Syrien:In Israel wächst die Angst vor Assads iranischen Verbündeten

Syrien: Inszenierte Empörung: Demonstranten schwenken nach den Angriffen der Alliierten iranische, syrische und russische Fahnen in Damaskus.

Inszenierte Empörung: Demonstranten schwenken nach den Angriffen der Alliierten iranische, syrische und russische Fahnen in Damaskus.

(Foto: AP)
  • Israel fürchtet die dauerhafte Präsenz iranischer Soldaten in Syrien.
  • Premier Benjamin Netanjahu hatte US-Präsident Trump empfohlen, bei dem in Verbindung mit dem Einsatz von Chemiewaffen verübten Militärschlag am vergangenen Wochenende auch iranische Stellungen anzugreifen; der Appell blieb unerhört.
  • In Israel mehren sich die Stimmen, die die bisherige Strategie der Regierung, den Einfluss Irans in Syrien einzudämmen, für nicht ausreichend halten.

Von Alexandra Föderl-Schmid, Tel Aviv, und Paul-Anton Krüger, Kairo

Frustriert, verärgert, enttäuscht: Auf diese Stimmungslagen trifft, wer derzeit mit israelischen Militärvertretern, Sicherheitsberatern oder Politikern spricht. Die USA, Frankreich und Großbritannien hatten sich am Wochenende für begrenzte Luftschläge entschieden. Sie hatten ausschließlich Syriens Chemiewaffenpotenzial zum Ziel. Aus israelischer Sicht ist die Anwesenheit iranischer Soldaten dort dagegen mindestens so bedrohlich. "Unser Problem ist, dass wir nicht zulassen können, wie Syrien in ein iranisches Armeelager an unserer Nordgrenze verwandelt wird. Das ist etwas anderes als das Problem mit den Chemiewaffen", erklärte der für Infrastruktur zuständige Minister Yuval Steinitz die Prioritätenlage.

Vergeblich hatte Premier Benjamin Netanjahu seinem Freund Donald Trump in den USA empfohlen, auch iranische Stellungen ins Visier zu nehmen. Kurz vor den Angriffen in Syrien war Israel noch mit der bis dahin zurückgehaltenen Meldung an die Öffentlichkeit gegangen, dass eine bereits am 10. Februar über Israel abgeschossene iranische Drohne mit Sprengstoff bestückt war. Aus israelischer Sicht war dies das erste Mal, dass Iran direkt in Israel agierte und nicht etwa die Hisbollah aus Libanon vorschickte.

Auch Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah tönte bereits, Israel stehe "direkt im Kampf mit Iran". Das war nach einem Luftangriff der Israelis auf den syrischen Luftwaffenstützpunkt T-4 am 9. April, für den Russland Israel entgegen den üblichen Gepflogenheiten öffentlich verantwortlich gemacht hat. Laut der iranischen Nachrichtenagentur Tasnim, die als Sprachrohr der iranischen Revolutionsgarden gilt, wurden dabei sieben Iraner getötet. Ein hochrangiger israelischer Militärvertreter sagte der New York Times, neben militärischen Einrichtungen seien tatsächlich die Iraner das Ziel gewesen.

Irakische Milizen in Syrien haben eine Brigade zur Befreiung des Golan aufgestellt

Dennoch verhallten die Appelle Netanjahus in den USA ungehört. Israel sei nun auf sich allein gestellt, so die Erkenntnis in Jerusalem und Tel Aviv. Bei einem Briefing in Washington nach den Angriffen sei Iran nur ein, zwei Mal erwähnt worden, Russland dagegen 50 Mal. Das wurde genau registriert. Die kurzzeitige Erleichterung nach der Ankündigung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, er habe Trump überzeugt, die US-Truppen doch länger in Syrien zu lassen, verflog nach der Klarstellung von Trumps Sprecherin in der Nacht zum Montag: Die Soldaten kommen möglichst rasch nach Hause.

