luftangriffen auf die umkämpfte Stadt Aleppo, bei denen mehr als 30 Menschen starben.
  • Die Vereinten Nationen bestätigen, dass auch ein Hilfsgüter-Konvoi des Roten Kreuzes bombardiert worden sei.

Von Paul-Anton Krüger und Mike Szymanski, Kairo

Sieben Tage waren die Frist, die sich US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow gesetzt hatten. Würden die Waffen so lange schweigen in Syrien, so hatten sie vereinbart, würden die Streitkräfte der beiden Mächte gemeinsam gegen die als Terrorgruppe eingestufte Nachfolge-Organisation der Nusra-Front und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kämpfen. Mit Sonnenuntergang am Montag waren die sieben Tage abgelaufen. Am Abend erklärte die syrische Armee, das "Regime der Ruhe" sei beendet, Rebellenkommandeure bezeichneten die Waffenruhe als "klinisch tot".

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete am Montag von schweren Luftangriffen, die von syrischen Regierungstruppen oder ihren russischen Verbündeten geflogen würden. Dabei seien mindestens 32 Menschen getötet worden, hieß es. Auch ein Hilfstransport sei im Ort Orem al-Kubra nahe der belagerten Stadt Aleppo beschossen worden. Dabei starben demnach zwölf Fahrer und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen.

Ein Sprecher der Vereinten Nationen bestätigte der BBC den Angriff. Jan Egeland, der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe, teilte mit, dass die mit Hilfsgütern beladenen Lastwagen zum Syrischen Roten Kreuz gehört hätten. "Es ist empörend, dass sie getroffen wurden, während sie an Lagerhäusern entladen wurden", sagte Egeland der Agentur AP.

Die USA hatten zuvor syrische Armee-Einheiten bombardiert

Sie war seit Tagen brüchig, die unter dem Abkommen vereinbarten UN-Hilfslieferungen kamen nie an. Erschwert wird die Lage noch durch den Luftangriff der von den USA geführten Anti-IS-Koalition auf syrische Armee-Einheiten. Das Schicksal des Abkommens aber ist vorerst offen. Kerry machte bei der UN-Generalversammlung in New York klar, dass er es noch nicht aufgibt: Er erwarte, dass Hilfskonvois acht Orte in dem Bürgerkriegsland erreichen würden, sagte er. Die UN meldeten, drei Transporte seien auf dem Weg, keiner aber nach Aleppo. Dann fügte er hinzu, der "grundlegende Waffenstillstand" halte, eine diplomatisch nützliche Dehnung der Wirklichkeit, die eine Tür für Verhandlungen offenhalten soll.

Nachdem Syrien die Feuerpause kündigte, ließ Kerry nur erklären, die USA hätten ein Abkommen mit Russland. Die Bedingungen für eine Militärkooperation seinen nicht erfüllt, aber es gebe die Möglichkeit die Feuerpause zu verlängern. Jetzt sei es an Moskau, seine Position klarzustellen. Lawrow und andere Außenminister sind ebenfalls in New York; für Dienstag waren Beratungen anberaumt.

Lawrow selbst hat sich bisher nicht geäußert, in Moskau aber verschärfte der Generalstab den Ton, offenbar in Kenntnis, dass das Regime Baschar al-Assads die Waffenruhe kündigen würde: Die USA hätten keine Daten geliefert, wo von ihnen kontrollierte Rebellen stünden. Diese trennten sich zudem nicht von der Nusra-Front. Stattdessen rückten die Milizen enger zusammen und bereiteten Angriffe vor - da ergebe es keinen Sinn für die Regierungsarmee, sich an die Waffenruhe zu halten, sagte General Sergej Rudskoj. Seinem Eindruck nach behinderten die USA Hilfslieferungen, um dann Russland und Syrien dafür verantwortlich zu machen.

Russlands Poltern kann Taktik sein - oder das Aus

Das Poltern kann Taktik sein - oder das Aus für das Abkommen. Deutschland hingegen sieht wie die USA Moskau in der Pflicht: Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, Hilfslieferungen stünden bereit. Sie würden aber vom Assad-Regime behindert. Russland müsse auf das Regime einwirken, damit die Transporte durchkämen, sagte Seibert. Das sei der Testfall, ob Assad die Waffenruhe nur als taktisches Manöver nutze oder ob sie ein Schritt sein könne zu Friedensgesprächen.

Die Türkei plant, mit ihren Truppen weitere Gebiete in Syrien vom IS zu befreien und dort eine Schutzzone einzurichten. Präsident Recep Tayyip Erdoğan kündigte an, die Militäroperation "Schutzschild Euphrat" auf die 30 Kilometer von der Grenze entfernte Stadt Al-Bab auszudehnen. Die Offensive werde andauern, bis von dem Gebiet keine Bedrohung mehr für die Türkei ausgehe. Auf diese Weise will Erdoğan faktisch die lange von ihm geforderte Sicherheitszone jenseits der türkischen Grenze umsetzen.

Ihm schwebt ein 5000 Quadratkilometer großes Areal vor, in dem Bürgerkriegsflüchtlinge Zuflucht finden sollen. Zugleich will er damit verhindern, dass Syriens Kurden ein zusammenhängendes Gebiet jenseits der Grenze unter ihre Kontrolle bringen.

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