Weit hinten in der braunen Ebene schimmert das Blau des Sees, dahinter ist schemenhaft die Stadt zu erkennen. "Das ist Homs, da ist der Krieg", sagt einer der Flüchtlinge und wendet sich ab von der leeren Fensterhöhle. In seinem Rücken hört er Detonationen: "Und das ist Al Kusair, die Stadt, aus der wir kommen." Al Kusair ist nur wenige Kilometer von dem Rohbau entfernt, in dem Mashour und seine zehnköpfige Familie Unterschupf gefunden haben.
Auf die nächtliche Flucht ins Nachbarland Libanon, quer durch das verminte Grenzgebiet und angewiesen auf die Gnade bestochener syrischer Grenzsoldaten, folgt nun ein Leben im zugigen Rohbau. Auf dem Boden dünne Matratzen, in den Fenstern nicht einmal Plastikfolien gegen Wind und Regen. Eines der Zwillingsbabys ist bereits gestorben, das andere ist krank, Geld für Ärzte hat die Familie keines.
Eine syrische Flüchtlingsfamilie in Nordlibanon. Der Vater fürchtet, seinen richtigen Namen zu nennen, er ist aus der Armee von Präsident Baschar al-Assad desertiert, zwei Monate vor der Pensionierung: "Ich wollte nicht auf meine eigenen Leute schießen", sagt der Unteroffizier. Sicher ist die Familie in dem Weiler nahe dem libanesischen Grenzdorf Akrun nicht. Im libanesischen Grenzgebiet halten sich auch syrische Deserteure und Kämpfer der regimefeindlichen Freien Syrischen Armee (FSA) auf. Die Flüchtlingsfamilien in den sunnitischen Dörfern rund um Akrun müssen deswegen mit Angriffen der Assad-Armee rechnen, über die Grenze hinweg.
Auch Agenten Assads sollen unterwegs sein: Mehrmals schon wurden oppositionelle Syrer in Libanon entführt, zurück nach Damaskus gebracht. Der libanesische Staat, vertreten durch seine winzige Armee, hat wenig zu sagen.
Stattdessen sind da Assads libanesische Handlanger. Wenige Kilometer vom Sunniten-Dorf Akrun entfernt, rund um den Berg Hermel, liegen schiitische Dörfer. "Das ist alles Sperrgebiet für uns Sunniten, tiefstes Hisbollah-Land", sagt der libanesische Sunnit Abu Mahmud. Der Ex-Offizier der libanesischen Armee kümmert sich um die sunnitischen Glaubensbrüder aus Syrien, sammelt Spenden für Essen und Decken, hat ihnen eine Unterkunft organisiert. "Die Hisbollah schießt von libanesischem Territorium regelmäßig nach Al Kusair in Syrien", sagt er. "Mit Grad-Raketenwerfern." Immer, wenn es bei den Kämpfen eng werde für Assads Soldaten, "fängt der Beschuss über die Grenze hinweg an".
Zudem schicke Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah Kämpfer nach Syrien, vor allem in die Grenzstadt Al Kusair. "Sie nehmen ihre Toten und Verletzten stets mit zurück nach Libanon. Das passiert fast täglich."
Gerüchte über Hisbollah-Kämpfer an der Seite der Assad-Armee gibt es schon lange. Ebenso sollen Milizionäre der iranischen Revolutionsgarden in Syrien im Einsatz sein. Jetzt aber hat die Hisbollah selbst eingeräumt, dass sie im syrischen Bürgerkrieg für das Assad-Regime kämpft. Zumindest indirekt: Die in Libanon mit in der Regierung sitzende Schiitenpartei bestätigte, dass Muhamed Nassif, ein hochrangiger Kommandeur der zur Partei gehörenden Hisbollah-Miliz, "als Märtyrer im Heiligen Krieg" umgekommen sei.
Da es entlang der Grenze zu Israel ruhig ist, kann der Kommandeur nur bei den Kämpfen in Syrien getötet worden sein. Das libanesische Oppositionsbündnis "14. März" - als Sunnitengruppe ein Hisbollah-Gegner - teilte unter Berufung auf die Freie Syrische Armee zudem mit, Nasrallahs Kommandeur sei bei Al Kusair in einem Hinterhalt der FSA erschossen worden.
Dass die Miliz in Südlibanon für die Sache der großteils muslimischen Palästinenser gegen Israel kämpft, hat ihr den Respekt aller Libanesen eingetragen. Doch seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs ist das Bild von den "Helden des Widerstands" getrübt: Nasrallahs Kämpfer töten sunnitische Muslime, um das Assad-Regime zu retten.