Nordsyrien:Eine internationale Sicherheitszone kann es nur mit Moskau geben

Debatte über internationale Sicherheitszone in Nordsyrien

Syrische Rebellen, die auf der Seite der Türkei kämpfen, in der Grenzstadt Tal Abyad.

(Foto: RUETERS)
  • Der Vorstoß von Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer für eine internationale Sicherheitszone in Nordsyriens ist nur unter erheblichem Aufwand zu stemmen.
  • Die militärischen Anforderungen richten sich maßgeblich nach dem Mandat der Mission - das müsste genau bestimmt werden.
  • Ein solcher Einsatz bräuchte ein UN-Mandat - und damit die Zustimmung Russlands. Wahrscheinlich ist diese nicht, wenn auch denkbar unter bestimmten Bedingungen.

Von Paul-Anton Krüger

James Jeffrey ist bestens vertraut mit der deutschen Geschichte und den Debatten über Auslandseinsätze der Bundeswehr. Der US-Sondergesandte für den Kampf gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) und seit August auch für Syrien war früh in seiner Diplomatenkarriere auf Posten in München, er ist mit einer Deutschen verheiratet, spricht die Sprache fließend. Sein Sohn hat in der Bundeswehr gedient.

Als er Anfang Juli Berlin besuchte, lobte er Deutschlands "tatkräftige Rolle als Partner im politischen Prozess und auch als Verbündeter im Kampf gegen den 'Islamischen Staat' im Nordosten Syriens". Für sein Ansinnen aber, die Regierung möge Bundeswehrsoldaten schicken, die einen Teil der US-Truppen dort hätten ersetzen sollen, holte er sich eine Absage.

Es ist müßig, ob man das in Berlin heute als vergebene Chance bedauert oder froh ist, nicht mitgemacht zu haben - die Franzosen und die Briten, die zusätzliche Soldaten entsandten, müssen diese gerade im Gefolge der USA aus Syrien abziehen.

Sicher aber ist: Mit ein paar Logistikern, Ausbildern und Pionieren, die Jeffrey anfragte, ist der Vorstoß von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) für eine internationale Sicherheitszone im Norden Syriens kaum zu stemmen. Die politischen, militärischen und rechtlichen Voraussetzungen eines solchen Vorhabens sind heute ungleich komplizierter - und die Erfolgsaussichten schlechter nach dem Abzugsbefehl von US-Präsident Donald Trump und dem Deal von Sotschi, den der russische Präsident Wladimir Putin Dienstagabend mit seinem türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdoğan schloss.

Die militärischen Anforderungen richten sich maßgeblich nach dem Mandat der Mission - ist eine Schutztruppe am Boden gemeint oder nur eine Flugverbotszone? Sollen die Truppen mit einem robusten Mandat ausgestattet sein, das Kampfeinsätze gegen andere Konfliktparteien beinhaltet? Sollen sie mit militärischen Mitteln Gefechte unterbinden und die von den Kämpfen ausgelösten Vertreibungen? Oder sich beschränken auf die Rolle von Beobachtern, die eine Waffenruhe überwachen? Das ließ Kramp-Karrenbauer offen.

Der CDU-Außen- und Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter, Ex-Generalstabsoffizier mit Einsatzerfahrung in Afghanistan und auf dem Balkan, spricht von 30 000 bis 40 000 Soldaten - und davon, dass ein UN-Mandat erforderlich sei. Das würde jedoch voraussetzen, dass Russland im UN-Sicherheitsrat kein Veto einlegt, unabhängig davon, welche völkerrechtliche Grundlage herangezogen wird. Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow nannte den Vorstoß "eine neue Idee", die man "prüfen" wolle - immerhin keine brüske Absage. Eine Idee allerdings, die schwer in Einklang zu bringen ist mit Moskaus Forderung, alle ausländischen Truppen müssten aus Syrien abgezogen werden, sofern sie nicht auf Einladung des Regimes von Präsident Baschar al-Assad im Land sind - wie die russischen und iranischen Einheiten.

Den Einsatz der von den USA geführten internationalen Militärkoalition gegen den IS, an den Kramp-Karrenbauer anknüpfen will, hat Moskau zwar weitgehend hingenommen. Der Kreml geißelte die Intervention offiziell aber als unvereinbar mit internationalem Recht, auch wenn die USA sich auf das Recht auf Selbstverteidigung und die Verteidigung des Irak beriefen.

Assads erklärtes Ziel ist es, "jeden Quadratzentimeter" des syrischen Territoriums wieder unter seine Kontrolle zu bekommen. Dem ist er gerade entscheidend näher gekommen, nachdem die Kurden die syrische Armee gegen die Türkei zu Hilfe gerufen haben. Offen ist, ob Russland sich auf einen Deal zu Lasten Assads einlassen würde, wenn der Preis stimmt - und Europa, wie von Moskau verlangt, sich am Wiederaufbau Syriens beteiligt; Kramp-Karrenbauer hat dies zumindest für die eventuelle Sicherheitszone angedeutet.

