Syrien-Konflikt:Kämpfe erschüttern Zentrum von Damaskus

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Operation "Erdbeben" heißt die Offensive, mit der die syrische Opposition das Assad-Regime stürzen will. Am dritten Tag der Kämpfe erreicht die Gewalt das Zentrum von Damaskus. Für den UN-Sondergesandten Kofi Annan ist ein "Schlüsselmoment" gekommen.

Im Kampf um die syrische Hauptstadt Damaskus haben die Rebellen die Operation "Erdbeben" gegen die Führung von Präsident Baschar al-Assad ausgerufen. Die Kommandozentrale der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA) in Homs rief zu Angriffen auf alle Sitze der Sicherheitskräfte auf. Anhänger im ganzen Land sollen mobilisiert werden, um das Regime nach 15 Monaten Kampf zu bezwingen. "Der Kampf um Damaskus beginnt", sagte Abdulhameed Zakaria, desertierter Oberst der syrischen Armee, dem Nachrichtensender CNN, während die schweren Kämpfe in der syrischen Hauptstadt am dritten Tag in Folge anhalten.

Die Offensive sei der "erste strategische Schritt" zum zivilen Ungehorsam in ganz Syrien, erklärte die FSA. Ein Aktivist bezeichnete die Entwicklung als "Wendepunkt" in dem seit März 2011 andauernden Aufstand gegen Assad. Auf Internetvideos war zu sehen, wie Kämpfer hinter Barrikaden Panzerabwehrraketen abfeuerten. Viele Menschen flohen aus den umkämpften Vierteln der Hauptstadt

Vor dem Hintergrund der Kämpfe sowie verhärteter diplomatischer Fronten sieht der UN-Sondergesandte Kofi Annan den Konflikt in einer entscheidenden Phase. "Wir stehen jetzt an einer Kreuzung, einem Scheideweg, dies ist ein Schlüsselmoment", sagte Annan bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau. Er rufe alle Seiten auf, die "tragische Krise" in Syrien endlich zu beenden. Putin sicherte Annan die Unterstützung Russlands bei den Friedensbemühungen zu. "Wir werden alles tun, um Ihnen zu helfen", sagte der Kremlchef.

Seit der Nacht zum Dienstag konzentrieren sich die Auseinandersetzungen unter anderem auf das historische Viertel Midan nahe dem Stadtzentrum. Nach Angaben von Anwohnern waren sogar im Zentrum selbst Schüsse zu hören, etwa auf dem Sabaa-Bahrat-Platz, wo die Zentralbank ihren Sitz hat.

Kampfhubschrauber beschießen Viertel

Oppositionelle berichteten, dass Raketen und Artilleriegeschosse im Viertel Tadamon am Rande der Stadt eingeschlagen hätten. Im Stadtteil Midan seien Sicherheitskräfte mit Panzern in Stellung gegangen. Bewohner berichteten von Scharfschützen auf Dächern. "Überall sind Soldaten. Ich kann Rettungswagen hören", sagte ein Anwohner. Man fühle sich wie im Krieg.

Die Regierung hält sich mit Äußerungen über die Kämpfe in Damaskus bedeckt. Das staatliche Fernsehen berichtete am Montag lediglich, dass Sicherheitskräfte auf der Jagd nach "Terrorgruppen" seien, die sich in einigen Vierteln versteckt hielten. Während Bürger auf der Straße interviewt wurden, um zu zeigen, dass die Lage ruhig sei, waren im Hintergrund Schüsse zu hören.

"Syrische Truppen versuchen mit Hilfe von Panzern, das Viertel Al-Tadamon zu stürmen", sagte der Aktivist Haytham al-Abdallah. Am Stadtrand setze das Regime erstmals auch Kampfhubschrauber ein. Die bewaffnete Opposition habe ihrerseits eine breit angelegte Militäroperation gegen Regierungseinheiten in der Hauptstadt begonnen, sagte Abu Omar, ein Kommandeur der Freien Syrischen Armee. Einer der Oppositionellen berichtete in Tadamon, die Rebellen verteilten sich über die Stadt, um eine Niederlage wie in Homs zu umgehen. Dort konzentrierten sich die Kämpfer im Viertel Baba Amr, das von regimetreuen Truppen schließlich gestürmt wurde.

Ex-Botschafter warnt vor Assads Chemiewaffen

Unterdessen warnte Syriens früherer Botschafter in Bagdad, Nawaf Fares, vor dem Einsatz chemischer Waffen durch die Regierung. Er sei überzeugt, dass Assad bereit sei, "das gesamte syrische Volk auszulöschen", um an der Macht zu bleiben, sagte Fares dem britischen Sender BBC. Sollte er weiter in die Enge gedrängt werden, könnte er auch Chemiewaffen verwenden, sagte Fares, der sich am vergangenen Mittwoch von Bagdad nach Katar abgesetzt hatte.

Seit der Konflikt im März 2011 begonnen hat, sind laut Angaben der Vereinten Nationen mehr als 11.000 Menschen getötet worden. Die Opposition geht sogar von 15.000 Toten aus. Nach wie vor macht das Assad-Regime "bewaffnete Terroristen" für den Konflikt verantwortlich.

© Süddeutsche.de/dpa/afp/dapd/rela - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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