Syrien-Konflikt:Das Treffen mit Putin war nur die Atempause vor dem Sturm

Treffen zu Beratungen über Ukraine-Konflikt

Eigentlich sollte es ein Treffen zur Aussprache werden. Doch hinter den Kulissen gingen die Drohgebärden bereits weiter.

(Foto: dpa)
  • Nach dem Treffen mit Putin kritisiert Merkel Russlands Vorgehen in Syrien als "unmenschlich" - für sie überraschend deutliche Worte.
  • Nur Stunden vor der Begegnung hatte das norwegische Militär vor der Küste von Bergen russische Kriegsschiffe gesichtet, die auf dem Weg nach Syrien waren.
  • Es soll der größte Verband seit dem Kalten Krieg sein, sagte ein Nato-Diplomat der Nachrichtenagentur Reuters.

Von Stefan Braun und Paul-Anton Krüger, Berlin/Kairo

Eine neue Hoffnung? Ein überraschendes Versprechen? Eine Zusage, den Krieg zu beenden? All das hat es auch beim Krisentreffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident François Hollande mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nicht gegeben.

Trotz gut zweistündiger Debatte, die laut Merkel mit einer "sehr klaren und sehr harten Aussprache" einherging, stand am Ende wenig, was die Kanzlerin und der französische Präsident bei der nächtlichen Pressekonferenz verkünden konnten. Vielleicht eine Verlängerung der Waffenruhe, das sei alles, was man möglicherweise in den nächsten Tagen als Folge erleben könne, sagte Hollande nach der Begegnung.

Das freilich könnte ein Motiv dafür gewesen sein, dass Merkel und Hollande dieses Mal auf diplomatische Zurückhaltung wenig gaben. So betonte Merkel, es gebe für die Bundesrepublik keinerlei Zweifel, wann Attacken und Angriffe auf Zivilisten als Kriegsverbrechen gelten müssten.

Merkel kritisiert Russlands Vorgehen in Syrien als "unmenschlich"

"Die Bombardierungen, die dort stattfinden, sind unmenschlich", kritisierte die Kanzlerin. "Sie sind für die Bevölkerung ein grausames Erlebnis." Wer sah und hörte, was die Kanzlerin sagte, verstand das als Botschaft: Niemand sollte Zweifel haben, dass Assads Truppen mit russischer Unterstützung Kriegsverbrechen begangen haben.

Zumal Merkel und Hollande es nicht dabei beließen. Gleich mehrmals betonten sie, dass Russland in Syrien längst die volle Verantwortung für alles trage, was in Aleppo und anderswo geschehe. Und das in einer Situation, in der man "die Sinnhaftigkeit der Strategie" überhaupt nicht erkennen könne.

"Wie will man einen Friedensprozess aufbauen, wenn man sich um das Schicksal von 300 000 Menschen überhaupt nicht mehr kümmert", wetterte Merkel. Hollande erinnerte an den Kampf um Mossul, der komplett anders verlaufe. "Wir werden keinen Bombenteppich über die Stadt legen, sondern versuchen, die Bevölkerung zu schützen."

Merkel und Hollande versuchten, Putin mit ihren Appellen wenigstens zum Nachdenken zu bewegen. Und auch wenn es vor allem Worte waren, so könnte es doch der letzte Versuch gewesen sein, eine Eskalation in dem Bürgerkriegsland und auch im Streit zwischen Russland und dem Westen abzuwenden.

Putins Reaktion blieb zunächst dürftig. Er bot lediglich eine Verlängerung der Waffenruhe an, jeden Tag jeweils elf Stunden. Außerdem habe Moskau zugesagt, diese bis Samstag auszudehnen, teilten die UN in Genf mit. Ob Bedingungen an diese Zusage geknüpft sind, blieb offen. Putin hatte in der Nacht noch gewarnt, Russland werde die Feuerpause nur verlängern, wenn sich auch die Rebellen daran halten.

Nur Stunden vor dem Treffen fahren russische Kriegsschiffe nach Syrien

Außerdem konnte rund um das Berliner Treffen beobachtet werden, dass beide Seiten auf ihre Weise am nächsten Drohszenario arbeiten. So hatte das norwegische Militär nur Stunden vor der Berliner Begegnung vor der Küste von Bergen russische Kriegsschiffe gesichtet. Dabei soll es sich um den größten Verband seit dem Kalten Krieg handeln, wie ein Nato-Diplomat der Nachrichtenagentur Reuters sagte.

Geführt wird er von der Admiral Kusnezow, dem einzigen Flugzeugträger Russlands. Im Geleit ist der mit Lenkraketen und Marschflugkörpern ausgestattete Zerstörer Peter der Große. Sie sollen durch den Ärmelkanal und die Straße von Gibraltar ins Mittelmeer laufen.

Die Kampfjets an Bord des Trägers würden die Feuerkraft der russischen Luftwaffe in Syrien verdoppeln. Bei der Nato wird das als Aufmarsch für eine Offensive gewertet, um den von den Rebellen kontrollierten Ostteil Aleppos endgültig einzunehmen.

Dort werden 275 000 Zivilisten seit Monaten vom Regime des syrischen Präsidenten Baschar-al Assad belagert und von seiner sowie der russischen Luftwaffe bombardiert. Nach Lesart des Kremls ist die kurzfristige Waffenruhe in Aleppo ohnehin nur ein Angebot an die Zivilisten und die Rebellen, die Stadt zu verlassen.

Die Rebellen wollen Aleppo nicht verlassen

Aus Sicht der Assad-Gegner käme das einer Kapitulation gleich, würden sie doch ihr wichtigstes urbanes Zentrum aufgeben. "Legt die Waffen nieder, dies ist eure letzte Chance", verkündeten Lautsprecher der syrischen Armee. Assad hat unumwunden angekündigt, die Stadt "säubern" zu wollen.

Die Rebellen von der Freien Syrischen Armee bis hin zur islamistischen Ahrar al-Scham haben den Vorschlag abgelehnt, Aleppo über zwei Korridore im Norden zu verlassen. Stattdessen kündigten sie eine Gegenoffensive an, um die Blockade des Regimes zu durchbrechen.

An einer wenigstens kleinen Drohung arbeiten auch die Europäer. In der Nacht hatte Merkel auf die Frage nach neuen Sanktionen gegen Russland immerhin angedeutet, dass man sich "der Option nicht berauben" dürfe. Donnerstagmittag dann wurde klar, dass dies durchaus erwogen wird. Im jüngsten Beschlussentwurf für den EU-Gipfel werden auch Unterstützern der syrischen Führung Sanktionen angedroht, sollten die "Gräueltaten" in Aleppo weitergehen.

A man sits on the balcony of his damaged house in the rebel held besieged al-Sukkari neighbourhood of Aleppo,

Wenig Aussichten auf dauerhaften Frieden: Ein Mann auf dem Balkon seines beschädigten Hauses in Ost-Aleppo.

(Foto: Abdalrhman Ismail/Reuters)

Diese Drohung ist nicht mehr auf Syrer beschränkt; zu deutlich haben Merkel und Hollande die "große Verantwortung Russlands" hervorgehoben.

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