Die Zustimmung Russlands wäre denkbar - unter bestimmten Bedingungen

Wahrscheinlich erscheint eine Zustimmung des Kreml nicht - gerade nach der Einigung zwischen Putin und Erdoğan. Denkbar wäre sie, wenn die Sicherheitszone Teil einer umfassenden politischen Lösung des Syrienkonflikts unter Ägide der UN wird. Moskau strebt das letztlich an - jedoch zu seinen Konditionen, und auf die wollte sich die EU bislang nicht einlassen. Denn das liefe auf eine indirekte Anerkennung des Assad-Regimes hinaus. Die Verteidigungsministerin erwähnte zumindest den von Moskau initiierten Verfassungsprozess. Eine Intervention auf Grundlage des Prinzips der Schutzverantwortung, wie in Libyen, bedürfte ebenfalls einer Billigung durch den UN-Sicherheitsrat. Sie würde zudem unweigerlich die Frage aufwerfen, warum Idlib nicht einbezogen wird, die letzte Hochburg von Assads Gegnern, die von der syrischen Armee und russischen Kampfjets zuletzt heftig attackiert wurde. Auch ist in diesem Kontext ein "Zusammenwirken" mit Russland und der Türkei schwierig, wie es Kramp-Karrenbauer vorschwebt - beiden wird vorgeworfen, in Syrien Zivilisten zu bombardieren.

Sollte ein UN-Mandat zustande kommen, das von Russland mitgetragen wird, vom Assad-Regime, der Türkei und nicht zuletzt von Iran, neben Russland Assads zweite Schutzmacht, könnte sich eine Sicherheitszone auch mit weniger Truppen umsetzen lassen als von Kiesewetter genannt.

Die Ironie an Trumps Rückzugsentscheidung ist, dass die USA wohl nirgends sonst auf der Welt mit derart geringem militärischen Aufwand derart große politische Wirkung erzielt haben. Gerade einmal noch 1000 US-Soldaten waren in Nordsyrien stationiert. Militärisch hätten sie eine Invasion der türkischen Armee nicht stoppen können. Entscheidend war das politische Signal, das Trump dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan gab.

Anderenfalls ist schon die Logistik kaum zu bewerkstelligen, vor allem nicht ohne Hilfe der USA. Die Truppen müssten wohl über den Irak nach Syrien gelangen. Die Regierung in Bagdad, eng mit Iran verbunden, hat den USA bedeutet, dass ihre aus Syrien abziehenden Soldaten nicht im Irak bleiben können, wie Verteidigungsminister Mark Esper es geplant hatte.

Eine Veränderung der Bevölkerungszusammensetzung hätte politische Folgen

Auch würden im Ernstfall europäische Nato-Staaten gegen den Nato-Verbündeten Türkei stehen, gegen Russland und die syrische Armee - an der Seite des syrischen Ablegers der PKK. Sich die Ziele Erdoğans zu eigen machen können die Europäer aber auch nicht. Zwar hat der in Sotschi die Idee einer Besatzung aufgegeben, aber er will weiterhin zwei Millionen syrische Flüchtlinge im Grenzgebiet ansiedeln. Diese stammen aber überwiegend aus anderen Gebieten Syriens.

Eine Sorge angesichts der türkischen Invasion ist die vor ethnischen Vertreibungen. Schon jetzt sind laut den UN 175 000 Menschen auf der Flucht; die mit der Türkei verbündeten Milizen der Syrischen Nationalarmee, überwiegend islamistische und teils auch dschihadistische Milizen, haben großen Anteil daran. Auch ihnen werden Kriegsverbrechen vorgeworfen.

Kramp-Karrenbauer redet von der freiwilligen Ansiedlung von Flüchtlingen. Damit kann aber trotzdem eine erzwungene Veränderung der Zusammensetzung der Bevölkerung einhergehen, die politisch Folgen hätte. Auch das können Nato und EU nicht befördern.

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Annegret Kramp-Karrenbauer

Leserdiskussion
:Syrien: Wie bewerten Sie den Vorstoß von Kramp-Karrenbauer?

Die Verteidigungsministerin fordert eine international kontrollierte Sicherheitszone im syrischen Grenzgebiet. Dieser Vorschlag hat das Potenzial, die deutsche Außenpolitik grundlegend zu verändern - oder die Karriere von Kramp-Karrenbauer zu beenden, kommentiert SZ-Autor Nico Fried.

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