Syrien-Gespräche in Genf:Russland in der Schlüsselrolle

Vor der Fortsetzung der Verhandlungen wächst die Hoffnung des Westens, Moskau könnte jetzt tatsächlich den Druck auf Assad erhöhen.

Von Stefan Braun und Paul-Anton Krüger, Berlin/Kairo

Fünf Jahre nach Beginn des Krieges in Syrien hat eine Waffenruhe erstmals vorsichtige Hoffnung auf eine politische Lösung des Konflikts geweckt. Allerdings sind Gegensätze zwischen dem syrischen Regime und der Opposition nach wie vor sehr groß. Beide Seiten wollten dennoch an diesem Montag in Genf präsent sein, wo unter Vermittlung des UN-Sondergesandten Staffan de Mistura die indirekten Friedensgespräche wieder aufgenommen werden sollen. Eine am 27. Februar in Kraft getretene Waffenruhe hält bislang weitgehend, auch wenn sich beide Seiten eine Vielzahl von Verstößen vorwerfen.

Syriens Außenminister Walid al-Muallem sagte am Samstag in Damaskus, es werde keine Diskussion über Präsidentenwahlen geben oder über die Zukunft von Machthaber Baschar al-Assad - für die Opposition der zentrale Punkt. Al-Muallem setzte sich damit in Widerspruch zu de Mistura, der Wahlen als Ziel genannt hatte und damit im Einklang mit den Beschlüssen des UN-Sicherheitsrates und der von den USA und Russland geführten Internationalen Syrien-Unterstützergruppe (ISSG) steht. Alle Syrer, auch die aus dem Land geflüchteten, sollen demnach binnen 18 Monaten ein neues Parlament und einen neuen Präsidenten bestimmen.

"Wir sprechen von einer Übergangsperiode, die mit dem Sturz oder Tod Assads beginnt."

Zuvor soll eine neue Verfassung ausgearbeitet werden; eine Übergangsregierung mit vollen exekutiven Befugnissen soll die Geschicke Syriens lenken. Syriens Außenminister wies auch dies als "rote Linie" zurück. Er sprach dagegen von einer "Regierung der Nationalen Einheit", der auch Oppositionsvertreter angehören könnten.

Die Rebellen wiederum verlangen, dass Assad mit Beginn der Verhandlungen abtritt. "Wir sprechen von einer Übergangsperiode, die mit dem Sturz oder dem Tod Assads beginnt", sagte Mohammed Alloush, Unterhändler des Hohen Verhandlungskomitees (HNC) der Opposition und Vertreter der mächtigen Islamisten-Miliz Jaish al-Islam, in Genf. In von der Opposition gehaltenen Gebieten gab es zuletzt die größten Demonstrationen gegen Assad seit Jahren, nachdem die Menschen sich wieder auf die Straßen getraut hatten.

Russische Diplomaten signalisieren, man sei mit Assad "nicht verheiratet"

Die USA und andere westliche Staaten halten daran fest, dass Assad abtreten müsse, würden aber akzeptieren, dass er währen der Übergangszeit im Amt bleibt - vorausgesetzt, dass er seine wichtigsten Befugnisse an die geplante Übergangsregierung abtritt. Russland hat sich in dieser Frage nicht eindeutig positioniert. Die Frage nach Assads Zukunft, so die offizielle Version aus Moskau, müsse das syrische Volk entscheiden; zugleich signalisieren russische Diplomaten ihren westliche Kollegen, dass man "nicht mit Assad verheiratet" sei.

Syrien-Gespräche in Genf: Die brüchige Waffenruhe in Syrien ermöglicht wieder ein kleines bisschen Alltag im Kriegsgebiet, wie hier in Homs. Die wertvolle Feuerpause soll die Friedensverhandlungen wieder in Gang bringen.

Die brüchige Waffenruhe in Syrien ermöglicht wieder ein kleines bisschen Alltag im Kriegsgebiet, wie hier in Homs. Die wertvolle Feuerpause soll die Friedensverhandlungen wieder in Gang bringen.

(Foto: Hassan Ammar/AP)

Der russische UN-Botschafter Witalij Tschurkin hatte Assad jüngst öffentlich gemaßregelt und darauf hingewiesen, dass er seine militärischen Erfolge ohne Russlands Hilfe nicht erzielt hätte. Solche Auftritte sind es, die am Sonntag in Paris bei einem Treffen westlicher Außenminister die Hoffnung nährten, Präsident Wladimir Putin könne tatsächlich Wort halten und so viel Druck auf das Regime in Damaskus ausüben, dass Assad zu den angepeilten Wahlen nicht mehr antreten kann. Aus Teilnehmerkreisen in Paris hieß es, man sei sich einig gewesen, dass der Zeitpunkt gekommen sei, an dem Russland beweisen müsse, dass es seinen Einfluss geltend mache. Dies sei Voraussetzung dafür, dass tatsächlich ein umfassender politischer Prozess zur Befriedung Syriens beginnen könne.

An den Gesprächen nahmen US-Außenminister John Kerry und seine Kollegen aus Paris, Berlin, London und Rom teil sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Es hieß, es habe diesmal keine Unterschiede in der Tonalität gegenüber Assad gegeben. In der Vergangenheit hatten die Außenminister Frankreichs und Großbritanniens schärfer gefordert, mit Assad müsse Schluss sein. Vereinbart wurde, erneut auf Moskau einzuwirken. Das kündigte Kerry ebenso an wie Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier.

Der syrischen Opposition empfahlen die Außenminister, die einigermaßen akzeptable Feuerpause zu nutzen, um die Verhandlungen mit dem Regime ernsthaft aufzunehmen. Die Waffenruhe sei keineswegs perfekt, aber die Fortschritte bei den humanitären Zugängen seien so groß, dass man sie jetzt nicht ungenutzt verstreichen lassen dürfe, hieß es aus Paris.

Die Opposition hatte bis Mitte ver- gangener Woche mehr als 200 Verstöße an die USA gemeldet, bei denen mindestens 115 Menschen getötet wurden, das Regime rückte trotz der Waffenruhe in den Provinzen Latakia und Aleppo weiter vor. Russland dokumentierte in der ersten Woche mehr als 60 Verstöße. Die UN haben nach eigenen Angaben zehn von 18 belagerten Gebieten mit Lebensmitteln und Hilfsgütern versorgen können, allerdings längst nicht so, dass dort alle Menschen ausreichend und dauerhaft über Nahrung verfügten. Westliche Diplomaten beklagten, das Regime verzögere weiter Genehmigungen; laut den UN entfernt es zudem systematisch medizinische Güter aus den Konvois.

Umstritten ist weiter die von Russland geforderte Beteiligung der Kurden-Miliz YPG an den Gesprächen. Sie kämpft mit Unterstützung der USA gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), hat jüngst aber mit Hilfe regimetreuer Kräfte bei Aleppo Territorium von den Rebellen eingenommen und ihnen Nachschubrouten in die Türkei abgeschnitten. Die Rebellen werfen ihr vor, mit dem Regime gemeinsame Sache zu machen. Die Türkei sieht die YPG als Ableger der verbotenen PKK und hat sie über die Grenze hinweg attackiert.

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