Syrien:Kurdische Milizen setzen Kampf gegen IS aus

Syrien-Krieg: Türkische Soldaten nahe der syrischen Grenze

Türkische Soldaten stehen nahe der syrischen Grenze auf Panzern. Angesichts der türkischen Offensive im Nordosten Syriens haben die von Kurden den Kampf gegen den IS ausgesetzt.

(Foto: dpa)
  • Die Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) pausieren den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS).
  • Der Schritt ist eine Reaktion auf den Einmarsch der Türkei in Nordsyrien.
  • In einer Regierungserklärung deutete Angela Merkel an, dass man nun vorerst gar keine Waffen mehr an die Türkei liefern wolle.
  • Eine US-Delegation in Ankara konnte bisher keinen Waffenstillstand zwischen der Türkei und den kurdischen Milizen erwirken.

Die von den Kurden angeführten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) haben den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ausgesetzt. "Wir haben in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass der Kampf gegen den IS im Fall eines Angriffs des türkischen Staates für uns zur Nebensache wird", zitierte die kurdische Nachrichtenagentur Firat den Kommandeur der SDF, Maslum Abdi. "Dieser Fall ist nun eingetreten (...) Wir haben all unsere Aktivitäten gegen den IS eingefroren", sagte Abdi dem kurdischen Fernsehsender Ronahi am späten Mittwochabend.

Die Türkei hatte den Militäreinsatz gegen die Kämpfer der kurdischen YPG-Miliz in Nordsyrien vor etwa einer Woche begonnen. Die YPG kontrolliert dort ein großes Gebiet. Die Türkei betrachtet sie als Terrororganisation. Erdoğan hat zudem in einem Gespräch mit türkischen Journalisten gesagt, dass ein Waffenstillstand nicht infrage komme, solange das von ihm ausgerufene Ziel nicht erreicht sei: Die Türkei will entlang der syrisch-türkischen Grenze eine sogenannte Sicherheitszone einrichten und die Kurdenmilizen daraus vertreiben.

Der IS habe sich nun an vielen Orten neu organisiert, warnte Abdi. Etwa 12 000 IS-Mitglieder und ihre Angehörigen befänden sich noch in der Region. Auch die von den USA angeführte Anti-IS-Koalition schätzte die Zahl der IS-Angehörigen in Syrien und im Irak im Juni noch auf 14 000 bis 18 000 Personen.

Die Bundesregierung will unter den "jetzigen Bedingungen" keine Waffen mehr an die Türkei liefern

Auf neue Risiken hinsichtlich des IS in der Region und in Europa verwies am Donnerstag auch Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Regierungserklärung im Bundestag. Sie kritisierte, dass die türkische Offensive die bisherigen Erfolge im Kampf gegen den IS, die wesentlich durch die Kurden möglich geworden seien, zunichte machen könnte. Sie rief die Türkei erneut dazu auf, den Militäreinsatz zu stoppen. Die Militäroperation gegen die Kurdenmiliz YPG sei "ein humanitäres Drama mit großen geopolitischen Folgen". Sie fügte hinzu: "Und deshalb wird die Bundesregierung unter den jetzigen Bedingungen auch keine Waffen an die Türkei liefern."

Bisher hatte die Bundesregierung lediglich angekündigt, dass keine Exporte mehr von Waffen genehmigt werden, die in dem Konflikt eingesetzt werden können. Wenn man Merkel beim Wort nimmt, erteilt die Bundesregierung jetzt gar keine Liefergenehmigungen mehr für die Türkei, egal um welche Waffen es sich handelt. Außerdem könnte die Aussage bedeuten, dass auch die Ausführung bereits genehmigter Geschäfte gestoppt wurde. Das wäre ein kompletter Exportstopp, wie er für Saudi-Arabien bereits besteht und wie Teile der Opposition ihn seit Tagen fordern. Dafür gab es aber zunächst keine Bestätigung.

Weit dürfte die US-Delegation mit ihren Bemühungen um einen Waffenstillstand vorerst nicht kommen

Auch die USA ringen um diplomatische Lösungen mit der Türkei. Vizepräsident Mike Pence und Außenminister Mike Pompeo wollten am Donnerstag in Gesprächen zwischen der Türkei und den Kurdenmilizen in Nordsyrien vermitteln. Die USA hatten in dieser Woche einen Waffenstillstand verlangt. Weit dürfte die Delegation damit am Donnerstag aber nicht kommen. Zum einen hat sie schon vor Antritt viel an Glaubwürdigkeit eingebüßt. US-Präsident Donald Trump hatte die türkische Offensive erst möglich gemacht, indem er aus dem betroffenen Grenzgebiet US-Soldaten abzog.

Seitdem bewegen sich seine Stellungnahmen zwischen krassen Drohungen gegen die Wirtschaft der Türkei und relativierenden Stellungnahmen wie einer vom Mittwoch, wonach der Konflikt sowieso nicht das Problem der USA sei. Dazu dürfte auch ein in sozialen Medien verspotteter Brief des US-Präsidenten an Erdoğan beigetragen haben, der am Mittwoch in den USA ans Licht kam.

Erdoğan hat mehrfach gedroht, Millionen syrische Flüchtlinge in seinem Land nicht mehr zu halten. Damit würde er den Flüchtlingspakt mit der EU aufkündigen. Am kommenden Dienstag soll Erdoğan in der Schwarzmeer-Stadt Sotschi den russischen Präsidenten Wladimir Putin treffen. Die russische Außenministeriumssprecherin Maria Sacharowa sagte am Donnerstag, Stabilität und Sicherheit könne es nur geben, wenn die syrische Regierung die Kontrolle übernehme - auch an der Grenze zur Türkei. Moskau unterstützt das syrische Militär.

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