Syrien:Mehr Opfer und ein Wettrüsten - was Russland in Syrien anrichtet

Syrien: Am 22. Oktober hebt ein russischer Su-24-Jagdbomber von einem syrischen Luftwaffenstützpunkt zu einem Nachteinsatz ab.

Am 22. Oktober hebt ein russischer Su-24-Jagdbomber von einem syrischen Luftwaffenstützpunkt zu einem Nachteinsatz ab.

(Foto: AP)
  • Russland wird vorgeworfen, bei seinen Luftschlägen in Syrien gebe es immer wieder zivile Opfer, zerstört würden sogar Krankenhäuser.
  • Der Kreml bezeichnet dies als feindliche Propaganda.
  • Um das russische Engagement geht es auch heute bei der Syrien-Konferenz in Wien.

Von Benedikt Peters

Zivile Opfer bei Luftschlägen

Für den russischen General Andrej Kartapolow ist die Sache klar. "Seit Russland Bomben auf Terroristen wirft, können die Kinder in Syrien wieder lächeln", sagte er vor kurzem der Zeitung Komsomolskaja Prawda. Es war der Versuch, das russische Militärengagement vor der eigenen Bevölkerung zu rechtfertigen - mit der Realität hat der Satz des Generals aber wenig zu tun.

Um den russischen Einsatz geht es auch auf der Syrien-Konferenz, die heute in Wien stattfindet. Seit einem Monat fliegt Putins Luftwaffe Angriffe in dem Bürgerkriegsland. Dem Verteidigungsministerium zufolge gab es mehr als 900 Einsätze, mehr als 800 "Ziele" seien zerstört worden. Was und wer genau diese Ziele sind, darüber aber herrscht Uneinigkeit.

Während die Russen versichern, es ginge um Stellungen des Islamischen Staates und anderer terroristischer Gruppierungen, erheben westliche Staaten und Menschenrechtsorganisationen schwerwiegende Vorwürfe. Demnach seien auch gemäßigte Gruppen Ziel der russischen Angriffe. Außerdem töte das russische Militär Zivilisten, Bomben fielen gar auf Krankenhäuser.

Klar ist, dass Russland zu Beginn der Offensive nicht die ganze Wahrheit gesagt hat. Ende September teilte das Verteidigungsministerium mit, Ziel sei die Extremisten-Miliz Islamischer Staat. Erst später räumte ein Kremlsprecher ein, die Angriffe gälten auch "anderen Gruppen". Es gebe eine Liste mit Organisationen, die bekämpft werden sollen. Welche Organisationen auf ihr stehen, sagte er nicht. Bisher trafen 80 Prozent der russischen Luftschläge Gebiete, in denen der IS nicht vertreten ist.

Der Kreml dementiert

Heftig dementiert der Kreml aber Tötungen von Zivilisten. Das seien "Informationsangriffe" sagte Präsident Wladimir Putin, nachdem Anfang Oktober erste Berichte von sieben zivilen Opfern bei Idlib aufgetaucht waren. Der britische Verteidigungsminister Michael Fallon sagte kurz darauf, es gebe Hinweise, dass russische Munition gegen Zivilisten und Aufständische eingesetzt werde. Auch das nannte Putin "feindliche Propaganda."

Doch derartige Meldungen mehren sich. Am 15. Oktober gab es der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zufolge bei Luftschlägen in der Nähe der Stadt Homs 59 zivile Opfer, darunter mindestens 32 Kinder. Anwohner sagten, es habe sich um russische Flugzeuge gehandelt. Offenbar fallen russische Bomben auch auf Krankenhäuser und Arztpraxen. Die Organisation Ärzte ohne Grenzen teilte mit, seit Beginn der russischen Offensive vor einem Monat seien zwölf Kliniken aus der Luft angegriffen worden, 35 syrische Patienten und Mitarbeiter dabei gestorben. Gelegen seien die Kliniken in den Provinzen Aleppo, Idlib und Hama, dort also, wo die russische und die syrische Armee Angriffe fliegen.

Die Kämpfe werden heftiger

In den drei Regionen wurden seit Anfang Oktober nach Zahlen der UN 120 000 Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Wegen der Kämpfe könnten sie aber nicht aus den Gebieten fliehen.

Die Kämpfe zwischen den regimetreuen, von Russland unterstützten Kräften und den Rebellen sind im vergangenen Monat stärker geworden. Es scheint, als habe das russische Engagement eine Art Wettrüsten ausgelöst: Kommandeure der Rebellen berichten, dass sie seitdem von ihren Unterstützern, den sunnitischen Golfstaaten, "freigiebige Lieferungen" moderner amerikanischer Panzerabwehrrakten erhalten hätten. Auch Iran hat sein militärisches Engagement an der Seite des Assad-Regimes offenbar nochmals ausgeweitet.

Insgesamt flohen seit Beginn des Bürgerkriegs nach UN-Angaben vier Millionen Menschen aus Syrien, weitere sieben Millionen wurden innerhalb der syrischen Grenzen vertrieben. Mehr als 250 000 Menschen kamen ums Leben. Mehrere Experten wie Politiker sagten, eine schnelle Lösung des Konflikts sei aussichtslos. Derzeit wirkt es nicht so, als würde das russische Engagement daran etwas ändern.

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