Viele israelische Experten halten die bisherige Strategie der Regierung für nicht ausreichend, mit Luftschlägen Irans wachsenden Einfluss in Syrien einzudämmen. Einige sprechen bereits offen von einem baldigen neuen Krieg, wie der frühere Sicherheitsberater Yaakov Amidror. Der Ex-General hält einen Krieg gegen die Hisbollah für unvermeidlich, es müssten sogar wieder Bodentruppen in den Süden Libanons geschickt werden.

Einen Schritt weiter geht sein Kollege Chuck Freilich. Die Armee müsse sicherstellen, dass sich Iran nicht an Israels Grenzen festsetzen könne mit Stützpunkten für die Luftwaffe, Bodentruppen und Schiffen - und wenn der Preis ein Krieg gegen Syrien sei. Auch Luftschläge in Iran sollte Israel nicht ausschließen.

Iran ist in Syrien direkt militärisch vertreten mit Soldaten des regulären Militärs, vor allem aber mit Beratern und Spezialeinheiten der für Auslandseinsätze zuständigen Quds-Bridgaden der Revolutionsgarden - al-Quds ist die arabische Bezeichnung für Jerusalem, "die Heilige". Sie gehören zu den Elite-Einheiten des iranischen Sicherheitsapparates. Ihre Hauptaufgabe ist es, eingebettet in Einheiten der syrischen Armee, deren Kampfkraft zu verbessern. Zugleich fungieren sie als Kommandeure der von Iran rekrutierten schiitischen Milizen in Syrien. Zehntausende afghanische, pakistanische und irakische Söldner kämpfen dort auf Seiten der Regierung von Präsident Baschar al-Assad; irakische Milizen haben eine "Brigade zur Befreiung des Golan" aufgestellt mit Tausenden Milizionären, die Kampferfahrung gegen die Terrormiliz IS gesammelt haben.

Experten befürchten, dass Russland die syrische Luftabwehr nun weiter aufrüsten wird

Zugleich aber versuchen die Garden, in Syrien eigene Stützpunkte aufzubauen und offenbar auch Produktionsanlagen für Waffen, maßgeblich Raketen mit größeren Reichweiten, die Ziele auch tief in Israel präzise treffen könnten. Mehrere Einrichtungen bei Kisweh nahe Damaskus und Masyaf in der Nähe von Homs wurden zum Ziel von Bombardements, die ebenfalls Israel zugeschrieben werden.

Die Revolutionsgarden sollen nach den Vorstellungen Teherans beim Wiederaufbau Syriens ein zentrale Rolle spielen. Sie kontrollieren die bei Weitem größte Baufirma in Iran, Khatam-al Anbiya. Ziel ist eine dauernde Präsenz Irans in Syrien und der Hisbollah, 1982 von den Revolutionsgarden in der libanesischen Bekaa-Ebene für den Kampf gegen Israel gegründet. Die Hisbollah hat etwa 10 000 Kämpfer in Syrien stationiert.

Was Israel besonders irritiert: Hisbollah-Einheiten und Revolutionsgardisten sind, gestützt auf Vereinbarungen zu einer von Russland vermittelten Deeskalationszone, im Süden Syriens an manchen Stellen bis auf wenige Kilometer an die demilitarisierte Zone auf den Golanhöhen herangerückt. Nördlich von Kuneitra haben sie etwa zehn befestigte Stellungen errichtet, nördlich von Deraa an der jordanischen Grenze noch einmal sieben. Auch die USA und Jordanien waren in die Verhandlungen einbezogen. Israel hatte eine Pufferzone von 40 Kilometern gefordert, aber weder in Moskau noch in Washington Gehör gefunden.

In Israel fürchtet die Regierung nun, dass diese Stellungen bald unter dem Schutz einer modernisierten syrischen Luftabwehr liegen könnten. Russland hat nach den Angriffen vom Wochenende angekündigt, die Lieferung von weiteren moderneren S-300-Batterien an die syrische Armee in Erwägung zu ziehen. Damit würde es für Israel deutlich riskanter, Luftangriffe im Nachbarland zu fliegen. Russland hat israelische Angriffe auf Ziele in Syrien unbeantwortet gelassen, seit es mit zwei S-400-Systemen den Luftraum über dem Land kontrolliert und auch angrenzende Gebiete über dem Mittelmeer und Libanon.

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