Die Nachrichten aus dem irakischen Grenzgebiet klangen selbst für die Leid gewöhnten Menschen in Al-Suchna und Homs wie aus einem Horrorfilm. Aus den vom Krieg schwer gezeichneten syrischen Städten hatten sich am Freitag Familien und Händler auf den Weg in die fast unbewohnte Steppenlandschaft gemacht, um wie jedes Jahr im Februar und März eine ganz besondere Ernte einzufahren: In der Provinz Homs wachsen aromatische Trüffel, eine gut verkäufliche Delikatesse. Außerdem wollten sich viele Pilzsammler über das Wochenende vor den Nachbeben in Sicherheit bringen, die Nordsyrien weiterhin erschüttern. Doch die Ausflüge endeten tragisch.
Im Staatsfernsehen aus Damaskus berichten Augenzeugen, dass zunächst 15 Trüffelsammler südwestlich von Al-Suchna in einen Hinterhalt von Bewaffneten geraten sind. Die Vermummten hätten ihre Opfer wortlos mit Kopfschüssen umgebracht, sagte einer der fünf Überlebenden der Nachrichtenagentur Sana. Östlich von Homs fanden Angehörige und Rettungskräfte später 46 weitere Tote. Auch aus anderen Gebieten der Steppe berichten Augenzeugen von vermummten Tätern, die in kleinen Gruppen auf Motorrädern offenbar wahllos auf Ausflugsgesellschaften schossen.
Die fliehenden Familien alarmierten in der Nähe stationierte iranische Revolutionsgarden, die zusammen mit bewaffneten Bürgern anschließend einige der Angreifer vertrieben. Für die Morde machen die syrischen Medien Anhänger des "Islamischen Staates" (IS) verantwortlich. Sieben von ihnen starben nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) bei dem Gegenangriff.
Die tödlichste Woche seit mehr als einem Jahr
Der IS hat sich aus den von der syrischen Regierung kontrollierten Landesteilen in Stützpunkte entlang der irakisch-syrischen Grenze zurückgezogen. SOHR-Aktivisten berichten nun zwar auch von der Freilassung von 25 Syrern, die bereits am 14. Februar bei Palmyra entführt worden waren. Die Vermummten hätten sie laufen lassen, weil ihnen keine Kontakte zu dem Regime von Baschar al-Assad nachzuweisen waren. 16 andere Zivilisten seien infolge der Verhöre hingegen exekutiert worden, berichten Überlebende im syrischen Fernsehen.
Oppositionelle aus al-Suchna vermuten allerdings eine ganz andere Version des Geschehens. Demnach soll es sich bei den Angreifern nicht um Kämpfer des IS, sondern um Militante der "Liwa Fatemiyoun" handeln, einer schiitischen Gruppe aus Afghanistan. Sie ist auf der Seite des Assad-Regimes im Einsatz und wird von iranischen Revolutionsgarden trainiert.

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Die vergangene Woche war in jedem Fall die tödlichste seit dem Sturm von IS-Milizen auf ein Gefängnis in der nordostsyrischen Stadt al-Hasaka im Januar 2022. Mehrere Hundert Menschen starben während der Aktion, doch die Befreiung der von kurdischen Kämpfern der "Syrisch-demokratischen Kräfte" (SDF) bewachten IS-Gefangenen misslang, auch durch den Einsatz von US-Kampfjets. Die in der vergangenen Woche von der türkischen Luftwaffe bombardierten SDF-Einheiten halten in Syrien weiterhin mehrere Tausend Gefangene des IS zusammen mit deren Familien in Haft.
Ebenfalls am Freitag teilte die US-Armee mit, dass sie einen IS-Anführer getötet habe. Vier US-Soldaten seien bei der Aktion verletzt worden.