Syrien-Konflikt weitet sich aus:Giftiger Gruß an die Nachbarn

Das Chaos in Syrien steigt mit jedem Tag, schon bald könnte es sich zum Nahostkrieg ausweiten. Denn Israel will die syrische Giftgasküche militärisch ausschalten, der Westen heizt den Anti-Assad-Aufstand wohl auch mit Waffen an. Doch klar ist: Iran wird den Sturz seines wichtigsten Verbündeten notfalls mit Gewalt zu verhindern versuchen.

Tomas Avenarius

Der Bürgerkrieg in Syrien könnte sich zu einem Regionalkonflikt ausweiten. Das ist mehr als eine Binsenweisheit, denn spätestens ein Sturz von Präsident Baschar al-Assad könnte das Chaos im Land derart steigern, dass die Nachbarstaaten geradezu zum Eingreifen gezwungen werden.

Syrien-Konflikt weitet sich aus: Dieses Bild soll von einem Bürgerjournalisten in der Rebellenhochburg Homs aufgenommen worden sein. Zur Verfügung gestellt wurde es vom "Shaam News Network". Es soll laut Bildbeschreibung der Agentur dapd den Einschlag einer Rakete zeigen, abgefeuert von einem Hubschrauber des Regimes.

Dieses Bild soll von einem Bürgerjournalisten in der Rebellenhochburg Homs aufgenommen worden sein. Zur Verfügung gestellt wurde es vom "Shaam News Network". Es soll laut Bildbeschreibung der Agentur dapd den Einschlag einer Rakete zeigen, abgefeuert von einem Hubschrauber des Regimes.

(Foto: AP)

Bereits jetzt ist die Anspannung enorm: Ein türkischer Kampfjet stürzt ins Mittelmeer, abgeschossen angeblich von Assads Luftabwehr. Syrische Rebellen stürmen Zollstationen an der türkischen Grenze und plündern Lastwagen. An der irakischen Landesgrenze werden Posten überrannt, die Rebellenflagge weht auf Wachtürmen, Elite-Einheiten werden aus Bagdad ins Krisengebiet verlegt.

Es kommt noch schlimmer: Die Israelis sorgen sich um Assads Arsenal an Chemiewaffen, eines der größten weltweit. Der Diktator könnte die Giftkanister als letztes Mittel einsetzen, gegen das eigene Volk. Oder gegen Israel, um Druck nach außen abzuleiten. Schon droht Assad unverhohlen: Im Falle einer "ausländischen Aggression" werde er sein Gas verschießen.

Andere Szenarien sind ebenso verstörend: Ein Teil der mit Sarin, Tabun, Senfgas und anderen Kampfstoffen gefüllten Artilleriegranaten und Raketensprengköpfe könnten in falsche Hände fallen. Eine Chemiebombe in der Hand einer palästinensischen Dschihadi-Splittergruppe? Gefährlicher ist da noch die Hisbollah: Im Arsenal der libanesischen Schiitenmiliz stehen Raketen und Geschütze. Mit denen können die Gaskanister auf Israels Städte abgeschossen werden.

Gefährliche Variablen in diesem Bürgerkrieg

Israels Regierung überlegt, die Giftgasküchen militärisch auszuschalten. Wie das gehen soll, sagt sie nicht. Dass es angesichts der Größe der Bestände fast unmöglich ist, weiß jeder. Schon der Versuch wäre ein kriegerischer Akt. Und damit vielleicht der Beginn eines Nahostkriegs. Denn in Syrien wird auch Irans Schicksal mitentschieden.

Die Al-Quds-Truppen, die Terror-Prätorianer der Revolutionsgarden, sind im Land. Ein hoher Revolutionsgardist hat dies gesagt, das Interview verschwand blitzschnell wieder aus dem Internet. Klarer hätte Teheran nicht zeigen können, dass es bereit ist, den Sturz seines wichtigsten Verbündeten notfalls mit Gewalt zu verhindern. Syrische Rebellen sagen seit Monaten, das Quds-Kämpfer und Hisbollah-Milizionäre Assads Truppen unterstützen.

Israel und Iran sind gefährliche Variablen in diesem Bürgerkrieg. Für Israel sind Syriens Chemiewaffen derzeit gefährlicher als die noch nicht zu Ende gezeichneten Pläne für eine iranische Atombombe. Iran fühlt sich ebenfalls bedroht. Hand in Hand mit den sunnitischen Araberstaaten heizt der Westen den Anti-Assad-Aufstand an, mit Geld und wohl auch mit Waffen.

Die politisch-militärische Brücke zwischen der Islamischen Republik und Syrien samt dem libanesischen Ausleger Hisbollah soll zum Einsturz gebracht werden. So will man Iran eindämmen - auch die nuklearen Ambitionen. Gleichgültig, ob da in Syrien Könner oder Dilettanten jonglieren: Es sind zu viele Bälle in der Luft. Wirklich auffangen kann man sie nicht mehr.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: