Syrien-Treffen in Wien:Gärende Hoffung

A Syrian refugee boy stands in front a big Syrian opposition flag at Al Zaatri refugee camp in the Jordanian city of Mafraq, near the border with Syria

Ein syrischer Flüchtlingsjunge steht im jordanischen Flüchtlingscamp Zaatari vor einer an die Wand gesprayten Flagge seines Heimatlandes.

(Foto: REUTERS)
  • In Wien werden am Wochenende die Syrien-Gespräche fortgesetzt.
  • Seit der ersten Verhandlungsrunde vor zwei Wochen macht sich leiser Optimismus breit, dass die Verhandlungspartner der Diplomatie doch eine Chance geben.
  • Dafür spricht beispielsweise die Annäherung zwischen Russland und den USA. Die Angst vor einem Erstarken des IS könnte auch Parteien wie Iran wieder an den Verhandlungstisch bringen.

Von S. Braun, S. Kornelius und P.-A. Krüger , Berlin/Kairo

Normalerweise erzeugen 44 Tote und 239 Verletzte im Syrien-Krieg keinen neuen Druck. Zu viele sind vorher schon gestorben. Wenn die Toten aber in der libanesischen Hauptstadt Beirut zu beklagen sind , wenn sie Opfer zweier Selbstmordattentate im von der Hisbollah-Miliz kontrollierten Stadtteil Burj al-Barajneh wurden, wenn die Täter IS-Extremisten und die Opfer Schiiten sind, dann landet die Botschaft knallhart auch auf dem Verhandlungstisch in Wien.

In Österreichs Hauptstadt werden am Wochenende die Syrien-Gespräche fortgesetzt - der bislang hoffnungsträchtigste Versuch, den Krieg und damit vielleicht auch die durch ihn ausgelöste Flüchtlingswelle unter Kontrolle zu bekommen. Größtes Hindernis auf dem Weg zu einer politischen Lösung für diesen von vielen widerstreitenden Interessen geprägten Konflikt ist die bei manchem noch immer gärende Hoffnung, dass der militärische Kampf vielleicht doch größere Vorteile bietet als eine politische Befriedung.

US-Außenminister John Kerry gestand in einer Grundsatzrede zur Syrien-Strategie gerade erst ein, dass eine diplomatische Lösung auch "von der militärischen Balance" abhänge, also davon, dass keine Seite mehr erwarten könne, über den anderen militärisch zu triumphieren. Erst dann, so die Logik von Kerry, könne sich die Einsicht durchsetzen, dass Frieden und Kompromiss allen Seiten mehr bringt als eine Fortsetzung des Kampfes.

Ob der Punkt schon erreicht ist? Viele hoffen das inzwischen. Aber sicher sein kann sich niemand. Zumal sich die Dynamik zwischen dem Regime und den Rebellen in Syrien immer wieder gedreht hat. Nachdem Machthaber Baschar al-Assad in der ersten Jahreshälfte gegenüber der bewaffneten Opposition gleich an mehreren Fronten ins Hintertreffen geriet, hofft er derzeit, seine Position mit Hilfe der russischen Intervention wieder zu verbessern.

Iran weiß, dass es viel zu verlieren gibt

Unklar ist zudem, ob es schon gelungen ist, den Islamischen Staat (IS) zurückzudrängen. Kerry sagt das zwar, doch diese Einschätzung ist bislang vor allem eines: reichlich optimistisch. Das zeigen auch die Bomben von Beirut. Sie rufen allen die Gefahr ins Bewusstsein, was passiert, wenn in Wien nichts voran geht.

