Syrien:Bilder, die Assad gefallen

Syrien: Irans Präsident Ebrahim Raisi und der syrische Machthaber Baschar al-Assad in Damaskus.

Irans Präsident Ebrahim Raisi und der syrische Machthaber Baschar al-Assad in Damaskus.

(Foto: Yamam al Shaar/Reuters)

Irans Präsident macht dem syrischen Machthaber seine Aufwartung. Die Menschen in dem zerstörten Bürgerkriegsland hoffen unterdessen auf Hilfe - und die Wut droht wieder hochzukochen.

Von Mirco Keilberth, Tunis

Als die Wagenkolonne von Irans Präsident Ebrahim Raisi am Mittwochmorgen vorfuhr, schwenkten Hunderte Menschen syrische und iranische Flaggen. Der erste Besuch eines iranischen Präsidenten in Syrien seit 2010 lieferte gleich zu Beginn die Bilder, die sich das Assad-Regime erhofft hatte. Auch wenn vielen Syrern klar ist, dass die vom Staatsfernsehen live übertragenen Szenen wohl Teil einer gut in Szene gesetzten Kampagne des Regimes sind: Die Emotionen der Menge erschienen auf den ersten Blick echt.

Vielleicht waren die inbrünstig geschrienen Parolen auch einfach nur der Hoffnung geschuldet, zumindest der verbündete Iran könne die verzweifelte Lage viele Syrer verbessern. Denn der Besuch des 62-jährigen Raisi findet mitten in einer schweren Wirtschaftskrise statt. Wegen des Verfalls der syrischen Lira, den ständigen Stromausfällen und astronomischen Preissteigerungen greifen viele Familien auf ihre letzten finanziellen Reserven zurück oder überleben nur durch Überweisungen von Verwandten aus dem Ausland. Teheran ist seit Beginn der Bürgerproteste Anfang 2011 der Hauptverbündete von Baschar al-Assads Regime.

Als die friedlichen Proteste in der Stadt Darʿā nach wenigen Wochen in einen Bürgerkrieg mündeten, schickten die Mullahs mehrere Zehntausend Revolutionswächter in das Nachbarland. Oft waren es iranische Kommandeure und Militärberater, die syrischen Armee-Einheiten beim Sturm auf die Wohnviertel von Aleppo oder al-Khoms die Befehle erteilten. Auch wenn Teheran seine Rolle im Bürgerkrieg lange leugnete, inzwischen gibt die islamische Republik die Zahl ihrer in Syrien gefallenen "Märtyrer" mit 1000 an.

Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte und andere Bürgerinitiativen werfen beiden Regimen vor, mit der heimlichen Unterstützung radikaler Gruppen die ursprünglich friedliche Protestbewegung gegen Assad bewusst radikalisiert zu haben. Mittlerweile haben sich die Islamisten nach Idlib nahe der türkischen Grenze zurückgezogen.

Hoffnung machen sollen politische und wirtschaftliche Abkommen

Über 500 000 Syrer sollen seit 2011 ums Leben gekommen sein, über die Hälfte der 23 Millionen Einwohner musste vor Kämpfen fliehen. Nun fehlt dem Kriegsgewinner Assad das Geld für den Wiederaufbau der zerstörten Städte; im Norden hatte zuletzt auch noch ein Erdbeben massive Schäden angerichtet. Wegen der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen einiger arabischer Staaten mit Damaskus muss das Regime immerhin nicht die Wiederaufrüstung der Islamisten durch die arabischen Nachbarstaaten befürchten. Ein Jahrzehnt nach dem Arabischen Frühling droht dafür abermals die Wut der Bürger über ihre miserablen Lebensverhältnisse hochzukochen.

Hoffnung machen sollen mehrere wirtschaftliche und politische Abkommen, die Raisi und Assad unterzeichnen wollen. Im panarabischen TV-Sender Al-Mayadeen versprach Raisi iranische Hilfe bei der Rückkehr von Flüchtlingen und dem Wiederaufbau Syriens. Am Flughafen von Damaskus wurde die aus Diplomaten und Geschäftsleuten bestehende iranische Delegation von dem syrischen Wirtschaftsminister Samer Al-Khalil empfangen.

Bis 2015 gewährte Iran dem Regime Kredite in Höhe von 4,5 Milliarden Dollar und durfte im Gegenzug im ganzen Land Soldaten stationieren. Viele Syrer sind daher nicht sicher, ob Teheran nun an den aus dem Ausland versprochenen Milliarden für den Wiederaufbau nur mitverdienen will oder ob es das bankrotte Regime von Assad mit weiteren Krediten stützen will. Das zerstörte Syrien scheint zumindest ein guter Ort für Versöhnung zu sein.

Denn die seit über einem Jahrzehnt mit Iran verfeindeten Regierungen Ägyptens und Saudi-Arabiens suchen wieder die Nähe zu Assad. Syriens Außenminister besuchte im April die saudische Hauptstadt Riad. Nach der von China vermittelten Annäherung Saudi-Arabiens mit Iran soll nun eine Aussöhnung mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi folgen. "Die Versöhnung des schiitischen Irans mit den sunnitischen und arabischen Unterstützern der syrischen Opposition ist ein Hohn für die Opfer", sagt ein syrischer Journalist aus Damaskus, der anonym bleiben will. "Assad will an den in Aussicht gestellten Milliarden der ehemaligen ausländischen Kriegsparteien für den Wiederaufbau mitverdienen." Gut im Geschäft sind mehrere Firmen der iranischen Revolutionswächter, die bereits Verträge für den Wiederaufbau des syrischen Mobilfunknetzes unterzeichnet haben.

Angeblich ohne Leibwächter spazierte Assad am Wochenende vor laufenden Kameras durch Damaskus. Passanten schüttelten dem Präsidenten die Hand und dankten für das Ende des Krieges. Doch iranische Einheiten nutzen ihre syrischen Basen weiterhin, um die libanesische Hisbollah-Miliz im Libanon mit Raketen zu beliefern. Die israelische Luftwaffe bombardierte im Gegenzug in diesem Jahr bereits mehr als zwölf Mal iranische Militärbasen in Syrien, zuletzt auf dem Flughafen von Aleppo, der danach für den Flugverkehr geschlossen werden musste.

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