Syrien-Konflikt:Dialog im Dunkeln

Baschar al-Assad

Am Verhandlungstisch zeigt sich Assads Regierung offiziell schon seit 2011 bereit, um des Friedens willen einen Teil der Macht an die Aufständischen abzugeben.

(Foto: dpa)

Natürlich hat der Westen schon jetzt Kontakt zum Assad-Regime. Auch Deutschland könnte bei der Lösung des Konflikts eine Rolle spielen. Aber wer redet mit wem worüber?

Von Ronen Steinke

Zur Bewältigung des Syrien-Konflikts müsse "mit vielen Akteuren gesprochen werden, dazu gehört auch Assad", hat Bundeskanzlerin Angela Merkel gesagt. Großbritanniens Premier Cameron sehe das ähnlich, heißt es aus London. Jetzt kommt es darauf an, was die neue Tonlage bedeutet.

Redet der Westen nicht heute auch schon mit dem Assad-Regime?

Ja, auf niedriger Ebene. Es gibt Gesprächsrunden in Genf, bei denen internationale, auch westliche Diplomaten zwischen den verfeindeten syrischen Lagern zu moderieren versuchen. Es gibt auch den glücklosen UN-Sonderbeauftragten Staffan de Mistura, der dies in Damaskus tut. "Aber Assad möchte wieder von den wirklich Mächtigen anerkannt werden", formuliert die Nahost-Büroleiterin der Heinrich-Böll-Stiftung, Bente Scheller, die jüngst ein Buch über die Außenpolitik des Assad-Regimes veröffentlicht hat - "und nicht nur von den Misturas dieser Welt".

Der Grund: Die Spitze des Assad-Regimes ist geschwächt, sie muss Putschversuche fürchten, also ist es für sie wichtig, internationale Aufmerksamkeit und Kontakte vorweisen zu können - als Signal nach innen, dass diese Führung noch eine Zukunft hat. Westliche Regierungen sind umso vorsichtiger, mit der Assad-Regierung zu sprechen, als sie dann schnell vorgeführt werden. Das Regime in Damaskus sticht solche Gespräche gerne an die Medien durch, meist an die libanesischen. Das soll seine Anerkennung beweisen. In den vergangenen Wochen hat die syrische Öffentlichkeit so schon von angeblichen Geheimgesprächen des Chefs des wichtigsten Assad-Geheimdienstes, Ali Mamluk, in Saudi-Arabien, Ägypten, Oman und Südafrika erfahren.

Deutsche Diplomaten haben deshalb bislang die strikte Direktive, Syrien gar nicht zu betreten. Alle paar Wochen fährt zwar ein Konvoi von der deutschen Botschaft in Beirut nach Damaskus, um in den verlassenen Räumlichkeiten und bei den einstigen Ortskräften dort nach dem Rechten zu sehen; allerdings ohne Diplomaten an Bord, nur mit Sicherheitsleuten. Der diplomatische Dienst der EU hingegen hat eine solch strenge Direktive nicht. Seine Mitglieder besuchen Syrien weiterhin.

Wenn man mit Assad redet: Was ist sein Wort überhaupt wert?

Als im vergangenen Jahr die Rebellen in Homs kapitulierten, stimmte das Assad-Regime einem iranisch vermittelten Deal zu, wonach die Rebellen bei ihrem Rückzug freies Geleit bekommen würden. Als es soweit war, verhaftete man sie trotzdem. Der Fall ist exemplarisch.

Am Verhandlungstisch zeigt sich Assads Regierung offiziell schon seit 2011 bereit, um des Friedens willen einen Teil der Macht an die Aufständischen abzugeben. Der erste UN-Sondergesandte für Syrien, Kofi Annan, hatte dazu einen Sechs-Punkte-Plan ausgearbeitet. Assad stimmte zu, er setzte aber schlichtweg nichts vom Versprochenen um. Kofi Annan war von den UN nicht mit Druckmitteln ausgestattet, um daran etwas zu ändern. Er warf hin. Genauso erlebten es Kofi Annans Nachfolger, der Algerier Lakhdar Brahimi und der Schwede Staffan de Mistura. Ob Waffenruhe in Aleppo, Sabadani oder im Damaszener Vorort Muadhamiya: Stets verhandelte Assad, gab Zusagen, aber am Ende war es der International Crisis Group zufolge fast immer sein Regime, das Vereinbarungen brach.

Die Syrien-Expertin Bente Scheller vermutet eine Methode: Das Regime nutze Verhandlungen als Vorwand, um Zeit zu schinden. Das Muster ist alt. Der Syrer Samir al-Taki, ehemals Leiter einer dem Außenministerium angeschlossenen Denkfabrik, erinnert sich, wie er bis 2004 angewiesen wurde, bei Gesprächen mit der EU über ein Assoziierungsabkommen "immer mit Ja zu antworten". "Uns wurde gesagt, es sei wichtig, dass die Gegenseite das Gefühl hat, alles laufe gut, und dass es sechs Monate dauern werde, bis sie herausfindet, dass das nicht stimmt."

Welche Rolle kommt aus syrischer Sicht Deutschland zu?

Unter allen westlichen Staaten hätte am ehesten Deutschland einen Gesprächskanal zum Assad-Regime. Ältere syrische Geheimdienstler erinnern sich noch, wie sie einst von der DDR ausgebildet wurden; jüngere halten Deutschland immerhin für vertrauenswürdiger als Frankreich, Großbritannien oder die USA. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 arbeitete der syrische Geheimdienst eng vor allem mit dem deutschen Bundesnachrichtendienst zusammen. Berichte, wonach der BND-Präsident Gerhard Schindler gemeinsam mit dem Leiter der BND-Terrorismusabteilung im Mai 2013 Damaskus besuchte, wurden zwar dementiert. Aber klar ist, dass das Assad-Regime zuletzt mehrfach bei der Befreiung deutscher Geiseln aus den Händen von Islamisten geholfen hat.

Der wichtigste Verbündete Assads im Bodenkrieg ist die libanesische Hisbollah - und auch zu dieser haben die Deutschen einen Draht. Die Botschaft in Beirut pflegt Kontakte, die immer dann wertvoll werden, wenn es zwischen Israel und der Miliz zu vermitteln gilt. Auch in Syrien könnten sie nützlich werden.

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