Vor allem Iran als Patronatsmacht des Assad-Regimes und als Steuerarm der Hisbollah weiß inzwischen, dass es viel zu verlieren gibt, wenn sich Teheran nicht an den Verhandlungen beteiligt und weiter auf seine Miliz und auf Assad setzt. Dass Außenminister Mohammad Dschawad Sarif diesmal offenbar nicht nach Wien kommt, wird mit einigem Erstaunen zur Kenntnis genommen. Dennoch glauben Amerikaner, Russen und auch die Deutschen, dass Iran in Wien mit am Tisch bleiben wird. Die Risiken sind für alle Seiten sehr gestiegen; die Angst vor einem Erstarken des IS sollte alle zusammenbinden.

Nach der ersten Verhandlungsrunde in Wien vor zwei Wochen hat sich die Gewissheit verstärkt, dass die jetzt versammelte Staatenrunde, darunter die fünf UN-Vetomächte, zahlreiche arabische Staaten, Iran, die Türkei und einige Europäer, zumindest die Chance hat, dem Konflikt die lange vermisste Dosis Diplomatie beizumischen. Zwei Gründe sind nach Beobachtung von Verhandlungsteilnehmern dafür entscheidend: Erstens haben die USA ihre Berührungsängste gegenüber Russland aufgegeben. Die Kooperation zwischen US-Außenminister Kerry und seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow ist mehr als nur eine symbolische Geste. Damit können die Staaten, die sich an die großen Mächte anlehnen (die Saudis und die übrigen Golfstaaten an die USA; das Assad-Regime und teilweise auch Iran an Russland) sich nicht mehr hinter russisch-amerikanischen Animositäten verschanzen.

Russland geht es mehr um das Machtsystem

Zweitens scheint Russland ein großes Interesse daran zu haben, seinen Militäreinsatz in Syrien mit Hilfe einer internationalen Einbindung stärker zu legitimieren. Das zeigt auch der "Friedensplan", den Russland zuletzt lancierte. Das Papier, das der SZ vorliegt, deutet in Tonlage und Inhalt einige Brücken an, die zu den Ideen des Westens und des UN-Sonderermittlers Staffan de Mistura passen könnten. Misstrauen allerdings löst aus, was nicht drin steht. Moskau will zwar nicht als Erfüllungsgehilfe von Machthaber Assad angesehen werden; Russland geht es mehr um das Machtsystem, das sich mit dem Namen verbindet. Aber das Papier wird dort auffallend unkonkret, wo es darum gehen müsste, den Machtübergang hin zu einer Art Übergangsregierung zu definieren. Damit bleibt weiter Raum für den Verdacht, dass Moskau Assad doch noch sehr lange halten möchte.

In Wien soll das dennoch nicht im Zentrum stehen, weil es die Aussicht auf eine Annäherung zunichte machen würde. Auch wenn Kerry vor dem Treffen noch mal klar machte, dass die Frage nach der Zukunft des Gewaltherrschers "eine der fundamentalen Meinungsverschiedenheiten mit Russland" sei, die überbrückt werden müsse. Irans Präsident Hassan Rohani deutete immerhin an, dass sein Land Assad nicht zum Grund für ein Scheitern machen möchte. Er erklärte im Gespräch mit französischen Medien, eine Lösung in Syrien solle eine starke Regierung im Blick haben, nicht allein das Schicksal Assads.

Doch bei allen vorsichtigen Annäherungen - unmittelbar vor dem Wiener Treffen gab es einen Rückschlag. Ausgerechnet Russland blieb den Vorgesprächen fern. Verhandlungsteilnehmer wollten das nicht als Krise bezeichnen und gehen fest davon aus, dass Lawrow an diesem Samstag dabei sein werde. Unglücklich war es gleichwohl. Es hing vor allem damit zusammen, dass sich Moskau bei der Organisation der für Donnerstag und Freitag einberufenen Arbeitsgruppen nicht angemessen beteiligt fühlte. Diese hatte die US-Seite weitgehend alleine übernommen. Das zeigt: In Wien geht es vor allem um Syrien und die Hoffnung auf ein Ende des Krieges. Für Moskau aber geht es um mehr: Es will auf Augenhöhe dabei sein.

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