Syrien-Konferenz:Diplomatisches Versagen

Erst wurde Iran zu den Friedensgesprächen mit Syrien eingeladen - dann wieder ausgeladen. UN-Generalsekretär Ban Ki Moons Zickzackkurs vor Beginn der Syrien-Konferenz in Montreux löst weltweit Verwunderung aus - und beschädigt den Ruf des Chef-Diplomaten.

Von Reymer Klüver

Eigentlich hat Ban Ki Moon, der Mann an der Spitze der Vereinten Nationen, seine ganze Karriere darauf ausgelegt, bei den wirklich Mächtigen dieser Welt nicht anzuecken. Zum Wochenanfang sah es nun so aus, als hätte er diesen Grundsatz über Bord geworfen, der ihn vor sieben Jahren auf den Chefsessel der Weltorganisation befördert hatte.

Am Sonntagabend amerikanischer Ostküstenzeit jedenfalls ließ der UN-Generalsekretär hastig ein paar Reporter in New York zusammentrommeln und teilte ihnen triumphierend mit, dass nun auch Iran an der Syrien-Friedenskonferenz an diesem Mittwoch in Montreux teilnehmen werde. Womit Ban eine heftige diplomatische Krise auslöste, den sonst so ausgeglichenen Gentleman-Diplomaten John Kerry an den Rand eines Wutanfalls und die gerade mühsam vereinbarte Friedenskonferenz fast wieder zum Scheitern brachte, noch ehe sie begonnen hatte.

Tatsächlich hatte sich die syrische Opposition nach qualvollem Hin und Her erst Stunden zuvor darauf verständigt, eine Delegation nach Montreux zu schicken - zu den ersten direkten Verhandlungen der Gegner in dem blutigen Bürgerkrieg. Ein wichtiger Erfolg für US-Außenminister Kerry, dessen Diplomaten ihre syrischen Freunde seit acht Monaten zu dieser Zusage gedrängt hatten.

Und dann kam Ban.

Iran ist zweifellos die wichtigste Stütze von Syriens Diktator Baschar al-Assad. Das islamische Regime hat Angehörige der Revolutionsgarden nach Syrien geschickt, es versorgt Assad mit militärischem Nachschub und hilft mit Geld. Kämpfer der von Iran gepäppelten libanesischen Hisbollah-Miliz hatten im vergangenen Jahr eine drohende Niederlage Assads abgewendet. Nicht zuletzt deshalb haben die Amerikaner den Iranern immer wieder vorgeworfen, den Krieg mit ihrer Waffenhilfe nur zu verlängern - weshalb sie bei den Friedensgesprächen nichts zu suchen hätten.

Zweifel am Sinneswandel Teherans

Im Gegenteil, so ließ der UN-Generalsekretär am Sonntagabend durchblicken. Nun, da die Konferenz wirklich stattfinde, müsse auch Iran mit am Tisch sitzen, wenn es eine Lösung des Konflikts geben solle. Zudem habe Teherans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif dem ausdrücklichen Ziel der Konferenz zugestimmt, dass am Ende eine Übergangsregierung stehen müsse - ohne Irans Schützling Assad.

Postwendend meldeten US-Diplomaten ihre Zweifel am Sinneswandel Teherans an. Und am nächsten Morgen ließ das State Department den UN-Generalsekretär wissen, dass er Iran wieder ausladen müsse. Kerry persönlich, so meldete die Washington Post, habe Ban angerufen. Tatsächlich drohten die Amerikaner dem UN-Chefdiplomaten offenbar, dass sie die Konferenz platzen lassen - und Ban die Schuld geben würden. Zuvor hatte die syrische Opposition ein Ultimatum gestellt: Bis zum Montagabend müssten die Iraner wieder ausgeladen sein, oder sie würden nicht kommen.

Ban vollzog die Kehrtwende

Eine missliche Situation für Ban. Doch diesmal halfen ihm die Iraner aus der Klemme. In Teheran erklärte die Sprecherin des Außenministeriums noch am Montag, dass man keineswegs daran denke, schon vor Beginn der Konferenz irgendwelche Zusagen zu machen. Und damit auch keine Zweifel an der Haltung Irans bleiben konnten, ergänzte Ali Akbar Welajati, einst selbst Außenminister und heute außenpolitischer Chefberater von Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei, ungewohnt unzweideutig: "Unter keinen Umständen" sei man bereit, Vorbedingungen für eine Friedenskonferenz zu akzeptieren.

Damit war Ban gerettet. In einer weiteren Pressekonferenz, kaum 24 Stunden nach seiner Einladung an die Iraner, vollzog er die Kehrtwende und ließ sie durch seinen Sprecher wieder ausladen. Er sei "tief enttäuscht" von den Iranern, teilte er mit. Deren öffentliche Äußerungen stimmten nicht mit den ihm gemachten Zusagen überein - weshalb nun kein Platz mehr für sie in Montreux sei.

In New York rätseln Diplomaten, was Ban zu seinem Fauxpas veranlasst haben könnte. Einen Hinweis gab sein Sprecher Martin Nesirky. Die USA, so ließ er durchblicken, seien die ganze Zeit unterrichtet gewesen über die Gespräche Bans mit Teheran. "Das kam nicht als Überraschung für die Vereinigten Staaten", sagte er. Sogar den Zeitpunkt der Pressekonferenz Bans, bei der er die Einladung aussprechen wollte, hätten sie vorab gekannt.

Amerikaner ringen um Atomprogramm

Zusätzlich kompliziert wurde die ganze Angelegenheit durch den Umstand, dass die USA bekanntlich gleichzeitig mit Iran um das Atomprogramm ringen und den Prozess nicht gefährden wollen. Diplomaten in Washington wiesen deshalb darauf hin, dass das eine mit dem anderen nichts zu tun habe - und dass die Iraner das sehr wohl verstehen würden.

Tatsächlich wird sich Irans neuer Präsident Hassan Rohani zur selben Zeit wie Außenminister Kerry in der Schweiz aufhalten, allerdings nicht in Montreux. Rohani will bei dem Wirtschaftstreffen in Davos für neue Investitionen in seinem Land werben. Das, so lassen die Amerikaner durchblicken, würden sie zu verhindern wissen. "Iran ist noch nicht wieder zurück im Geschäft", zitierte das Wall Street Journal am Dienstag einen US-Diplomaten. Was aber nicht bedeutet, dass man nicht miteinander spricht. Ein Treffen Kerrys mit Rohani in der Schweiz jedenfalls schließen die Amerikaner nicht aus. Vielleicht nicht gerade in Montreux.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: