Syrien-Konflikt:Ban warnt vor religiös motiviertem Bürgerkrieg

"Weitere Kämpfe sind nicht die Antwort": UN-Generalsekretär Ban hat erneut zum sofortigen Ende der Gewalt in Syrien aufgerufen und vor den Gefahren eines religiös motivierten Bürgerkriegs für das Land und seine Nachbarn gewarnt. Doch er mahnt vergeblich, denn in der Millionenmetropole Aleppo nimmt die Schlacht an Brutalität zu.

Nach einem Angriff der syrischen Streitkräfte auf einen Konvoi der internationalen Beobachter hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon erneut zu einem sofortigen Ende des Blutvergießens im Land aufgerufen. Er sei tief besorgt, dass Damaskus jede Art von schwerem Gerät einsetze, darunter Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber und schwere Waffen, sagte Ban. "Eine weitere Militarisierung dieses Konflikts wird nur die Zerstörungen endlos fortführen und das Leid verlängern." Weitere Kämpfe seien nicht die Antwort.

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Ein Rebellenkämpfer verteidigt das Stadtviertel Salah al-Din in Aleppo mit einer Panzerfaust. Die syrische Armee hatte gemeldet, das Viertel am Montag zurückerobert zu haben - die Rebellen widersprachen dem jedoch.

(Foto: AFP)

Ein religiös motivierter Bürgerkrieg würde außerdem auch die Nachbarn Syriens ernsthaft gefährden, warnte er. "Jeden Tag, an dem sich die Spirale der Gewalt dreht, werden mehr Syrer getötet, verletzt, gefoltert oder gezwungen, aus ihrem Zuhause oder ihrem Land zu fliehen." Der Konflikt weist auch eine konfessionelle Komponente auf. So gehören der Assad-Clan und die Spitzen des Regimes der schiitischen Sekte der Alawiten an, während die meisten Aufständischen Sunniten sind. Aus der Minderheit der Christen gibt es nur wenig Unterstützung für die Opposition.

Syrische Armee weitet Offensive in Aleppo aus

Unterdessen hat die syrische Armee ihre Offensive gegen die Rebellen in der seit Tagen umkämpften Millionenmetropole Aleppo offenbar ausgeweitet. Aus den von den Rebellen gehaltenen Gebieten wurden Bombardements und Gefechte gemeldet.

Die Aufständischen kontrollieren große Teile des Ostens des wirtschaftlichen Zentrums Syriens. Dort befinden sich auch Krankenhäuser und Kliniken, in die nach Angaben von Ärzten täglich Dutzende Verletzte eingeliefert werden. Zuletzt hatten sich die Kämpfe auf den südwestlichen Stadtbezirk Salah al-Din konzentriert. Die syrische Armee erklärte am Montag, sie habe diesen zurückerobert, doch Rebellen wiesen dies zurück.

Die US-Regierung sieht in den Kämpfen um Aleppo eine weitere Eskalation des Konflikts. Angesichts des Einsatzes von Kampfflugzeugen, Helikoptern und Panzern gegen Zivilisten könne das Assad-Regime nicht länger behaupten, lediglich gegen vereinzelte Aufständische zu kämpfen, sagte eine Sprecherin des US-Außenministeriums.

Obama berät mit Erdogan

Die USA und die Türkei wollen den Abgang des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und den politischen Übergang in Syrien "beschleunigen". Es müsse auf die "legitimen Forderungen des syrischen Volkes" eingegangen werden, erklärte das Weiße Haus am Montag nach einem Telefonat zwischen US-Präsident Barack Obama und dem türkischen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan. Beide Staaten wollten "in engem Kontakt" bleiben, um über Wege zu beraten, wie ein "demokratischer Übergang in Syrien" gefördert werden könne.

Die beiden Politiker äußerten bei dem Gespräch ihre "zunehmende Beunruhigung über die gnadenlosen Angriffe des syrischen Regimes gegen sein eigenes Volk, zuletzt in Aleppo, und die sich landesweit verschlechternde humanitäre Lage aufgrund der Ausschreitungen des Regimes". Obama und Erdogan kamen zudem überein, die Hilfe für die steigende Zahl syrischer Flüchtlinge zu koordinieren. Obama würdigte die "Großzügigkeit" der Türkei, die bisher 44.000 Flüchtlinge aus Syrien aufnahm.

Beratungen des Syrischen Nationalrats

Am Dienstag will der oppositionelle Syrische Nationalrat in Kairo über die Bildung einer Übergangsregierung im Exil beraten. "Es werden Vertreter aller Oppositionsgruppen anwesend sein. In der vergangenen Woche haben wir mit Generälen der 'Freien Syrischen Armee' in einem türkischen Camp an der Grenze gesprochen", sagte ein Mitglied des Nationalrats der Nachrichtenagentur dpa.

Der Leiter des Berliner Büros des UN-Welternährungsprogramms, Ralf Südhof, fordert mehr Hilfe für die syrische Zivilbevölkerung. Nur um den Menschen in der akuten Krise zu helfen, seien allein 100 Millionen Euro notwendig, sagte er im Deutschlandradio Kultur. Bisher stünden aber erst etwa 30 Millionen Euro bereit - "und anderen Hilfsorganisationen geht es kaum besser".

Trotz der schwierigen Sicherheitslage würden derzeit 850.000 Menschen in der Region unterstützt, darunter viele Flüchtlinge, aber auch Bauern, die ihre Felder verlassen mussten. Weitere Hilfe erhofft sich Südhoff auch von der Bundesregierung, die bislang eine Million Euro zur Verfügung gestellt habe.

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